Der Herr der Plastikmännchen
Von Andrea Hlinka
Bodenständig und eigenwillig ist Horst Brandstätter. „Der Hob“ sei eben ein typischer Franke. 1974 legte er mit einem Ritter, einem Bauarbeiter und einem Indianer aus Plastik die Basis für seinen Welterfolg. Noch immer kommt er täglich ins Büro ins deutsche Zirndorf, wird am Eingang von manngroßen Playmobil-Figuren begrüßt, sitzt hinter einem außerordentlich mächtigen Schreibtisch. Emma, seine elfjährige Schäferhündin, wartet neben ihm.
KURIER: Was ist Ihnen näher: Prinz oder Ritter?
Horst Brandstätter: Ritter.
Vertrauen oder Kontrolle?
Vertrauen und Kontrolle.
Golf oder Arbeit?
Golf spielen ist ein wenig schöner.
Würden Sie jemanden beim Golfspielen gewinnen lassen?
Warum sollte ich jemanden gewinnen lassen, weil er ein armer Kerl ist? Ne.
Als Sie in die Firma eingetreten sind, wurden Kaufmannsladenartikel produziert. Wieso haben Sie 1974 auf Plastikfiguren umgeschwenkt?
Wir haben gesehen, dass uns unser Sortiment nicht mehr ernähren wird. Da habe ich zu meinem Entwickler Herrn Beck gesagt: „Wir brauchen ein System“. Bei einem guten System werden die Artikel nicht weggeschmissen. Playmobil wird nicht entsorgt, Playmobil wird vererbt.
Hans Beck hat die Figuren entwickelt. Was war Ihr Beitrag?
Der erste Beitrag war, den Herrn Beck zu finden und das Besondere an ihm zu bemerken. Der war außerordentlich tiefgründig und intelligent. Er war ein Möbelschreiner aus der Ostzone. Von Spielzeug hatte er keine Ahnung. Aber seine Ausstrahlung beim Einstellungsgespräch hat mich überzeugt.
Was konkret?
Ich weiß nicht. Er hat ja nicht geredet, er ist nur still dagesessen. Ich habe ihm nach einer halben Stunde die Hand entgegengestreckt und gesagt: „Wenn Sie wollen, fangen wir morgen an.“ Eines Tages habe ich ihm gesagt, was ich mir vorstelle. Beim Herrn Beck durfte man keine Konkurrenzartikel herzeigen. Da war er sehr böse und hat gesagt: „Wenn Sie mir das zeigen, hindern Sie mich, meine Fantasie zu entwickeln.“
Als die Einkäufer Playmobil gesehen haben, wollten sie es nicht. Nur ein Holländer hat sich interessiert.
Der Herr Simon, der damals größte Spielzeug-Händler Europas, hat gesagt: „Horst, ich kauf’ um eine Million.“ Das war mehr als wir machen konnten. Die Formen haben wir gleich gebaut, aber die Spritzmaschinen hatten drei Jahre Lieferzeit. Da habe ich mir die Kundenliste der Hersteller besorgt und alle angerufen: „Verkaufst du mir deine Maschinen?“ So haben wir in Deutschland 40 Maschinen gefunden. Damit konnten wir drei Millionen produzieren. Aber das hat nicht gelangt. Wir konnten nicht genug machen.
Die ersten Figuren 1974 waren ein Indianer, ein Ritter, ein Bauarbeiter. Welche wären’s heut?
Die Entscheidung hat der Herr Beck getroffen. Er wollte nicht mit diesen drei Figuren auf den Markt. Er hat gesagt: „Zuerst muss die ganze Welt fertig sein.“ Ich habe gesagt: „Das geht nicht. Wenn wir so lange warten, dann sind wir nicht mehr da.“
Sie sind der Herr von 2,6 Milliarden Plastikmännchen. Haben Sie je den Boden verloren?
Ne, ne, ne. Wenn ich gefragt werde, ob ich darauf besonders stolz bin. Ne. Oder ob ich mich darüber den ganzen Tag freue. Ne.
Wieso haben Sie Zirndorf nie verlassen?
Ich bin hier geboren und die Firma war hier. Als die Firma gewachsen ist, hatte ich nicht genug Platz. Ich habe in Dietenhofen (Anm.: 25 km von Zirndorf entfernt) einen Acker gekauft und eine Produktion gebaut. Dort werden die Kunststoffteile gespritzt. Die Figuren kommen aus Malta.
Wieso nicht China?
Ich sehe keine Veranlassung, nach China zu gehen. Ich befürchte, wenn ich so weit weg produziere, die Kontrolle zu verlieren und dass die Qualität nachlässt. Außerdem sind wir hier näher am Markt, können schneller reagieren.
Ist das auch ein Grund, wieso Sie den Winter in den USA verbringen? Zur Marktbeobachtung?
Drei Gründe: Golf spielen kann man nicht im Schnee. Zweitens ist Amerika der größte Spielwaren-Markt der Welt. Also nix wie hin und Kinder und Erwachsene studieren. Drittens: Wenn der Kapitän der Einzige ist, der weiß, wo der Kompass liegt und er fällt über Bord, ist das Schiff verloren. Ich lasse mein Management alleine, um zu sehen, ob sie ohne mich auszukommen.
Sie schreiben trotzdem täglich Faxe mit Ihren Anmerkungen.
Ja. Da kann ich handschriftlich drauf schreiben.
Sie bauen keine Lizenzartikel.
Wenn ein Kind mit einem Lizenzartikel spielt, Harry Potter zum Beispiel, ist der Spielablauf fixiert. Bei Playmobil ist er nicht fixiert. Wenn der Film nicht mehr im Kino ist, werden die Figuren abserviert. Was mich auch stört: Lizenzgeber verlangen 15 Prozent Lizenz, das verteuert den Abgabepreis. Der Handel haut noch einmal 15 Prozent drauf.
Sie haben zwei Söhne. Wieso arbeiten sie nicht in der Firma?
Wenn zwei Söhne die Firma leiten, muss man befürchten, dass die nicht immer einer Meinung sind. Meine Kinder sind gut versorgt. Aber ich möchte nicht, dass sie in der Firma das Sagen haben.
Sie wollen die Firma in eine Stiftung überführen.
Ja. Verkaufen mag ich nicht, weil ich das Geld nicht brauche. Und: Wenn Sie die Augen glücklicher Kinder sehen, spüren Sie die Verantwortung, dass es so bleibt. Wenn ich verkaufe, muss ich befürchten, dass Playmobil nicht mehr das ist, was es jetzt ist. Die Stiftung liegt nahe.
Sie investieren 2013 100 Millionen Euro, unter anderem in ein neues Logistikzentrum.
Wir müssen neue Produkte entwickeln und dafür die Formen bauen. Wir sind immer gewachsen. Wir kommen mit den Bedürfnissen der Speditionen nicht mehr zurecht. Das Zentrum kostet mehr als 50 Millionen. 100 sind gleich beieinander.
Das ist ein Fünftel des Jahresumsatz.
Das muss sein.
Ihr Rat an Junge, die ein Unternehmen aufbauen wollen?
Ich habe keine Gebrauchsanleitung.
Keine Spielregeln?
Da müsste ich erzählen, was ich an mir gut finde, und das werde ich nicht tun.
Sind Sie zufrieden?
Ich brauche einen Stock zum Laufen. Sonst schon.
Was machen Sie heute?
Ich wollte nicht feiern. Aber das geht ja nicht. Wir laden Leute ein, es gibt Musik und gutes Essen.