Skisport und Studium, das geht
Von Nicole Thurn
"Es geht mir sehr gut", sagt Hannes Reichelt drei Tage nach seinem spektakulären Sturz auf der Streif am Telefon. An diesem Samstag will er in Garmisch sein Bestes geben.
Dass Reichelt ehrgeizig ist, wissen viele. Dass er neben seinen Erfolgen als Skirennläufer auch Student ist, wissen wenige. Seit dem Wintersemester 2014 studiert er an der Universität Innsbruck Internationale Wirtschaft. "Ich wollte nebenbei etwas für den Geist tun und Wirtschaft hat mich immer interessiert", sagt der Absolvent der Ski-HAK in Schladming.
Wie lassen sich Studium und Spitzensport vereinbaren? Der Winter steht voll im Zeichen des Sports, das Frühjahr lässt Zeit für Prüfungen. "Im Herbst lässt sich das Studium ebenfalls gut handeln, da bin ich oft auf den Gletschern in Tirol unterwegs", erzählt Hannes Reichelt. Dann besucht er Proseminare. In Vorlesungen zu sitzen, geht sich nicht aus, für die Prüfungen lernt er nach den Skripten – "das ist schon schwierig". Sein Ziel: " Ich möchte einige Prüfungen machen und mich nach meiner Sport-Karriere voll dem Studium widmen – mit demselben Ehrgeiz wie im Sport", sagt er.
Unterstützt wird Reichelt von der Organisation KADA (Karriere Danach), die studierwillige Spitzensportler bei der Vereinbarkeit von Wettkampf- und Studierphasen berät.
Die Athleten müssen vorbauen, denn: Nur einer von 50 Spitzensportlern hat nach Ende seiner Karriere finanziell ausgesorgt, 43 Prozent haben laut KADA keine abgeschlossene Berufsausbildung. Knapp 200 studierende Athleten betreut der Verein derzeit, 70 mehr als im Sommersemester. "Für Wintersportler ist es aus organisatorischen Gründen schwieriger, Studium und Spitzensport zu vereinbaren als für Sommersportler", sagt KADA-Chefin Roswitha Stadlober. Der Verein hilft bei Prüfungsterminen und Anwesenheitszeiten und kooperiert mit zehn Hochschulen wie der Uni und WU Wien, der FH Wiener Neustadt, der Northumbria University of Newcastle und dem Zentrum für Fernstudien.
Für ein Fernstudium hat sich Skicross-Fahrerin Katrin Ofner entschieden. Die 25-Jährige – sie ist derzeit bei den X-Games in Aspen am Start – hat soeben mit dem Masterstudium "Leadership & Management" an der Northumbria begonnen. "Damit bin ich flexibler als mit meinem bisherigen Präsenzstudium", sagt sie. Demnächst schließt sie den Master in Sportwissenschaft an der Uni Graz ab – ein Balanceakt, denn: "Man fährt für 1,5 Stunden Vorlesung nicht vom Pitztal nach Graz." Auch für Ofner ist Studieren ein Ausgleich zum Wettkampf: "Es gibt anstrengende Trainingstage, an denen ich keinen freien Kopf mehr fürs Lernen habe. Aber die ganze Zeit nur an den Sport und das Training zu denken, wäre mir zu eintönig." Mit dem zweiten Standbein will sie für die Zeit nach der Sport-Karriere gerüstet sein.
Übrigens: seine Prominenz ist für Hannes Reichelt beim Studieren kein Problem: "Es hat mich noch keiner wegen dem Skifahren angequatscht. Das ist angenehm."