"Sicherheiten gibt es keine mehr"
Von Sandra Baierl
Bernhard Rupp ist Leiter der Abteilung Gesundheitswesen der Arbeiterkammer Niederösterreich sowie FH-Lehrbeauftragter (Thema: Gesundheitsökonomie). Er rät, sich eine Überlebenstaktik zuzulegen.
KURIER: Der totale Fokus auf den Job birgt Gefahren.
Bernhard Rupp: Ja, die Gefahr der absoluten Erpressbarkeit bei Abhängigkeit von einem Job ist gegeben. Firmenchefs fordern Flexibilität, immer stärkeres unternehmerisches Denken, die totale Hingabe. Aber sie bieten keine Sicherheit mehr, das einzig Sichere in der heutigen Arbeitswelt ist die Unsicherheit. Das sollte Arbeitnehmer dazu ermuntern, nicht mehr nur auf ein Pferd zu setzen, sondern – wie es ihre Dienstgeber ja verlangen – unternehmerischer zu denken und ihr Abhängigkeitsrisiko zu vermindern – gefühlsmäßig und ökonomisch.
Die meisten Dienstverträge schließen Nebenjobs aus. Das lässt sich auch zeitlich schwer vereinbaren.
Das ist eine Frage der individuellen Gestaltung. Ich meine nicht zwingend, dass man sich parallel in zusätzlichen Jobs zu Tode arbeitet, sondern nebenbei ein kleines Standbein aufbaut – mit seinem eigenen Garten, künstlerischer Betätigung oder Nachbarschaftshilfe. Durch diese Verbreiterung des Portfolios mindere ich meine psychologische und teilweise auch die ökonomische Erpressbarkeit.
Kann man sich so tatsächlich gegen Krisen wappnen?
Man kann das lernen, sich auch geistig trainieren. Die Frage ist, wie man mit existenziellen Krisen umgeht. Das reicht von Optimismus bis hin zur Einstellung ,Ich habe es in der Hand und verändere etwas’, dass man sich nicht unterkriegen lässt. Netzwerken in der Familie und in der Gemeinde ist ressourcenstärkend. Wichtig ist auch, sich Verbündete zu suchen, die Krise verstehbar und bewältigbar zu machen.
Sich unabhängig von seiner Arbeit zu machen klingt so einfach, hängt davon doch die Existenz ab.
Das stimmt. Zum Glück haben wir ein Sozialsystem, in dem niemand buchstäblich verhungern muss. Angesichts des sich stark wandelnden Arbeitsmarktes mit immer häufigeren erwerbslosen Phasen bräuchten wir aber eine innovative Arbeitsmarktpolitik, die Sicherheit und Förderung der persönlichen Weiterentwicklung gleichermaßen bietet.
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