Kleider machen Erfolg
Von Andrea Hlinka
Vor einem Jahr startete Karl Stefanovic ein Experiment: Der Moderator der "Today Show" des australischen Channel Nine würde jeden einzelnen Tag, in jeder Show, nur diesen einen blauen Anzug tragen. Nur Hemd und Krawatte würde er in Farbe und Material wechseln, so lange bis die Anzugsmonotonie irgendjemandem auffallen würde. Er wartete, er wartete länger – doch nichts geschah. Zu seinem Outfit kamen keine spottenden Kommentare von Zusehern, während die Kleidung der weiblichen Mit-Moderatorinnen immer wieder kritisiert wurden. Vor einer Woche ließ Lisa Wilkinson, eine der Moderatorinnen, nach einem Jahr belustigt die Bombe platzen. Stefanovic klärte daraufhin im Sydney Morning Herald auf: "Ich werde beurteilt für meine Interviews, meinen fürchterlichen Sinn für Humor – vor allem dafür, wie ich meinen Job mache. Frauen hingegen ziemlich oft dafür, was sie tragen und wie ihr Haar sitzt." Frauen und Männer würden nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen werden.
Willkommen in der Businesswelt, wo Äußerlichkeiten eine große Rolle spielen, wo die Karriereleiter schnell zu Ende ist für jene, die sich nicht an die Dresscodes halten oder die einfach nicht adrett genug sind – für Frauen gilt das noch weitaus mehr als für Männer. "Gutes Aussehen steigert den wirtschaftlichen Erfolg und wirkt sich damit positiv auf die individuelle Lebenszufriedenheit aus" – zeigt eine Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit. Wirtschaftscoach und Machtanalytikerin Christine Bauer-Jelinek geht sogar so weit zu sagen, dass man sich mit der falschen Kleidung die Karriere ordentlich verhauen kann.
Das mag unfair und oberflächlich wirken, ist aber nicht zu ändern. Wer mitspielen will, muss sich an die Regeln halten – auch beim Dresscode – das zeigt ein Blick in die obere Führungsetage sehr deutlich. Nur wer die passende Kleidung trägt, wird auch wahrgenommen. Denn diese Person wird von den Mächtigen als zugehörig empfunden – ihr wird vertraut.
Stilfrage
Das Faule daran ist, dass bei Männern ein Anzug genügt, um der Businesswelt zugehörig zu sein und Frauen ständig in die Kritik wegen ihrer Äußerlichkeiten geraten. Ihre Kleidung ist schnell zu kurz, zu eng, zu bunt, zu bieder, zu grau, zu modisch, zu unweiblich. Eine, die das weiß, ist Angela Merkel: Lange galt die deutsche Kanzlerin als ziemlich unschick. In ihrer zweiten Amtsperiode aber trägt sie statt grauer Hosenanzüge bunte Jäckchen und rote Taschen – auch dieser neue Stil ist den Medien in Deutschland seitenweise Berichterstattung wert.
Dass Frauen mit ihren Outfits in der Öffentlichkeit häufiger thematisiert werden, liegt laut Christine Bauer-Jelinek unter anderem daran, "dass Männer in der Businesswelt eine Uniform tragen. An diese Uniform, den Anzug, halten sie sich seit der Erstkommunion, da bekommen sie den ersten Anzug geschenkt, zur Firmung den zweiten, zur Hochzeit den dritten." Alles sehr simpel und sehr einfach. Frauen hingegen seien auf dem Gebiet der öffentlichen Macht noch nicht so lange tätig wie Männer, könnten daher auch die Spielregeln noch nicht gut deuten und einsetzen. "Zudem gibt es kaum weibliche Vorbilder. Frauen wissen oft nicht, ob sie es richtig machen", so Bauer-Jelinek. Richtig sei es, wenn Frauen keine Komplimente mehr bekommen würden, weil sie dann als uniformiert wahrgenommen werden – und nicht mehr wie aus der Modeabteilung. Eine Maxime, die sie auch auf ihre Person anwendet: Bauer-Jelinek fällt nie mit Kleidung auf.
Fehlersuche
Frauen würden oft den Fehler begehen, erotische und modische Kleidung, die ins Privatleben gehört, mit den Insignien der Macht in der Businesswelt zu verwechseln. Bauer-Jelinek: "Sie beklagen, dass sie viel mehr Anstrengung benötigen, um ernst genommen zu werden. Aber sie hinterlassen oft einen falschen Eindruck, werden nicht auf der Kompetenzebene wahrgenommen, nicht sachlich." Hätten Frauen die richtige Rüstung an, müssten sie sich das nicht erst mühsam erkämpfen.
Die Spielregeln, an die sich Frauen halten müssen, sind sehr einfach: Nicht das Modespiel mitspielen, mit all dem Chichi. Das ist ausschließlich den Branchen, die im Lifestyle tätig sind, vorbehalten. Kontinuität im Stil zeigen, das sei laut Bauer-Jelinek wichtig, ebenso wie ein Auftreten, das Wiedererkennungswert hat. Wer sich unsicher ist, solle sich an den Topleuten der Branche orientieren. Allgemein gilt: Je höher die Ebene und je mehr in Richtung Finanzen, Industrie, je größer der Konzern, desto klassischer und puristischer sollte die Selbstinszenierung sein.
KURIER: Ein australischer TV-Moderator hat ein Jahr lang denselben Anzug getragen. Seine Zuseher haben nichts bemerkt. Die Aktion sollte belegen, dass nur Frauen wegen ihrer Optik häufig in die Kritik geraten. Ist die Kleidung bei Frauen mit einer höheren Bedeutung aufgeladen als bei Männern?
Bernhard Roetzel: Dem stimme ich zu. Doch das liegt weniger an den Männern als an den Frauen. Ein Mann kann selten im Nachhinein sagen, was eine Frau getragen hat. Frauen sind da in ihrer Kritik viel gemeiner. Jedoch funktioniert Männermode auch ganz anders als Frauenmode: Männer haben es mit Anzügen leicht. Frauen hingegen wird seit 300 Jahren eingetrichtert, dass Mode auf Wechsel beruht. Dabei ist durchaus denkbar, dass eine Frau mit einem schwarzen Kostüm, mit verschiedenen Accessoires kombiniert, eine Zeit lang durchkommt.
Macht nur jemand Karriere, der die Dresscodes beherrscht?
In Deutschland ist es leider ziemlich egal, was man trägt, solange man sich an die Minimalanforderungen hält: Irgendein Anzug, irgendein Hemd, irgendeine Krawatte – einer von Tausend ist vielleicht elegant. Das sieht man auch ganz gut an unseren Politikern. Aber gerade auf internationaler Ebene schadet es nicht, elegant zu sein. Denn da schauen die Menschen ein bisschen mehr als bei uns. Etwa in Italien, Frankreich, England, aber auch in den USA.
Sogar Mark Zuckerberg, der CEO im Kapuzenpulli, trägt bei offiziellen Terminen Anzüge. Gilt: Je höher die Position und der Anlass, desto zugeknöpfter der Stil?
Ab einer gewissen Ebene ist man nicht mehr bloß der Firmenchef, sondern erfüllt auch repräsentative Zwecke. Die Kleidung muss zum Anlass passen. Ich nenne es „Partnerlook mit der Zielgruppe“: Würde der US-Präsident bei einem offiziellen Termin in T-Shirt und Jeans erscheinen, wäre das sehr irritierend und würde verunsichern. Bei Zuckerberg ist es vielleicht auch ein Zeichen des Erwachsenwerdens. Was bei einem 20-Jährigen noch leger aussieht, sieht bei einem 30-, und noch mehr einem 40-Jährigen, peinlich aus.
Mit welchem Kleidungsstück oder Statussymbol outen sich Männer in der Business-Welt als Mode-Null? Mit welchem Frauen?
Im Business sollen es immer seriöse Marken sein, keinesfalls zu protzig. Ein Mercedes oder Audi mit allen Extras ist zwar teuer, aber wird nicht als protzig wahrgenommen. Die Uhr ist ein Reizthema: In den USA, Italien oder England ist es völlig normal, eine Rolex zu tragen oder eine Patek Philippe. Bei uns ist das nicht so. Eine Uhr sollte jedenfalls unauffällig sein, kein riesiger Flieger-Chronograf mit tausend Drückern. Die Maxime im Business, egal, ob Auto, Uhr oder Anzug, ist sowieso: unauffällig sein, elegant sein. Originell sein zu wollen, ist der Feind des guten Geschmacks. Das gilt auch für Frauen – gerade auf Bällen sieht man manchmal diese weiblichen Ausreißer. In den USA tragen Managerinnen gerne auch mal das Chanel-Kostüm, in Deutschland ist leider der dunkle Hosenanzug Standard. Dabei muss Frau nicht den Mann imitieren. Frauen geben leider oft jeglichen Geschmack an der Bürotür ab. Aus der Angst heraus zu weiblich zu wirken.
Hat die Wirtschaftskrise in den obersten Führungsetagen zu einer neuen Zurückhaltung geführt?
Nein, das konnte ich wirklich nicht bemerken.
Krawatten Mathematiker haben 85 Arten gefunden, wie eine Krawatte gebunden werden kann. Nur vier Knoten werden regelmäßig benutzt.
Sneakers 17 Prozent aller Männer fühlen sich im Anzug genauso wohl wie in Jeans und Sneakers.
Farbenlehre Für jede Stimmung gibt’s einen Farbklang: „Anregend“ sind Rot-Purpur, Gelb-Orange, Grasgrün. „Wohltuend“ ist warmtonig, etwa Orange-Rot und Gelb-Grün und Teichgrün bis Himmelblau.
Fünf Stunden brauchte er jeden Morgen alleine zum Ankleiden, für seinen Haarschnitt waren drei Friseure engagiert, seine Schuhe pflegte er mit Champagner: George Bryan Brummell, berühmt als „Beau“ Brummell (im Bild als Filmfigur), ist eine Legende, Synonym für Eleganz, Schlichtheit, der Urahn des Dandy.
Brummell wird zugeschrieben, Ende des 18. Jahrhunderts die Mode verändert zu haben. Er verschmähte gepuderte Perücken und seidene Kniebundhosen, trug lange Hosen mit geradlinigem Jackett. Vor allem aber war es die Krawatte, der Brummell zu einem Siegeszug verhalf. Tribut zollte ihm Karl Lagerfeld 2009 mit der Kollektion „Belle Brummell“.
Die Gattin zeigt Prunk
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trat der Mann generell modisch in den Hintergrund. Laut dem Herrenausstatter Hirmer wurde „die gesellschaftliche Stellung des Mannes durch die prächtige Garderobe seiner Gattin repräsentiert.“ Zurückhaltung war in der Herrenmode das Gebot der Stunde, damit der Fokus des Mannes auf den Geschäften lag. Seither ist der Anzug in seiner Grundform fast unverändert geblieben. Aber erst durch die industrielle Massenfertigung im 20. Jahrhundert wurde der Anzug auch massentauglich.
Lange galt Rolex als Inbegriff von Luxus. Doch diese Zeiten scheinen vorbei – zumindest in Europa. Wie 40 Luxusmarken in den USA, China und der deutschsprachigen Region Deutschland, Österreich und der Schweiz wahrgenommen werden, war Thema einer Studie von Brand Trust. Das Ergebnis: Statussymbole haben nicht überall den gleichen Stellenwert und verändern sich. In Europa war Rolex lange der Inbegriff für Luxus, doch rangiert die Marke mittlerweile in der oberen Einkommensklasse in der DACH-Region als „Out Brand“, also als wenig attraktiv. Wohlhabende Europäer bevorzugen derweilen Uhren der Marken IWC und A. Lange & Söhne, Chronoswiss und Patek Philippe. In China gilt Rolex nach wie vor als begehrenswert.
Porsche – wenn es sein muss
Immer weiter verblasst auch das Auto als Statussymbol: Porsche, Ferrari, Bentley und Rolls-Royce landen im „Out Brand“-Sektor. In der DACH-Region und in den USA liegt Porsche immerhin noch vor den drei anderen Marken. Deutlich höhere Attraktivitätswerte erhalten Luxusfahrzeuge jedoch in China. Hier ist Ferrari die begehrteste Luxus-Automarke, gefolgt von Bentley und Porsche sowie mit größerem Abstand Rolls-Royce.