Northland in der Steiermark
Von Andrea Hlinka
Das steirische Land war nie groß genug, die Berge nicht hoch genug, die Bedingungen zu milde. Mutter und Vater reisten in ferne Länder, um Extremes zu klettern und Spektakuläres zu besteigen. Kinder haben an solchen Orten nichts verloren. Die Geschwister blieben, wenn die Eltern wieder einmal die Welt am Limit kennenlernten, am Bauernhof in der Nähe von Judenburg. Kein Kind will verstehen, wieso die Eltern alleine wegfahren. Auch Arno Pichler nicht. Er konnte damals nicht wissen, dass die Expeditionen der Eltern der Grundstein seiner Zukunft sein sollten.
Arno Pichler verkauft Wohlbefinden. Das Gefühl, für Extremsituationen in der Natur bestmöglich ausgerüstet zu sein. Doch Outdoorkleidung ist längst nicht mehr nur sonnengegerbten Bergfexen und Extremkletterern auf 5000 Metern Seehöhe vorbehalten. Auch im Flachland schickt sich seit einigen Jahren die Hardshelljacke, das Fleece, die Tracking-Schuhe. Zur Freude des steirischen Outdoor-Ausrüsters Northland und seines Eigentümers Arno Pichler.
Extreme
Arno Pichler steht unter Strom. Er redet schnell, ohne merklich zu atmen, ohne Pause, moderiert zusätzlich mit den Armen. Bei Pichler wirkt das nicht hektisch, nur authentisch. Das schnelle Reden sei eine schlechte Angewohnheit, wie er erklärt. Ein Überbleibsel aus seinen Anfangstagen als Firmenchef, als Verkäufer. Nur zehn Minuten hatte der junge Pichler damals Zeit, um den Händlern seine Ware zu erklären und sie vom Mehrwert zu überzeugen. „Sie haben ja nicht auf mich gewartet“, sagt er. Ein hemdsärmeliger Steirer mit Hansi-Hinterseer-Frisur – das hatte was. Das hat immer noch was: Er könnte wahrscheinlich auch heute noch einem Eisbären in drei Minuten eine Daunenjacke verkaufen.
Der schwarzlederne Terminplaner zeigt Abnützungserscheinungen, die weißen Stellen sind Zeugen seines langjährigen Gebrauchs. Seit 1993 schreibt Arno Pichler bereits in dieses Buch, seit er vor 20 Jahren das Geschäft mit seiner Schwester vom Vater übernommen hat. 23 Jahre war er damals alt. Soeben fertig mit dem Sportwissenschaftsstudium. Sein Bruder hatte kein Interesse an der Firma, wollte Hubschrauberpilot werden und ging in die USA. So ging der Kelch an den sportbegeisterten Arno. „Ich wollte es mir, dem Vater zu Liebe, einmal ansehen. Er hat immerhin sein Leben in die Firma gesteckt“.
Er ging für einige Monate nach China, um den Zyklus der Ware am Ursprung zu erleben. In den darauffolgenden Jahrzehnten baute er die Firma zu einem internationalen Unternehmen aus. Ganz ohne BWL-Studium und platten Management-Weisheiten. Pichler ist ein Autodidakt in Wirtschaftsbelangen.
In 6193 Metern
Gerwalt Pichler, Arnos Vater, war ein Abenteurer, risikobereit, aber auch ein Perfektionist. Die damalige Ausrüstung schien ihm unzureichend, er entschloss sich, seinen sicheren Job zu kündigen und die Ausrüstung selbst zu entwerfen. 40 Jahre ist das her, damals in 6193 Metern Höhe am Mount McKinley wurde Northland geboren – benannt nach dem nördlichsten Zipfel Neuseelands. Konsequent ließ der Vater von da an die Berge stehen, widmete sich ganz dem Geschäft. Wieder war er viel unterwegs, wieder blieben die Kinder zu Hause, doch von nun an von der Mutter behütet.
Die Härte zu sich selbst hat Arno Pichler geerbt. „Wenn ich etwas will, dann beiße ich durch, da kann ich mich schinden“, sagt der passionierte Extrem-Mountainbiker. In den ersten drei Jahren als Eigentümer machte er gesamt vier Tage Urlaub. Bis vor einem Jahr nahm er jedes Verkaufsgespräch persönlich wahr. Jeden Tag, bei jedem Wetter, steigt Arno Pichler auf sein Rad und jagt durch die Wälder, die hinter der Firmenzentrale liegen. Die Freiheit gönnt er sich. Der vierjährige Weimaraner Luis ist meist dabei. Auch jetzt, kurz vor Mittag, wedelt er mit dem Schwanz, signalisiert, dass er bereit ist zu laufen. Arno Pichler lässt sich nicht lange bitten. Die Natur ruft, die Stille, die Berge sind seine Szene.
Als Kind wollte ich ...
Zuckerbäcker werden. Ich hab’ so gern genascht.
Erfolg ist für mich, ...
... dass man die Freiheit hat, zu tun, was man möchte und Spaß dabei hat.
Die größte Herausforderung ...
... war, Northland dorthin zu führen, wo es heute ist – ohne in Selbstzufriedenheit innezuhalten.
Ein Fehler war/ist ...
... sich nicht klar positioniert zu haben.
Mein Führungsstil ...
... Laissez-faire.
Mein Luxus ...
... habe ich in dem Sinne keinen. Luxus ist für mich, nur das zu tun, was ich will, und davon ist man als Selbstständiger weit entfernt.