Wirtschaft/Karriere

Mehr Diplomatie schafft mehr Erfolg

Wo bleibt das freundliche Miteinander, wenn der Druck immer größer wird, der Abgabetermin naht, die Nerven strapaziert sind? Wo bleibt der wertschätzende Umgang, wenn in personell ausgedünnten Unternehmen die Arbeitsbelastung steigt, es häufig nur noch unpersönliche eMails gibt statt persönlich miteinander zu reden? Die Belastungen am Arbeitsplatz nehmen konstant zu. Die Arbeiterkammer evaluiert regelmäßig, wie es den Mitarbeitern in Österreichs Unternehmen geht. Bis zu einem Drittel der Beschäftigten geben an, durch die Arbeit "hoch belastet" zu sein. Da spielen Beschleunigung der Arbeitsprozesse, berufliche Unsicherheit, permanente Erreichbarkeit, die Vermischung von Beruf und Privatleben mit.

Wien sei ein besonders gutes Pflaster für Diplomatie, heißt es im Buch "Die Kunst des sanften Sieges" von Gerline Manz-Christ. Die Hauptstadt beherbergt 198 diplomatische Vertretungen und 17.000 akkreditierte Diplomaten. Überhaupt hat Österreich eine lange diplomatische Tradition. Damit die im Geschäftsleben nicht abhanden kommt, hier die fünf wichtigsten Tipps.

Den Feind verstehen Barack Obama traf diese Woche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen der Syrien-Krise zusammen. Das erste Treffen nach einer langen Eiszeit. Obama verkündete im Vorfeld: "Ich will den diplomatischen Weg gehen." Mit dem Feind überhaupt zu reden, ist der erste Schritt zu einer Einigung. Den Feind nicht anzufeinden, sondern versuchen, seine Sichtweise zu verstehen, der zweite. "Diplomatie ist die Kunst, mit hundert Worten zu verschweigen, was man mit einem einzigen Wort sagen könnt", sagte im vorigen Jahrhundert schon Literaturnobelpreisträger Saint-John Perse.

Menschlichkeit ist die gemeinsame Sprache aller Kulturen. Und doch fällt sie nicht nur Regierungsführern schwer. Je nach Unternehmenskultur ist es oft in Unternehmen schwierig – für Führungskräfte wie Mitarbeiter – wertschätzend zu bleiben. "Diplomatie bedeutet, Dinge besprechbar zu machen. Der Inhalt muss so verpackt sein, dass er nicht automatisch beim Anderen Widerstand erzeugt", sagt Managementcoach und Wirtschaftsmediator Herbert Strobl.

Auf die Mitarbeiterführung umgelegt heißt das: "Die Führungskraft muss andere Sichtweisen akzeptieren und respektieren." Beschönigen und um den heißen Brei herumreden ist damit aber nicht gemeint. "Wer gelernt hat, Feedback zu geben, ohne dass das beim anderen zur Abstoßreaktion führt, ermöglicht erst die Weiterentwicklung" , sagt der Experte.

Probier’s mit Empathie Wie man Konflikte löst? Mit Verständnis und Empathie für das Gegenüber . "Der schlimmste Fehler der Menschen ist ihr Mangel an Einfühlungsvermögen. Darum vermag sich auch so selten einer den richtigen Begriff von seines Nächsten Leiden zu machen", meinte der englische Schriftsteller, Politiker und Diplomat Joseph Addison (1672–1719). Empathie ist einer der wichtigsten Schlüssel zur Konfliktlösung. Die Indianer nennen es "einen Tag in den Mokassins des Feindes gehen". Sich um jeden Preis mit (verbaler) Gewalt durchsetzen zu wollen, bringt nur eines: "Der Verhandlungspartner blockiert und es kommt zu einem negativen Ausgang", so Strobl.

Die Sache klar benennen "Diplomatie und Klarheit sind für mich kein Widerspruch. Als Führungskraft ist eine meiner ersten Verantwortungen, für Klarheit zu sorgen", sagt Strobl. Schon der Philosoph Martin Heidegger sagte: Worte schaffen Möglichkeiten. "Ich kann durchaus in angenehmer Art und Weise Klarheit rüberbringen und dabei nicht gleich Porzellan zerschlagen." Nachsatz: "Will man als Mitarbeiter etwas durchsetzen, muss man aber wohl diplomatischer sein, als die Führungskraft." Was der Mitarbeiter akzeptieren muss ist: Die Führungskraft kann Sichtweisen zwar respektieren – dagegen entscheiden kann sie dennoch.

Lieber persönlich Auch und vor allem in der digitalen Zeit: Ohne persönliche Kommunikation, ohne direkte Auseinandersetzung mit dem Gegenüber geht es nicht. Vor allem Konflikte und Missverständnisse lassen sich selten per eMail-Verkehr lösen – zumal das geschriebene Wort weder Gestik noch Mimik beinhaltet und so oft hart wirkt. Das persönliche Gespräch unter vier Augen ist auch wichtig, um Vertrauliches zu besprechen, denn: In Zeiten der Totalüberwachung ist jedes Schrifterl schnell ein Gifterl.

Kompromisse machen Siege Wo ein Problem ist, gibt es mehrere Lösungen. Die eigene durchsetzen zu wollen, liegt in unserer Natur. Der Ton macht eine erfolgreiche Verhandlung. "Man fragt sich schon oft: ,Wie hat er es mit dieser Ellenbogentechnik und Rüpelhaftigkeit nach oben geschafft?‘", so Strobl. Nicht bekämpfen, besprechen ist die bessere Devise.

Für eine gute weitere Zusammenarbeit muss es das oberste Ziel sein, eine Win-Win-Situation zu schaffen. Vor der Verhandlung ist es daher Notwendig, sich Minimal- und Maximalziele zu überlegen, also festzulegen, was man bereit ist zu opfern und was man bereit ist, dem anderen zu schenken. Denn wer heute noch mit allen Mitteln siegt, kann schon der Verlierer von morgen sein. "Es geht bei der Zusammenarbeit immer um Wertschätzung, Respekt und die Wahrnehmung der Sichtweise der anderen", erklärt Strobl. Fehlt dieses Verständnis, fühlt sich das Gegenüber schnell bedroht und blockiert einen positiven Ausgang.

Allzu harte Verhandlungen können eine Verfeindung mit dem Verhandlungspartner zur Folge haben, daher denken Sie daran: Es geht um die Sache, um das Ergebnis – und nicht um eine persönliche Fehde.

Diplomatie ist erlernbar Diplomatisches Geschick, Empathie und respektvolle Kommunikation – sind nicht immer ausgeprägt. "Vieles kann man in Workshops und Coachings verbessern, wesentlich ist dabei die Selbstreflexion", sagt Strobl. Einen Wermutstropfen gibt es : "Die, die es am meisten bräuchten, sind leider oft beratungsresistent."

Buch:Gerlinde Manz-Christ: Die Kunst des sanften Siegens. Erfolgreich mit Diplomatie. Goldegg Verlag

Die Historikerin Harriet Rudolph von der Universität Innsbruck erforscht die Institutionalisierung der Diplomatie in der Neuzeit. Konstantinopel, heute Istanbul, war in der frühen Neuzeit neben Rom das Zentrum der Diplomatie schlechthin. Von 1520 bis 1566 regierte Süleyman der Prächtige, einer der bedeutendsten Osmanenherrscher. Während der mehr als vierzigjährigen Herrschaftszeit erreichten die geografische Ausdehnung und die Macht des Reiches ihren Höhepunkt. Konstantinopel war deshalb die Drehscheibe zwischen Orient und Okzident. „Wer etwas auf sich hielt und außenpolitische Ambitionen hegte, schickte einen Residenten an die Hohe Pforte nach Konstantinopel“, erklärt Harriet Rudolph. Den fremden Machthabern ging es sowohl um die Sicherung ihrer Handelsinteressen vor Ort als auch um machtpolitische Ziele.

Nicht ohne Geschenke

„Die sich ständig verändernden Machtkonstellationen am Sultanshof erschwerten die Arbeit der Diplomaten, es mussten ständig neue Kontakte geknüpft werden“, sagt Harriet Rudolph. Unabdingbar waren dabei wertvolle Geschenke an hohe Funktionäre des Reiches, mit denen soziale Beziehungen hergestellt, erhalten oder konkrete Gegenleistungen belohnt werden sollten. Die unübersichtlichen politischen Verhältnisse, die abweichenden Vorstellungen der Hohen Pforte über den Status von Gesandten und die ständige Konfrontation mit einer als fremd und bedrohlich empfundenen Kultur förderte die Herausbildung eines heute selbstverständlichen Phänomens: „Die Diplomaten begannen, einen Korpsgeist zu entwickeln und sich im Konfliktfall gegenseitig zu unterstützen – auch unabhängig von den aktuellen Beziehungen zwischen ihren Entsendeländern“, so Rudolph.

Vorbereitet sein

Außenminister Sebastian Kurz, diese Woche bei der UN-Vollversammlung in New York, habe über die Jahre gelernt, diplomatisch zu agieren. Seiner Meinung nach „ist ein gewisses diplomatisches Gespür in jeder Lebenslage gefragt. Wichtig ist, seinen Gesprächspartnern zuzuhören und andere Positionen und Meinungen des Gegenübers zu respektieren“, sagt Kurz.
Sein Tipp für vorhersehbar heikle Gespräche: „Du musst stets der eigenen Linie treu bleiben, das hat sich bei mir bisher gut bewährt. Eine inhaltlich gute Vorbereitung und das Kennen der gegenseitigen Positionen halte ich für unerlässlich“, sagt der 31-jährige Außenminister.