Wirtschaft/Karriere

Das Großraumbüro: ein  altes Konzept neu aufgelegt

In den 60ern war das Arbeiten in Großraumbüros scheußlich. Die Mitarbeiter blickten alle in dieselbe Richtung, wie in einem Klassenzimmer ohne Lehrer. Oder waren durch mannshohe Trennwände in vier Quadratmeter große Waben verbannt. Gestaltungselemente? Null. Die Atmosphäre, in der Routinearbeiten getätigt wurden, war nüchtern. Kein Wunder, dass die Baby Boomer angesichts dieser Erinnerungen Ressentiments gegen Großraumbüros hegen. Dennoch: Alles kommt wieder, auch das Großraumbüro – allerdings in adaptierter Form.

Mit dem alten Konzept wird auf neue Rahmenbedingungen reagiert. Die Welt ist grenzenloser, die Wirtschaft fragiler geworden. Die Technologie machte in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte, zugleich gibt es einen immensen Spardruck in den Firmen. Das alles hat zur Folge, dass vernetzter, schneller, stark interdisziplinär und projektbezogen gearbeitet wird. Kreative Lösungen, die im Team erarbeitet werden, sind gefragt. Organisationsexperten glauben, dass das am Besten im Großraumbüro funktioniert. Trotzdem: Die Vorstellung von Großraum bzw. Open Office erzeugt Abwehr bei Mitarbeitern. Es gibt keine Mauern mehr, der Raum wird nur noch durch die Möblierung in einzelne Bereiche geteilt. Das soll nicht nur Kosten sparen, sondern Ideenschmieden und Kreativwerkstätten hervorbringen. Kritiker sagen, dass dabei grundlegende menschliche Bedürfnisse auf der Strecke bleiben.

Störfaktoren

Was Mitarbeiter beklagen – Lärm, schlechte Luft und Engegefühl – wurde in Studien auch mehrfach nachgewiesen. Etwa in einer Studie der Hochschule Luzern, die eine öffentliche Debatte auslöste: Mitarbeiter seien in Großraumbüros öfter abgelenkt, unzufriedener, fühlten sich auf dem Präsentierteller und klagten über Müdigkeit und juckende Augen wegen des schlechten Raumklimas. 60 Prozent fühlten sich von Kollegen lärmbelästigt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Unwohlseins: mehr Krankheitstage, zum Teil seien die Mitarbeiter unproduktiver.

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Zurück zu Einzelbüros also? Keinesfalls, rufen Experten. Großraumbüros seien, wenn gut geplant und Beleuchtung, Klimatechnik und Akustikkonzept stimmen, das adäquate Raumkonzept für das neue Arbeiten. Herbert Zitter arbeitet als Geschäftsführer vonM.O.O.CON Österreichmit Firmenchefs, die Veränderung wollen oder brauchen. Mit jenen Firmenlenkern, denen alte Räumlichkeiten nicht mehr passen. Die Planer von M.O.O.CON folgen dem Ansatz „Activity Based Working“. Herbert Zitter erklärt: „Arbeit ist nicht mehr mit Schreibtisch zu assoziieren. Für die unterschiedlichen Aktivitäten gibt es eine eigene, richtige Umgebung.“ Um sich zu konzentrieren, könne man die Ruhezonen aufsuchen, um zu kommunizieren, ein Besprechungszimmer oder Kommunikationszonen. Weil Fläche teuer ist und immer mehr Menschen immer mobiler arbeiten, müssen diese Zonen geteilt werden.

Widerstand würde es in jeder Firma geben. „Der Arbeitnehmer leitet seine Sicherheit daraus ab, dass er einen fixen, abgegrenzten Arbeitsplatz hat.“ Zudem sind Wände ein Symbol der Macht, der Hierarchie, der internen Wertschätzung, sie trennen die Führungskraft von den Mitarbeitern. Das alles sei passé. Was nicht heißt, dass Privatheit weniger wichtig ist. Sie sei aber nicht mehr am eigenen Schreibtisch festzumachen, so Zitter. Privates versperrt man im Kasten, Identifikation wird auf die nächste Ebene gehoben, auf die Umgebung und die Firma.

Flexibilität wird aber nicht nur von den Mitarbeitern verlangt, sondern auch von den Führungskräften. Hierarchien erodieren, Chefs müssten ihren Mitarbeitern den Freiraum, wo und wie gearbeitet wird, auch zugestehen. Microsoft macht es vor: Am Donnerstag wurde verkündet, dass künftig alle Mitarbeiter in Deutschland individuell entscheiden können, ob sie zu Hause im Home-Office oder an einem der Standorte arbeiten wollen. Mit der flexiblen Arbeitsweise sollen die eigenen „Regelwerke den Lebenswirklichkeiten angepasst“ werden.

Binden und loslassen

Anders in Palo Alto: Hier gestaltet Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gerade seine neue Bürostadt, von der man glauben könnte, man sei in Peter Pans WG gelandet. Er lässt von Stararchitekt Frank Gehry (Anm.: Gehry hat unter anderem das Guggenheim Museum in Bilbao entworfen) ein Office für 3400 Mitarbeiter bauen. Auf 40.000 Quadratmetern, ganz ohne Wände. Aber bunt, mit vielen kleinen Küchen, Sushi für alle, mit Terrassen, Pflanzen, Fitnesscenter und Ruhezonen – eine komplette Lebenswelt. Die Atmosphäre wird so gestaltet, dass die Mitarbeiter gar nicht mehr nach Hause gehen wollen. Zuckerberg hat gute Gründe, viele Millionen für die neue Bürostadt auszugeben – er will das Know-how der Mitarbeiter an den Konzern binden.

Yahoo holte kürzlich seine Mitarbeiter aus dem Home Office zurück. Allzu viel Ungebundenheit wollte die Unternehmensführung dann doch nicht. Mitarbeiter sollen miteinander neue Lösungen entwickeln, das Arbeiten zu Hause unterbinde diese Dynamik und erschwere die Kommunikation.

Weder für Arbeitnehmer noch für Arbeitgeber ist die Situation leicht zu meistern: Mitarbeiter wollen Rückzugsorte, nicht ständig beobachtet werden. Firmenlenker wollen Kreativität und Flexibilität mit Großraumbüros begünstigen und dabei Kosten sparen.

Das alles funktioniert nur, wenn die Firmenkultur offen ist, wenn die gesamte Belegschaft eine wertschätzende Atmosphäre des Vertrauens pflegt. Wände einreißen allein reicht nicht.