Jammerverbot im Tal der Nerds
Von Nicole Thurn
1993, als noch kaum jemand wusste, was das Internet war, baute er die erste Webseite. 1990 entwickelte er in Santa Monica, Los Angeles, die ersten elektronischen Bücher der Welt. Heute hilft der mehrfache Unternehmensgründer und Marketing-Stratege Florian Brody (nicht nur) österreichischen Firmen, im Silicon Valley durchzustarten. Auf Einladung der PR-Beratung Ecker & Partner hielt er in Wien einen Vortrag. Mit dem KURIER sprach er über die Neidgesellschaft der Österreicher, die Oberflächlichkeit der Amerikaner und die Arbeitswelt der Geeks und Nerds in der Hightech-Zentrale bei San Francisco.
KURIER: Was können österreichische Start-ups und Unternehmen von Silicon Valley lernen?
Florian Brody: Die Bereitschaft zum Risiko. Hierzulande gehen Sie zugrunde, wenn Sie bankrott sind. Drüben heißt es von den Investoren, „kommen Sie wieder, wenn Sie was Neues haben“. Die Einstellung der Unternehmer dort ist: Next time I get it right. Doch die Arbeitsgeschwindigkeit ist viel höher, es wird sieben Tage die Woche gearbeitet. Und es herrscht mindful management: Die Firmen tun alles für ihre Mitarbeiter, Google bietet sogar Meditationskurse an. Natürlich will jeder Geld verdienen, genauso will man aber auch seine Ideale realisieren. In Amerika ist es keine Schande, Geld zu verdienen, hier schon. Wir müssen die Neidgesellschaft in Österreich aufbrechen.
Und was unterscheidet die Investoren hier und dort?
Investoren haben drüben weitaus weniger Angst, Geld zu verlieren, sondern vielmehr davor, die Opportunity zu verpassen. Es kann Ihnen als Gründer schnell passieren, dass der Traum Ihres Lebens verkauft wird. Weil der Investor das Ding schnell abstößt, wenn der Markt schwierig wird. Dann müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht aus Ihrer eigenen Firma geworfen werden. Drum prüfe, wer sich bindet.
„Go Silicon Valley“ ermöglicht österreichischen Start-ups einen dreimonatigen Aufenthalt. Wie sollten sie sich drüben verhalten?
Offen sein und pünktlich. Alles scheint leger dort, aber Pünktlichkeit ist extrem wichtig, alles wird beobachtet. Und es braucht eine positive Einstellung. Wenn man drüben jammert wie bei uns, auf die Frage „Wie geht’s“ mit „naja, geht so, viel Arbeit“ antwortet, dann rücken die Leute von einem ab. Sie haben Angst, dass das Negative auf sie abfärbt. Es geht dauernd ums Geschäft, die Oberflächlichkeit ist sehr anstrengend. Man kommt durch die Direktheit und Offenheit zwar schnell zur Sache, darf sie aber nicht überschätzen.
Inwiefern?
Wir trafen dort einmal einen Amerikaner zum Essen, er klagte, dass die Leute oft interessiert tun und sich dann nicht melden. Wir haben nie wieder was von ihm gehört.
Wie sollte man die Präsentation vor dem Investor aufziehen?
Investor Guy Kawasaki hat die 10, 20, 30 Regel: 10 Slides, 20 Minuten Präsentation, Schriftgröße mindestens 30. Wichtig ist: Get to the point. Die Start-ups legen den Fokus oft zu stark auf das Produkt. Doch die Investoren wollen wissen, wo das Business dabei ist. Es wird erwartet, dass Sie einen Fünf-Jahres-Plan vorlegen. Sie müssen erklären können, dass Ihr Geschäftsmodell Hand und Fuß hat. Die Investoren sind sehr kritisch, zerlegen das Ganze sofort. Das ist aber ein besseres Zeichen, als wenn sie nix fragen und mit dem Smartphone spielen.
Wie hat es Sie nach Silicon Valley verschlagen?
1997 bin ich mit einer Kollegin hinüber mit dem Plan, eine Firma zu bauen. Wir hatten wenig Ahnung von Businessplänen, haben alle Fehler gemacht, die nur möglich sind. Wir schafften es dennoch, zwei Millionen Dollar zu lukrieren.
Neun von zehn Start-ups scheitern, trotzdem investieren immer mehr Konzerne in sie. Warum?
Ein Start-up entwickelt Produkte billiger, schneller und risikoloser als der Konzern. Denn kriegt der Konzern es nicht gut hin, hat er irren Verlust und die Aktien rasseln in den Keller.
Inwiefern verändern Start-ups die österreichische Wirtschaft?
Ich glaube, es geht mehr in Richtung Entrepreneurverständnis mit mehr Risiko. Das Silicon Valley zu imitieren ist aber nicht richtig, und auch nicht möglich. Wir sollten eigene Wege gehen, Dinge tun, die wir woanders nicht tun können, weil wir hier eher Kredite bekommen. In Österreich und Europa ist der Vorteil: Die Start-ups können sich mehr Zeit lassen. Ins Silicon Valley zu gehen, macht nur Sinn, wenn man in den US-Markt will. Dann muss man nach den dortigen Regeln spielen.
Der Wiener lebt und arbeitet im Silicon Valley an der US-Westküste als Marketing-Stratege für innovative Unternehmen und Start-Ups. Als österreichischer Pionier für digitale Medien beschäftigt er sich seit über 20 Jahren mit Multimedia und electronic Publishing. Er entwickelte frühe Multimedia Projekte für Apple, Kodak, Ciba-Geigy/Novartis und mehrere Verlage. Brody publiziert in Europa und den USA, ist international gefragter Vortragender und unterrichtet an Universitäten in Österreich, Deutschland und Kalifornien. Er studierte Computerlinguistik an der Universität Wien und in Oxford.