Nur für Männer
Draußen regnet es, die Tür zum Brothers’ Barbershop ist trotzdem weit geöffnet. Drinnen untermalt Rockabilly-Musik das flotte Arbeiten der zwei Barbiere, es duftet nach Zitrone und feinen Pomaden. Lose hängende Glühbirnen geben dem 120 Quadratmeter großen Raum, der mit Holz, Kacheln und Ziegelsteinen verkleidet ist, einen "rough style". Neben den vier Vintage-Friseurstühlen lehnen edle Räder und eine E-Gitarre an der Wand. In dieser Wohnzimmerathmosphäre warten fünf fesche Männer auf ihren Termin.
Knapp eine Woche nach der Eröffnung des Rasier- und Friseurladens Brothers’ Barbershop in der Neubaugasse 81 in 1070 Wien ist dieser voll. Im Minutentakt kommen neue Kunden, wollen im Geschäft aber wieder umdrehen – es ist zu viel los. Ilja Sovtsov, dem 25-jährigen Gründer, gelingt es aber, jeden zum Bleiben zu bewegen. "Wir haben frische Limonade gemacht", grinst er nach dem Handshake. Bei manchen fragt er "Darf’s ein Whiskey sein?".
Sovtsov führt jeden durchs Geschäft, erklärt das Arbeitsprinzip, Preise und Produkte. Sein Bruder und Mitbegründer Ivan Perevarin, 29, steht hinterm Tresen. Auch er ist mit Kunden im Gespräch – am Telefon. "Wir sind gerade jeden Tag komplett ausgebucht", lacht er stolz. Was die beiden Brüder hier anbieten, hat scheinbar vielen gefehlt: echte, traditionelle Barbier-Kunst in exklusivem Ambiente. Hier erhält Mann Gesichtsmassagen, Kompressen, den Schnitt mit Klinge, edles Rasierwasser und feinstes Wachs in den Bart und ins Haar geknetet.
Sovtsov sagt, Brothers’ Barbershop wäre der erste echte Barbershop in Wien. Ein Rundum-Wohlfühlort für den Mann von Welt. Das Angebot richte sich aber nicht nur an Hipster – die Zielgruppe seien 17- bis 70-Jährige, mit und ohne Bart, die exklusives Service genießen wollen. "Es kommen Studenten, aber auch Geschäftsleute, Botschafter und Expats – Gentlemen eben", so Sovtsov.
Den Haarschnitt gibt’s hier ab 36 Euro, für 65 Euro gibt es die Kombination von Schnitt und Rasur. Die Geschäftsidee ist unkompliziert und skalierbar, die Gründer zudem schwer motiviert. Sie machen hier keinen Liebhaberei-Laden, Brothers’ Barbershop soll der erste Shop einer Kette werden. Noch beschäftigen die Brüder zwei Barbiere, sie selbst sind Geschäftsführer. In den kommenden Monaten wollen sie aber 50 Friseurstühle in Wien und weitere in ganz Österreich haben. Um die Qualität in den Shops gleich hoch zu halten, überlegen sie, ihre Barbiere zum Ausbilden nach London zu schicken.
Russische Unternehmer
Ilya Sovtsov und Ivan Perevarin leben und arbeiten seit drei Jahren in Wien – sie kamen ursprünglich wegen des "Family-Business", wie Perevarin die Logistik-Firma seiner Familie nennt. Perevarin machte in Russland bereits einen MBA in Finanzen und BWL, beide studieren in Wien neben dem Aufbau von Brothers’ Barbershop und dem Betreiben des Familienunternehmens Jus. Erfahrung mit diesem Geschäftsmodell machte Perevarin bereits in Russland – dort investierte er bereits in ähnliche Barbershops.
"Solche Läden haben wir nach unserem Umzug nach Wien sehr vermisst", sagt Sovtsov. Also warum nicht einfach selbst einen gründen? Um diese Idee am heimischen Markt zu testen, starteten sie vor zwei Jahren den Facebook-Account "Secret Barbershop Wien" und posteten Bilder und Ideen zu ihrem Geschäftsmodell.
Das kam gut an. Anderthalb Jahre suchten sie dann nach der perfekten Location. Fünf Monate renovierten sie eigenhändig Tag und Nacht das Lokal. "Zwischendurch wollten wir das Projekt auch oft schmeißen – so viel Arbeit war das", erzählt Sovtsov. Gut, dass sie es nicht getan haben. Denn das russische Brüderpaar hat ein Händchen fürs Geschäftemachen, wie sie bewiesen haben. Schließlich konnte Brothers’ Barbershop komplett ohne Fremdkapital, aus eigener Tasche, finanziert werden.
1. Ivan Perevarin: Alles fängt mit einem guten Businessplan an. Setze deine Ausgaben von Anfang an lieber höher an – dann wirst du später nicht überrascht sein. Wenn du planst, 100.000 auszugeben, werden es nämlich ganz schnell 150.000. Man sollte immer genug Rücklagen haben – kein Geld bei der Gründung zu haben, kann das ganze Projekt zum Kollabieren bringen.
2. Ilja Sovtsov: Die Geschäftsidee sollte deine Leidenschaft sein und dir wirklichen Spaß machen. Aber auch unbedingt profitabel sein.
3. Ilja Sovtsov: In Wien zu gründen war als Ausländer ziemlich aufwendig und kompliziert. Aber die viele Bürokratie ist auch reglementiert: wenn die Behörden sagen, etwas dauert drei Wochen lang, dann kann man sich zumindest darauf verlassen, dass es in dieser Zeit erledigt wird.
4. Ilja Sovtsov: Teile deine Idee mit deinen Freunden und Familie. Rede mit ihnen, hol dir Feedback ein und entwickle sie mit ihnen gemeinsam. Auch wir hatten zu Beginn noch ein etwas anderes Konzept, das sich erst mit der Zeit und durch die ganzen Gespräch entwickelt hat. Aus vielen dieser Gespräche entwickelten sich sogar Kooperationen für unseren Shop.
5. Ivan Perevarin: Teste deine Produkte, bevor du sie an den Kunden weitergibst. Wir haben alles, was wir hier verkaufen, selbst benutzt – erst danach haben wir entschieden, es ins Sortiment aufzunehmen. Ich habe mich zum Beispiel sehr oft rasiert und auch oft den Bart wachsen lassen, nur, um alles probieren zu können.