Wirtschaft/Karriere

Schafft den Kündigungsschutz ab

Mitarbeiter mit Behinderung sind unproduktiv und kosten Geld. Mit diesen Vorurteilen will Gregor Demblin aufräumen. Der Initiator der Inklusions- Jobplattform CareerMoves – selbst im Rollstuhl – bietet seit kurzem mit "DisAbility Performance Austria" Strategieberatung für Unternehmen an, um sie barrierefrei zu machen. Kooperationspartner ist die Bank Austria, dort arbeiten 400 Menschen mit Behinderung. Im gemeinsamen Interview sprechen Bank-Austria-CEO Willibald Cernko und Gregor Demblin über diskriminierenden Kündigungsschutz, sinnlose Quoten und die wirtschaftliche Notwendigkeit, Menschen mit Behinderung einzustellen.

KURIER: 88 Prozent der Firmen zahlen lieber Ausgleichstaxe als die Behindertenquote von vier Prozent zu erfüllen. Machen Sie es anders?

Willibald Cernko: Wir erfüllen die Quote seit dem vierten Quartal 2012, haben uns aber über viele Jahre freigekauft.

Woher haben Sie Ihr Bewusstsein für das Thema?

Willibald Cernko: Das habe nicht alles ich ausgeheckt. Mitarbeiter – Betroffene und Nicht-Betroffene – kamen mit Ideen, wir haben diese aufgegriffen und ausgebaut. Ich habe als Jugendlicher mit Menschen mit Behinderung zu tun gehabt. Ein Freund war querschnittsgelähmt.

Was sind die Hürden für Firmen?

Gregor Demblin: Die Hürden sind nicht ein paar Stufen, sondern in den Köpfen. Viele Firmen greifen zu Bewerbern ohne Behinderung, weil sie auf Sicherheit setzen. Es werden Minderleistung und vermehrte Krankenstände befürchtet. Es gibt eine riesige Unsicherheit im Umgang mit den Betroffenen. Man denkt als Erstes an das Allerhinderlichste: Wie soll ein Gehörloser telefonieren? Menschen mit Behinderung sind Leistungsträger, aber oft falsch eingesetzt. Besser ist, auf die Stärken zu schauen. Die Quotenregelung halte ich aber für problematisch.

Warum?

Gregor Demblin: Sie ist in der Weimarer Republik für die Kriegsversehrten entwickelt worden. Die Quote hat eine diskriminierende Botschaft: Menschen mit Behinderung sind so schlechte Arbeiter, dass man Unternehmen dazu zwingen muss, sie einzustellen. Die Behindertenarbeitslosigkeit in Europa ist aber überall etwa gleich hoch – egal, ob mit oder ohne Quote.

Hilft der Kündigungsschutz?

Gregor Demblin: Er führt dazu, dass nur 90.000 von 630.000 Menschen mit Behinderung den Behindertenstatus beantragen. Viele sagen, sie hätten sonst wegen dem Kündigungsschutz auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Dass man einen behinderten Menschen nicht mehr los wird, hat sich in die Köpfe der Menschen gefressen. Und das stimmt nicht mal.

Was ist die Alternative zur Quote?

Gregor Demblin: Es braucht einen starken Antidiskriminierungsschutz, aber keinen Kündigungsschutz, der für das Unternehmen zum unkalkulierbaren Risiko wird. Die Behinderung soll kein Grund für Arbeitslosigkeit sein. Wenn jemand nicht mehr zur Arbeit kommt, weil er keine Lust mehr hat, sollte er gekündigt werden wie jeder andere auch. In England funktioniert das sehr gut.

Die Bank Austria hat barrierefreie Filialen. Bis 1.1. 2016 müssen alle Betriebe für Kunden barrierefrei sein, die WKO wollte die Frist verlängern. Was halten Sie davon?Willibald Cernko: Die Regierung ist da kein Vorbild, sie hat für öffentliche Gebäude gleich bis 2020 verlängert.

Gregor Demblin: Fristen zu verschieben, ist keine Lösung. Wichtig ist, den Unternehmen zu zeigen, dass das keine lästige Verpflichtung, sondern eine Investition in die Zukunft ist.

Was bringt es, Menschen mit Behinderung einzustellen?

Willibald Cernko: Wir machen keine Gewinn- und Verlustrechnung. 15 Prozent der Österreicher, 1,2 Millionen, haben "besondere Bedürfnisse". Es geht darum, ihnen eine Chance zu geben – weil sie gute Leute sind. Auch 15 Prozent aller Uni-Absolventen werden so außen vor gelassen. Das ist doch schade.

Gregor Demblin: Zwei Prozent der Belegschaft erwirbt jährlich eine Behinderung durch die Alterung. Die Frage ist: Kann ich Mitarbeiter optimal unterstützen, damit sie ihre Leistung bringen? Das geht mit kleinen Maßnahmen. Am Ende des Tages gibt es jede Menge wirtschaftliche Vorteile – mehr Wertschätzung, mehr Produktivität.

Sie haben bei der Bank Austria seit 2010 einen Disability Manager.

Willibald Cernko: Das Ganze muss Struktur haben, kann nicht auf Freiwilligkeit basieren. Dafür investieren wir in Verantwortliche, die dieses Anliegen in vielen Bereichen vorantreiben.

Gregor Demblin:Die Bank Austria hat in unserem Disability Performance Check extrem gut abgeschnitten. Wir haben in keinem anderen Betrieb einen Disability Manager gefunden. Meist wird das Thema in CSR-Abteilungen geschoben und dann passiert genau gar nix.

Was wollen Sie besser machen?

Willibald Cernko: Wir wollen uns im Recruiting verbessern.

DisAbility Performance Austria Gregor Demblin bietet Beratung und Vernetzung für Barrierefreiheit in Unternehmen an. Die Bank Austria, REWE, L'Oréal und die Erste Bank sind Kooperationspartner.

Quote Betriebe müssen pro 25 Mitarbeiter einen begünstigten Behinderten einstellen oder zahlen Ausgleichstaxe (ab 244 Euro pro Monat). 22 Prozent erfüllen die Quote.

Kündigungsschutz Begünstigte Behinderte haben einen erhöhten Kündigungsschutz nach vier Jahren Dienstverhältnis.