Lange krank. Was bleibt?
Von Nicole Thurn
Eine ernsthafte Erkrankung kann ein tiefes Loch in die Biografie eines Menschen reißen. Die Betroffenen kommen an ihre physischen und psychischen Grenzen. Für ihre Arbeitgeber heißt das: Zumindest temporär eine Arbeitskraft weniger, bei laufenden Kosten in Form des Krankenentgelts.
Dass manchen Unternehmen ein erkrankter Mitarbeiter deshalb ein zu teurer Klotz am Bein ist, will die Arbeiterkammer NÖ aus ihren Beratungs-Zahlen herausgelesen haben: 1300 Niederösterreicher haben im ersten Halbjahr 2011 ihren Job verloren, während sie im Krankenstand waren. AKNÖ-Präsident Hermann Haneder mahnte im September, dass "viele Arbeitgeber die Gesetze zur Lohnfortzahlung in zunehmendem Ausmaß missachten". Das bestätigt auch AK-Rechtsexperte Günter Köstelbauer für Wien: "Es passiert, dass Leute durch die Arbeit krank werden und dann als Dankeschön rausgeworfen werden." Konkret würde den Krankenständlern immer wieder eine einvernehmliche Dienstauflösung angeboten. Allerdings: Mit der Unterschrift verzichtet der Arbeitnehmer auf die Hälfte seines Einkommens - statt des Entgelts vom Arbeitgeber gibt es dann nämlich das nur halb so hohe Krankengeld der Krankenkassen. Die Wirtschaftskammer NÖ wehrt den Vorwurf der AK ab: Die Zahlen seien nicht nachvollziehbar, in die Einvernehmliche willigten die Arbeitnehmer schließlich ein. Ganz so freiwillig sei die Einvernehmliche eben nicht immer, sagt Köstelbauer: "Da wird nicht selten eine Wiedereinstellung nach dem Krankenstand in Aussicht gestellt, um den Arbeitnehmer zu überreden." Die AK empfiehlt, die Einvernehmliche abzulehnen. Manche Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter: Der AK Gmünd liegt der Fall einer Frau vor, die fristlos entlassen wurde - der Arztbesuch wurde als unerlaubtes Fernbleiben von der Arbeit interpretiert. Bei einer Kündigung im Krankenstand könne man nicht viel tun, sagt Köstelbauer: "Auch wenn es moralisch verwerflich sein mag, rechtlich ist es erlaubt."
Gefährdete Unternehmer
Als Selbstständiger für Wochen oder Monate auszufallen, bedeutet hohe finanzielle Einbußen bis an den Rand der Existenz: Kein Verdienst, damit weniger oder kein Einkommen, die Sozialversicherung muss weitergezahlt werden, wie auch Unternehmer Gerhard Brandl erfahren musste. Die SVA unterstützt mit einem Hilfsfonds und der Möglichkeit zur Ratenzahlung. "Wir möchten in Notsituationen rasch und unbürokratisch helfen", sagt SVA-Vizeobmann Peter McDonald. Nicht ohne Eigennutz. "Je eher sich der Selbstständige erholt, desto eher kann er wieder Beiträge zahlen."
"Gerade bei Einzelunternehmern kommt zur Sorge um die eigene Gesundheit auch jene um die Existenz", sagt Maria Kopantschnig, Geschäftsführerin der Wiener Betriebshilfe. "Hier sind Unternehmer sicher schlechter abgesichert als Angestellte." Unternehmer können Betriebshelfer für bis zu 70 Arbeitstage im Jahr in Anspruch nehmen. Immerhin zwei Drittel der Einsätze kämen durch Krankenstände zustande, der Rest seien Baby-Einsätze, so Kopantschnig.
Anspruch haben allerdings nur SVA-Vollversicherte mit weniger als 17.887,56 Euro Jahreseinkommen. "Das ist kein Minderheitenprogramm, sondern betrifft 60 Prozent aller Wiener Unternehmer", so Kopantschnig.
Als Helfer gesucht würden Fachkräfte aus Gastronomie, Einzelfachhandel, Handwerk. Kommt es hart auf hart, bietet auch die WKO Hilfe mit einem Existenzsicherungsfonds.