Soll ich ein Trainee werden?
Von Nicole Thurn
Marlies Vötsch hat in dem einen Jahr viel gelernt. Sie war in Gärtnereien, nahm Stichproben, machte Kontrollen in Weinbaubetrieben. "Ich wurde wie eine Fixangestellte behandelt", sagt die 31-Jährige. Die Absolventin des Studiums für Landwirtschaft hat ein Trainee-Programm beim Amtlichen Pflanzenschutzdienst des Landes Steiermark durchlaufen.
Gang und gäbe ist die Ausbildung in diversen Branchen der Privatwirtschaft. "Bei Banken und Versicherungen und im Bereich Konsumgüter kommt man kaum um ein Trainee-Programm herum, wenn man Karriere machen will", sagt Martin Hofstetter, Geschäftsführer der Karriereschmiede. Denn: "Über Trainee-Programme will man die Führungskräfte und Spezialisten von morgen rekrutieren."
Generell nehme die Anzahl der Programme in Österreich zu, glaubt Bernhard Wundsam, Geschäftsführer der Karriereberatung Uniport an der Uni Wien: "Das sehen wir auch bei unseren Karrieremessen." Bei den Hochschulabsolventen seien Trainee-Stellen beliebt – immerhin gibt es Bares für eine umfassende Ausbildung. Dass Ausbeutung und Langeweile in so manchen Programmen vorherrschen, glaubt Wundsam nicht: "Die Unternehmen haben die Programme in den vergangenen Jahren professionalisiert und entschlackt."
Die Jobchancen für Trainees scheinen gut zu sein: Eine aktuelle Studie des Personalberaters Haniel unter 123 deutschen Großunternehmen hat ergeben, dass sieben von zehn Firmen potenzielle Nachwuchskräfte über diese Programme suchen. "Dennoch sollte man sich schon im Bewerbungsgespräch über spätere Jobperspektiven informieren", rät Hofstetter.
Gesetzeslos
Tatsache ist: Die Firmen können ihre Trainee-Programme gestalten, wie sie wollen – einen rechtlichen Rahmen gibt es nicht. Ein seriöses Angebot lässt sich aber leicht von einem unseriösen unterscheiden, meint Hofstetter: Das Trainee-Programm sollte zwölf bis 18 Monate dauern – "bei kürzerer Dauer hat der Trainee kaum Gelegenheit, alle Geschäftsbereiche kennenzulernen, bei längerer Dauer besteht die Gefahr, dass es sich um Etikettenschwindel handelt." Sprich: Dass die Firmen die Trainees als billige Arbeitskräfte ausnutzen. Denn über eines müssen sich die Auszubildenden im Klaren sein: "Ihr Gehalt entspricht in etwa 70 Prozent des Gehalts einer Einstiegsposition", sagt Hofstetter. Alles darunter sei unseriös. Was ein seriöses Traineeprogramm sonst noch bieten müsse: "Einen Ausbildungsplan mit Weiterbildungsangebot, einen Mentor und eine Jobperspektive für danach." Die Finger lassen sollte man von einer vertraglich festgelegten Arbeitsverpflichtung, "wo man bei Kündigung die Weiterbildungskosten zurückzahlen muss".
Auch wenn der Job danach ausbleibt – eine Traineestelle zahlt sich dennoch aus. "Gerade in großen Unternehmen kann man gute Netzwerke für die Karriere aufbauen", sagt Wundsam.
Auch Marlies Vötsch hat beim Land Steiermark keinen Job bekommen: "Aber ich habe durch die Trainee-Stelle Kontakte zu meinem jetzigen Arbeitgeber geknüpft." Dort arbeitet sie seit Sommer 2010.
Gehälter: Was ein Trainee bekommt
Die Studie von Haniel unter 123 Großunternehmen in Deutschland zeigt: 69 Prozent der Trainees erhielten ein Bruttojahresgehalt von 40.000 bis 50.000 Euro. Zwanzig Prozent mussten sich weniger einstecken, zwölf bekamen mehr.
In Österreich variieren die Gehälter für Trainees nach Branche: A1 bietet 40 HTL-Maturanten ein Trainee-Programm für 2300 Euro brutto monatlich (Start im September, Dauer: 16 Monate). Die Raiffeisen Landesbank lockt für ihr Banking & Finance Traineeprogramm mit 2650 Euro pro Monat (Start: Oktober 2012). Baumax entlohnt für das 12-monatige Management-Trainee-Programm mit einem Mindestbruttojahresgehalt von 18.900 Euro. IKEA lockt mit einem Jahresgehalt von 30.000 Euro, Peek & Cloppenburg zahlt Studierenden 8,20 Euro Bruttostundenlohn für das Junior-Trainee-Programm, Jungakademiker bekommen für das Fashion-Management- Programm 2600 Euro Brutto pro Monat.