Lernen geht auch ohne Strebern
Von Nicole Thurn
Im Jänner ist es so weit. Lehramts-Studentin Elisabeth will zu ihrer Diplomprüfung antreten. Gerade sitzt sie in der letzten Reihe im Elise-Richter-Saal im Hauptgebäude der Uni Wien und beobachtet, wie der Vortragende Franz Stadler an einer jungen Teilnehmerin den kinesiologischen Muskeltest vollzieht. In seinem Vortrag über Lernpotenziale und Lernorganisation, der im Zuge der Unileben-Messe für Studienanfänger stattfindet, wollte sie sich Tipps holen. "Einiges kann ich mir mitnehmen", sagt sie. Zum Beispiel das visuelle Ankern von Lesestoff.
Das Semester beginnt – und für die Studienanfänger das Strebern um gute Noten in der Studieneingangs- und Orientierungsphase. Denn diese Prüfungen müssen geschafft werden – damit man weiterstudieren darf.
Wir haben Franz Stadler, Bildungsberater beim WIFI Wien, zu seinen besten Lerntipps befragt:
Kleine Häppchen Große Brocken verdaut nicht nur der Magen schlecht, auch das Gehirn kann allzu umfangreichen Lernstoff nicht zielführend verarbeiten. "Besser ist, den Stoff in möglichst kleine Happen zu teilen, frühzeitig mit dem Lernen zu beginnen – am besten gleich im Anschluss an die Vorlesungseinheit", sagt Stadler.
Pausen machen Und zwar innerhalb von 15 Minuten zwei Minuten lang. "Man sollte sich zwischendurch auch in der Pause belohnen", sagt Stadler. Mit einem kurzen Telefontratsch etwa.
Ausreichend trinken Registriert das Gehirn "Es gibt Wasser", senkt es den Stresspegel automatisch. Ein archaischer Mechanismus aus grauer Vorzeit, als die Menschen noch an Dehydrierung starben.
Den Lerntyp rauskriegen Wer weiß, welcher Lerntyp er ist, kann das Lernen dazu passend gestalten. Der visuelle Typ sollte den Text markieren und mit Symbolen versehen (Ankern), am besten wichtige Passagen in einer Farbe, weniger wichtige in einer anderen. Wer sich beim Zuhören viel merkt, sollte sich den Lernstoff laut vorlesen. Der kommunikative Typ lernt durch Gespräche. Und wer eher der haptische Typ ist, sollte sich das Wichtigste händisch aufschreiben. Das erklärt auch den Schummelzettel-Effekt: "Wer einen Schummelzettel schreibt, merkt sich den Inhalt garantiert und braucht ihn nicht mehr", so Stadler.
Sport Und zwar täglich, 20 bis 30 Minuten. Bei einem Puls von 100 bis 120. Denn erst dann verbrennt der Körper den ungesunden Stress, der Cortisolspiegel sinkt.
Angst essen Lernstoff auf Wer diese Präventivmaßnahmen befolgt und sich gut auf die Prüfung vorbereitet, wird kaum Prüfungsangst haben. Aber: "Die Prüfungsangst kann auch andere Ursachen haben, wie eine negative Einstellung. Wer sich permanent gern einredet, ,das schaffe ich ja sowieso nicht", erhöht den Stresspegel", sagt Stadler. Dann muss man die Einstellung ändern. Denn die Angst vor dem Blackout führt erst recht zum Blackout.
Dann sollte man sich an die Psychologische Studentenberatung wenden. Auch Elisabeth hat sie bereits in Anspruch genommen – "ich konnte monatelang nicht an der Diplomarbeit weiterschreiben, weil ich solche Angst hatte, zu versagen." Bleibt ihr zu wünschen, dass sie ihre Diplomprüfung frei von Stress und Angst schafft.