Postgraduale Weiterbildung: Was der Titel wirklich bringt
Von Theresa Kopper
KURIER: Herr Hohensee, von vielen Universitäten wird eine postgraduale Weiterbildung gerne als Karrierebooster bezeichnet. Was ist ein solcher Abschluss in der Praxis wirklich wert?
Jens Hohensee: Angesichts der Tatsache, dass Karrieren in den vergangenen Jahren immer stärker auf Internationalität ausgerichtet wurden, kann ein solcher Abschluss an einer internationalen Hochschule die Karriere in Schwung bringen. Aus meiner Sicht ist er definitiv zu empfehlen.
Obwohl die Investitionen groß sind.
Ja, viele Unternehmen haben die Bedeutung der hochschulischen Weiterbildung aber erkannt und bieten Mitarbeitern eine sogenannte „Educational Leave of Absence“ oder sind bereit, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Im Kampf um die besten Talente ist das definitiv eine Strategie, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Apropos Arbeitgeber: Sie sind Director Career Services bei der Boston Consulting Group (BCG). Wird bei Ihnen im Recruiting gezielt nach Absolventen eines postgradualen Studiums gesucht?
Internationalität hilft in jedem Fall, um im Recruiting bei BCG zu punkten. Es braucht aber auch eine Vielfalt der Kompetenzen, die sich durch postgraduale Weiterbildungen natürlich gut erwerben lassen. Wir sind zudem nicht ausschließlich auf Absolventen von ökonomischen Studiengängen fokussiert, sondern beziehen gezielt die unterschiedlichsten Fakultäten ein, weil wir glauben, dass wir dadurch verschiedene Denkweisen und -ansätze in unsere Organisation bringen.
Und worin sehen Sie den größten Nutzen einer postgradualen Weiterbildung für die Absolventen? Liegt dieser ausschließlich in der Erweiterung der persönlichen Kompetenzen?
Nein. Natürlich ist ein postgradualer Master eine Möglichkeit, Zusatzqualifikationen zu erwerben. Mindestens genauso wichtig ist aber das Thema Netzwerkpflege. Ich sehe das auch immer wieder bei meinen Kandidaten – von dem Netzwerk zehren diese ein Leben lang.
Lohnt sich die Investition denn auch finanziell?
Eine postgraduale Ausbildung ist eine Investition, die sich bald im Laufe des Berufslebens amortisiert. Im Durchschnitt kann man sein Gehalt um bis zu 15 Prozent verbessern. Mit seinem Arbeitgeber über eine Co-Finanzierung zu sprechen, ist eine gute Idee – viele sind dazu bereit.
Nun wird die hochschulische Weiterbildungslandschaft national als auch international immer größer. Auf welche Kriterien sollten Interessenten bei der Auswahl der Uni achten?
Die Reputation einer Universität im Lebenslauf darf man keinesfalls unterschätzen. Es gibt hier unterschiedliche Rankings, diese sollte man jedenfalls zurate ziehen. Gleichzeitig gilt es sich in Artikel und Studien über die entsprechenden Universitäten pro Fachgebiet zu informieren. Und man sollte auch seine eigenen Interessen und Erwartungen nicht vergessen. Nur weil große Einrichtungen von ihrer vergangenen Reputation leben, heißt das nicht, dass für einen selbst nicht eine kleinere, jüngere Universität die richtige sein kann.
Wir leben in einer enorm schnelllebigen Zeit, die Halbwertszeit des Wissens wird immer kürzer. Haben vor diesem Hintergrund Weiterbildungen nochmals an Bedeutung gewonnen?
Ich glaube, dass es heute enorm wichtig ist, über Zusatzqualifikationen zu verfügen und ständig weiter zu lernen. Ein zweiter oder dritter hochschulischer Abschluss nach einer Phase der Praxis macht sicherlich Sinn. Es können aber auch nur ein oder zwei Semester an einer internationalen Hochschule sein, um den eigenen Wissensstand aufzufrischen und sich breiter aufzustellen.
Sich möglichst breit aufzustellen ist also das Geheimnis einer erfolgreichen Karriere?
Man sollte sich aber auch nicht verzetteln, die Abschlüsse müssen natürlich zueinander passen. Aber als Absolvent eines Ingenieurwissenschaftsstudiums beispielsweise kann es durchaus Sinn machen, sich zusätzliche ökonomische Kenntnisse über einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre oder Wirtschaftswissenschaften allgemein anzueignen.