Mit der Käsekrainer in Chinatown
Von Nicole Thurn
Geschäftig wirbelt er hinter der Theke herum. "Die Muffins müssen raus", ruft Erich Sollböck. Sein stämmiger Körperbau, die ellenlange weiße Kochmütze überm rosa Gesicht, sein trockener Humor und sein polterndes Lachen machen ihn noch mehr zum Exoten unter den etwa 30 asiatischen Gästen. Genauso wie "Erich’s Würstelstand" unter den Kiosken in Singapurs Chinatown hervorsticht.
Der viel gereiste Koch wollte im Jahr 1997 nur für zwei Wochen in Singapur bleiben, um im deutschen Club auszuhelfen. Doch er blieb "hängen", gemeinsam mit seiner philippinischen Ehefrau Helen.
Erich Sollböck ist hier berühmt, er ist längst eine Institution. Mit dem Slogan "The last Sausage Kiosk before the Equator" wirbt der 52-Jährige für seine Würstel. Genau genommen liegt sein Geschäft 137 Kilometer nördlich vom Äquator, wie auf seinem Blog wuerstelstand.blogspot.de zu lesen ist. Hier verkauft er Käsekrainer um umgerechnet 2,30 Euro, Frankfurter um 1,20 Euro und den Leberkäse mit Semmel um 2,90 Euro. Würstel, Brezeln und das Mehl für "Austrian Bread" und "Austrian Muffins" kommen aus Deutschland. Wie bitte, Austrian Muffins? Erich Sollböck zuckt lediglich mit den Achseln. "Na, Österreich hat doch den Muffin erfunden – Mohr im Hemd ist ja nix anderes", ruft er. Man verzeiht ihm die kuchentechnische Schummelei.
Erich Sollböck ist schon lange im Würstelgeschäft. 2004 eröffnete er einen kleinen Würstelkiosk in Chinatown, im Vorjahr übersiedelte er ans Tor des chinesischen Viertels in einen 17 Quadratmeter großen Coffeeshop, unter ein Dach mit anderen Kioskbetreibern. In Singapur will Erich Sollböck alt werden, "hier ist es ruhiger als in Bangkok oder Hongkong."
1 Wie kamen Sie zum Würstelstand in Singapur?
Die Chinatown Business Association trat an mich heran, wollte einen Kontrast zum asiatischen Essen. Ich hatte die Idee mit dem Würstelstand. Und Zeit, ich war damals im Ruhestand.
2 Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Der Kiosk ist von 6 Uhr früh bis Mitternacht geöffnet. Ich komme mittags und gehe um zehn Uhr abends. Den Leberkäse backe ich selbst, der Rest wird geliefert. Die Backwaren werden in Singapur für mich hergestellt.
3 Wie viele Würstel verkaufen Sie pro Tag?
Ein Würstel alle fünf Minuten. Zum Chinesischen Neujahr ist es sicher eines pro Minute.
4 Wer sind Ihre Kunden?
Zu 80 Prozent sind es Einheimische, viele kommen aus den umliegenden Büros zu mir. Der Rest sind Touristen, Österreicher und Deutsche, die hier arbeiten.
5 Müssen Sie die Würstel an den Geschmack Ihrer Gäste anpassen?
Nein, es soll ja exotisch sein. Die Gäste wollen, dass es genauso schmeckt wie bei uns. Die Buddhisten hier essen kein Rindfleisch, aber je größer die Schweinerei, desto besser.
6 Was hat sich in Singapur für Sie verändert?
Die Menschen sind offener geworden, Touristen wie Einheimische. Es hat sich eingebürgert, dass der weiße Mann Würstel verkauft und mit einem quatscht. Allein das Wort "Würstelstand" sorgt für Gesprächsstoff.
7 Wie gehen Sie mit kulturellen Andersartigkeiten um?
Jeder Mensch ist einzigartig. Und es gibt viele Parallelen zwischen Österreich und Singapur. Alles hier basiert auf Respekt und Toleranz – so bin ich auch aufgewachsen.
8 Was vermissen Sie an Österreich?
An Österreich? Gar nichts. Ich war seit 1996 nicht mehr dort, habe hier mehr österreichische Freunde als ich in Österreich je hatte.
9 Was gefällt Ihnen am Job?
Dass ich machen kann, was ich will und nur dafür verantwortlich bin.
10 Was nicht so?
Dass ich mich selber motivieren muss.
11 Was wollten Sie als Kind werden?
Koch. Weil man im Gastgewerbe nie fürs Essen bezahlen muss.
12 Wie viel verdienen Sie?
Es gibt Monate, da verdient man weniger, dann wieder mehr. Ich habe, was ich brauche. Der Rest wird wieder in die Firma investiert.
13 Wie lange wollen Sie noch arbeiten?Der Zeitpunkt, wo ich mich zur Ruhe setze, wird hoffentlich der sein, dass ich einfach nicht mehr da bin.
Aufgewachsen in Scheibbs (NÖ), verließ der gelernte Koch 1983 Österreich, um auf dem "Traumschiff" Vistafjord und in Restaurants in Hannover zu arbeiten. 1989 übernahm er den Job eines Freundes in China, wechselte nach zwei Jahren als Hotel-Küchenchef nach Thailand. Von 1992 bis 1997 arbeitete er in Hotels in Indonesien, ging kurzzeitig nach Pineng, Malaysia. 1997 kam Sollböck nach Singapur, arbeitete dort für deutsche und österreichische Firmen. 2003 trat er in Ruhestand, 2004 machte er sich mit der Erichs Backstube GesmbH und einem Würstelstand in Chinatown selbstständig.
Würstelstand in Zahlen
2013 übersiedelte er an den Eingang von Chinatown in einen Coffeeshop.
1 Würstel verkauft Erich Sollböck alle fünf Minuten, schätzt er.