Wirtschaft/Karriere

Schön steigt auf, dick bleibt joblos

Nach 15 Jahren als Tagesvater wurde der Däne Karsten Kaltoft entlassen. Offizieller Grund: Es gebe immer weniger Kinder. Warum gerade Herr Kaltoft gekündigt wurde, glaubt er zu wissen: Er wiegt 160 Kilo – immer schon. Kaltoft klagte vor dem Europäischen Gerichtshof.
Laut Niilo Jääskinen, ebendort Generalanwalt und Gutachter, ist es Diskriminierung, einem adipösen Menschen – mit einem Body-Maß-Index von über 40 – aufgrund seiner Körperfülle einen Job zu verwehren oder ihn zu kündigen. Fettleibigkeit will er künftig im EU-Recht als Behinderung gelten lassen.
Darf Dicksein in Österreich ein Kündigungsgrund sein? „Wir haben im Gleichbehandlungsgesetz keinen Anknüpfungspunkt, wenn jemand wegen Dickseins diskriminiert wird“, sagt Günter Köstelbauer, Arbeitsrechtsexperte bei der Arbeiterkammer. „Wenn ich gekündigt werde, weil ich eine Wampe habe, ist das beleidigend, aber rechtlich nicht anfechtbar“, sagt er. Es gebe Berufe, wie Fitnesstrainer, Bademeister oder Stewardess, wo körperliche Fitness notwendig sei. Und es gebe Unternehmen, die gutes Aussehen und Schlanksein aufgrund ihrer Corporate Identity voraussetzen. Rechtliche Möglichkeiten gebe es nur über Umwege: wenn auch sexuelle Diskriminierung vorliege, helfe das Gleichbehandlungsgesetz, bei Fettleibigkeit unter Umständen das Behindertengleichstellungsgesetz.

Tatsache ist: Menschen mit mehr Kilos auf der Waage haben schlechtere Chancen am Jobmarkt – das zeigen Studien. So ließen Forscher der Universität Tübingen zwölf Personaler Bewerbungsfotos bewerten. Am schlechtesten schnitten übergewichtige Frauen ab. Zwei Prozent der Personaler trauten ihnen einen prestigeträchtigen Beruf wie Ärztin oder Architektin zu. Sechs Prozent wollten die beleibten Frauen als Abteilungsleiterin einstellen. Die normalgewichtigen Frauen schnitten mit mehr als 43 Prozent deutlich besser ab. Übergewichtige Männer wurden ebenfalls diskriminiert – allerdings weniger als die Frauen.

Schönheit hilft Männern

Umgekehrt bedeutet das: Wer schön und schlank ist, hat gute Chancen auf einen guten Job. Die umstrittene britische Soziologin Catherine Hakim schreibt in ihrem Buch „Das erotische Kapital“, dass attraktive Männer beruflich erfolgreicher sind, eher befördert werden und um 20 Prozent mehr verdienen als ihre weniger attraktiven Kollegen. Gut aussehenden Menschen wird mehr zugetraut: Angeblich lassen schöne Vorstandschefs die Aktienkurse nach oben schnellen. Das wollen die Ökonomen der Universität von Wisconsin, Joseph Halford und Hung-Chia Hsu herausgefunden haben.

Bei attraktiven Frauen sind solche Effekte offenbar weniger ausgeprägt. Stefanie Johnson von der Universität Colorado fand heraus, dass schöne Frauen generell die besseren Berufschancen hätten – doch im Topmanagement hätten sie mit ihrem Aussehen das Nachsehen.
Die Wissenschaftler der Uni Tübingen schlagen anonymisierte Bewerbungen vor, damit weniger attraktive Menschen nicht von vornherein benachteiligt werden. Menschen, die wie Herr Kaltoft gekündigt werden, hilft das aber auch nichts.

Sie ist schön, trägt enge Röcke und will aussehen wie ein Playboy-Model, wie sie selbst in einer Talkshow sagte. 2009 wurde die Anlageberaterin Debrahlee Lorenzana von der Citibank in New York entlassen. Ihre Version: Sie hatte sich beschwert, dass männliche Kollegen ihr Aussehen als Ablenkung vom Job bezeichneten. Sie verklagte ihren Arbeitgeber – ohne Erfolg. Dafür hatte sie einige TV-Auftritte, einen Anruf von Hugh Hefner lehnte sie ab.
Die Fastfood-Kette Hooters, die auf superschlanke Bedienerinnen in Hot Pants setzt, zwang eine Angestellte kürzlich wegen ihres „Übergewichts“ zur Diät. Die Frau hatte 59 Kilo bei 1,72 Zentimeter Körpergröße. Sie lässt den Fall zurzeit rechtlich prüfen.

Im Vorjahr feuerte ein Zahnarzt in Iowa seine Assistentin, weil sie zu sexy war und er um seine Ehe fürchtete – und bekam vom Obersten Gericht recht. Verlangt hatte die Entlassung allerdings die Ehefrau des Zahnarztes, nachdem sie anzügliche SMS der beiden gelesen hatte.
Ebenfalls 2013 beschäftigte sich die französische Antidiskriminierungsbehörde mit der US-Modekette Abercrombie& Fitch. Das Unternehmen stellt ausschließlich schlanke und gut aussehende Verkäufer an, die intern „Models“ genannt werden. Abercrombie&Fitch-Boss Mike Jeffries will mit ihnen gut aussehende Kunden anziehen. Um Styling-Sünden zu vermeiden, gibt das Unternehmen die Kleidung und Frisuren für die Verkäufer auch vor. Nach Protesten und Kundenschwund will man jetzt aber an der Unternehmensstrategie feilen.