Skandal-Chef: Wenn der Boss zum Problem wird
Von Andrea Vyslozil
Nur 4,8 Quadratmeter misst die unbeheizte Einzelzelle im japanischen Fuchu Gefängnis, in der Renault-Manager Carlos Ghosn sitzt. Kaum war sein Privatjet am 29. November in Tokio gelandet, hatte ihn die Japanische Staatsanwaltschaft verhaften lassen. Sie wirft dem Ex-Nissan-Vorstandsboss vor, sich an Firmenkapital bereichert und gegen Börsenauflagen verstoßen zu haben.
Auch Meng Wanzhous Verhaftung passierte am Flughafen. Die Huawei-Finanzchefin war auf dem Weg nach Mexiko in Vancouver zwischengelandet, als am 1. Dezember die Handschellen klickten. Die kanadischen Behörden nahmen sie auf einen Haftbefehl der USA hin fest, die Meng Bankenbetrug und Verstoß gegen amerikanische Iran-Sanktionen vorwerfen. Inzwischen ist sie auf Kaution frei, doch die Festnahme hat neben diplomatische Beziehungen auch das Vertrauen der Huawei-Kunden schwer erschüttert.
Schwierigkeiten mit Behörden kennt auch Tesla-Gründer Elon Musk. 20 Millionen Dollar musste er kürzlich an die Börsenaufsicht zahlen. Gleichzeitig laufen ihm die Manager davon. Und im September lieferte Musk mit Cannabis und Whisky einen Eklat vor laufender Kamera. Die Tesla-Aktie rutschte am selben Tag zeitweise um zehn Prozent ab.
Fallende Kurse machen auch Mark Zuckerberg zu schaffen. Nach dem Datenskandal und anderen Pleiten ließen schlechte Quartalszahlen die Facebook-Aktie im Juni um knapp 20 Prozent einbrechen. Ein Aktionär hat das Medium und seinen Chef daraufhin verklagt.
Ärger anderer Art hat unterdessen Linus Torvalds. Der Linux-Erfinder nimmt seit September eine Auszeit. Zuvor hatte er Kollegen und Kolleginnen mit Sätzen wie „Bring dich einfach um“ brüskiert.
Je bekannter, desto skandalöser
Macht der Chef einen Fehler, kann ihn das den Job kosten: Fünf Prozent der internationalen Führungskräfte müssen wegen rechtlicher oder ethischer Fehltritte wie Betrug, Insiderhandel oder sexueller Indiskretion den Chefsessel räumen, so eine Studie des Wirtschaftsprüfers PwC. Doch nicht nur für den Betroffenen selbst, auch für das Unternehmen ist so ein Fall ein Desaster. „Je bekannter, desto größer der Skandal in den Medien. Ganz besonders unter Druck stehen börsennotierte Unternehmen“, erklärt der auf Krisen-PR spezialisierte Kommunikationsberater Gregor Schütze.
Er rät, Krisenszenarien rechtzeitig zu üben. Wie aber reagieren, wenn Anleger, Konsumenten und Medien in einer Situation Antworten fordern, in der sie meist intern noch kaum jemand hat? Zeit ist kritisch, meint Schütze. Doch Vorsicht: „Eine falsche Erstreaktion verschlimmert die Krise. Essenziell ist, dass das Unternehmen ehrlich und möglichst breit kommuniziert.“ Schweigen sei keine Option. Das Vertrauen von Investoren, Kunden und Lieferanten stehe auf dem Spiel. 48,2 Prozent der heimischen Konsumenten haben wegen medialen Krisen schon einmal Produkte boykottiert, so eine Studie im Auftrag der APA. „Mit Kunden spricht etwa der Vertriebschef, mit Investoren der Investors-Relations-Verantwortliche. Die Botschaft muss dabei aber einheitlich sein.“
Innerhalb des Unternehmens leidet das Vertrauen ebenfalls. Wolfgang Mayrhofer, Institutsleiter für verhaltensorientiertes Management an der WU, beobachtet mehrere Dynamiken als Reaktion auf Skandal-Chefs. So würden Mitarbeiter nicht nur die Führungskraft, sondern auch die eigene Position in der Firma hinterfragen. „Der eine strengt sich noch mehr an, um den eigenen Job zu sichern, die andere fühlt sich durch den Vorfall bestärkt, das Unternehmen zu verlassen.“
Die Chefposition sei unterdessen über die Person hinausgehend beschädigt. „Denken Sie etwa an Trump“, sagt Mayrhofer. Das Team reagiere mit Vertrauensverlust, der auch dem etwaigen Nachfolger im Chefsessel entgegengebracht wird.
Kulturschock
Die Führungskultur sei in dem Moment erschüttert, gleichzeitig würden Fragen nach Governance und dem Umgang mit Whistleblowern laut. „Fehler der Führungsperson anzuprangern greift zu kurz. Dahinter stehen Strukturen, die das Fehlverhalten möglich gemacht haben.“
Dass etwa die Aggressivität von Linux-Chef Torvalds in der Vergangenheit auf andere führende Männer im Team abgefärbt habe, sei symptomatisch. „Das schadet der ganzen Organisation.“ Auch langjährige Gegner des Betroffenen müssten sich plötzlich rechtfertigen: „Weshalb haben sie ihn nicht früher offen infrage gestellt?“, bekommen sie vielleicht zu hören.
Eine Krise kann aber auch eine Chance sein. Mayrhofer: „Wer als Unternehmen daraus lernt und bei den strukturellen Ursachen ansetzt, kann gestärkt hervorgehen.“ PR-Profi Schütze ergänzt: „Reagiert die Firma richtig, schafft Transparenz und steht für Fehler ein, kann das Kundenvertrauen nach der Krise sogar stärker sein als vorher.“