Das bringt uns echt nicht weiter
Von Nicole Thurn
Alles dreht sich, alles bewegt sich. Und wir alle müssen mit. Wir Mitarbeiter, wir Unternehmer, wir müssen schneller, effizienter, besser werden. Doch müssen wir wirklich? Und wollen wir überhaupt? Nein, das muss nicht sein. Ein Pamphlet wider dem Effizienz-Wahn.
Reden statt mailen Der Chef sitzt nebenan, Luftlinie fünf Meter, und spamt uns mit Aufträgen zu. Den Kollegen von hinterster Ecke erkennen wir nur anhand seiner eMail-Signatur. Reden gilt in vielen Unternehmen als Zeitverschwendung – ob am Telefon oder persönlich. Mails sind schnell, knapp, alles schwarz auf weiß: effizient, möchte man meinen. Weit gefehlt, denn eMails machen in Wahrheit dumm, arm und krank. Meint zumindest die deutsche Buchautorin Anitra Eggler. Aufpoppende Mailnachrichten unterbrechen die Konzentration, das Gehirn wird süchtig nach dieser Ablenkung, das Nachdenken, nun ja, gerät zur uninteressanten Nebenbeschäftigung. Zehn Mal hin und her zu mailen, um einen Termin zu vereinbaren, unterbricht zehn Mal den Denkfluss.
Stattdessen finden wir: Auf den grünen Zweig kommt man im persönlichen Gespräch viel eher. Es hat sich vieles schon leichter ausgeredet. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, einen anderen Menschen besser kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.
Lesen statt scannenLesen war gestern, heute wird gescannt: Speedreading nennt sich die Kunst der schnellen Texterfassung. In 20 Sekunden den Inhalt von 500 Wörtern kapieren, das versprechen Bücher, das versprechen Seminare. Wir finden das sinnvoll, an sich. Das Problem ist: Scannen tun wir schon, die ganze Zeit. Wir können keinen Text mehr in Ruhe lesen. Rastlos sucht das Auge ihn nach seinem Inhaltskern ab, flüchtet sich über die Worte hinweg. Der Rest verschwindet in der Gedächtnislosigkeit. Nein, wir wollen nicht mehr scannen, wir wollen wieder richtig lesen. Mit Konzentration und Genuss (wo gibt es dafür Seminare?).
Aufräumen mit dem Aufräumen Den Schreibtisch-Wahnsinn täglich aufs Neue fein säuberlich zu ordnen, hilft nur echten Saubermenschen. Wer aber das regelmäßigen Versinken ins Chaos bevorzugt, dem hilft auch das Schlichten der Zettelwirtschaft in Ordner wenig. Denn der Hang zum Chaos bleibt bestehen. Eine Studie der Universität Göttingen hat nachgewiesen, dass unordentliche Arbeitsumgebung das klare Denken fördert. Nun ja, zugegeben: Die unordentliche Arbeitsumgebung sollte möglichst vom Kollegen stammen. Denn der Blick auf seinen zugemüllten Schreibtisch bringt die grauen Zellen auf Trab. Wir sagen aber trotzdem: Ein aufgeräumter Schreibtisch mit effizientem Ablagesystem ist unnötig wie ein Kropf. Denn unser Chaos ist bestens organisiert.
Verstehen statt schnell handeln
Wir tun, während wir noch denken. Oder schon vorher. Der Zeitdruck treibt uns dazu. Oder der Chef. Weil wir glauben, – oder er glaubt –, wir sollten keine Zeit verlieren, wir müssen rasch handeln. Effizient ist das in der Regel nicht. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, „Ach hätte ich nur XY bedacht ...“ ist es meist zu spät. Also stopp, bitte: Denn wir wollen denken. In aller Ruhe. Wir wollen verstehen und hinterfragen. Und dann erst handeln.
Spontan statt guter Plan
Jaja, wir sollen den Tag durchplanen, Termine fein säuberlich abstimmen und organisieren, heißt es. Denn Zeitmanagement ist alles. Wir sagen: Rette sich wer kann vor allgegenwärtiger Zeitplanung. Denn was hilft der beste Tagesplan, wenn letztendlich doch nur frisch und fröhlich abgesagt, verschoben und versetzt wird? (Weil das Gegenüber sich effizient verzettelt hat). Stattdessen glauben wir: Nicht alles muss durchgeplant sein. Spontane Treffen sind die besten, ein ungeplantes Stehcafé unter Kollegen oft zielführender als ein geplantes Dreistunden-Meeting.
Kluge Faulheit statt Hyper-Fleiß
Nur die Fleißigen kommen weiter. Die mit den Zehn-Stunden-Tagen, die mit der sogenannten Extrameile, mit dem Hang zu „möglichst viel in kurzer Zeit“. Das mag stimmen, es geht aber auch anders, finden wir: Denn die Kombination aus Bequemlichkeit und Intelligenz führt mit möglichst wenig Aufwand zu einfachen und guten Lösungen, sagt Autor Peter Taylor im Buch „Erfolgsstrategien für Faulenzer“. Also lieber nach Taylors Motto arbeiten: Möglichst viel mit wenig Aufwand. Denn das ist wahrlich effizient.