Wirtschaft/Karriere

Lenker aller Ungeschicke

Herbert Wiedermann muss in seinem Job öfter mal auf die Bremse steigen. Der 48-Jährige betreibt die „Fahrschule Mariahilf“ in Wien. Zehn bis 14 Stunden sitzt der Unternehmer mit seinen Schülern pro Woche im Auto, am Motorrad oder im Lkw. Die Zeiten hätten sich geändert, sagt Herbert Wiedermann. Die Prüfungen sind strenger, seine Fahrschüler werden immer älter: 20 Prozent sind bereits zwischen 25 und 30 Jahren.

Wie würden Sie Ihren Fahrstil beschreiben?

Ruhig, gelassen, vorausschauend. Berufsbedingt korrekt, auch privat, das ist in einem drin. Meine Frau sagt immer, ich fahre zu langsam.

Und den Ihrer Schüler?

Wenn der Fahrlehrer ruhig und gelassen fährt, überträgt er das auch auf den Schüler.Die Schüler sind aber sehr unterschiedlich: Die einen erkennen Gefahren nicht, die anderen sind sehr ängstlich.

Wieso sind Sie Fahrlehrer geworden?

Mein Schwiegervater hat mich gefragt, ob ich in seine Fahrschule einsteigen will. Das habe ich dann getan.

Ihr Tagesablauf?

Ich komme um acht Uhr in die Firma, dann gebe ich entweder eine Kurs- oder Fahrstunde oder ich fahre in die Wirtschaftskammer (als Obmann des Fachverbands, Anm.).

Was ist die beste Methode, um Autofahren zu lernen? Fahren. Aber üben bitte erst, wenn man schon Fahrstunden hatte. Weil man sich einmal antrainierte schlechte Gewohnheiten schwer abgewöhnt.

Was tun Sie mit „hoffnungslosen Fällen“?Gibt es nicht. Jeder kann Fahren lernen.

Ihr witzigstes Erlebnis?

Da gibt es einige. Einmal hat es während der Fahrstunde zu regnen begonnen, ich sage zum Fahrschüler, schalt das Licht ein. Und er schaltet das Licht im Innenraum ein. Oder: Wir üben den Fahrstreifenwechsel. Ich sage, „wir bleiben hier“, und meine den Fahrstreifen. Plötzlich bremst der Schüler, das Auto bleibt stehen. Ein Wunder, dass wir keinen Auffahrunfall hatten.

Hatten Sie schon mal während einer Fahrstunde einen Unfall?

Einmal. Wir sind auf die Gehsteigkante gefahren und gegen einen Baum gekracht. Das Auto war ziemlich demoliert. Ein bis zwei Mal am Tag muss ich eingreifen – bei vier bis fünf Fahrschülern.

Wann werden Sie laut?

Wenn mich etwas ärgert. Man sagt mir, ich bin mal gelassen, dann wieder aufbrausend. Ein typischer Zwilling.

Die drei wichtigsten Eigenschaften für den Job?

Ruhig bleiben, nicht hektisch sein – weil man sonst die Schüler ansteckt. Freundlich bleiben und so reden, dass der andere einen versteht. Die Menschen haben ja unterschiedliche Denkweisen. Man muss den Schüler dazu bringen, dass er die Gefahren so einschätzt wie man selbst.

Was mögen Sie am Job?

Man hat mit den verschiedensten Leuten zu tun – vom Hilfsarbeiter bis zum Professor. Und die Abwechslung mit Auto, Lkw, Motorrad – ich schaue, dass ich möglichst viel Fahrstunden gebe.

Was gar nicht?

Wenn Schüler uneinsichtig sind und sie es ignorieren, wenn man ihnen dazu rät, noch ein, zwei Fahrstunden zusätzlich zu machen – und sie bei der Prüfung durchfallen.

Wie viel verdient man als Fahrlehrer?

Als Fahrlehrer 1600 Euro netto, als Fahrschullehrer – der auch Theorie unterrichtet – 1700 Euro netto. Kurszulagen kommen noch dazu.

Der heute 48-Jährige besuchte die HTL mit Schwerpunkt Holztechnik in Mödling, studierte Maschinenbau. Er brach das Studium ab, um in der Fahrschule seines Schwiegervaters als Fahrlehrer einzusteigen, absolvierte die Fahrschullehrerprüfung für alle Fahrzeugarten. Mit 30 beschloss er, seine eigene Fahrschule zu führen und kaufte die „Fahrschule Mariahilf“. Von 2001 bis 2010 war Wiedermann im Ausschuss der Wiener Fahrschulen in der Wirtschaftskammer, seit 2010 ist er Vorsteher der Wiener Fahrschulen, seit 2011 Obmann der österreichischen Fahrschulen in der WKÖ. 382 Fahrschulen gibt es in ganz Österreich. 100 Tausend Fahrschüler gibt es jährlich. Die Erfolgsquote bei den Prüfungen liegt bei 85 %.