Wirtschaft/Karriere

Hinaufgelobt und verloren

Auf dem Whiteboard im Foyer des Unternehmens prangen die Namen der Verkäufer. Daneben: Ihr Umsatz im laufenden Monat. Jeder – vom Paketboten bis zum Kunden – kann es lesen.

Im Vertrieb wird mit harten Bandagen gekämpft. Und Mitarbeitermotivation gern mit dem Schüren von Konkurrenzdruck verwechselt. „Eine gute Führungskraft evaluiert,was ihre Verkäufer wirklich motiviert“, meint Gergely Hernady, Geschäftsführer der Personalberatung Menschen im Vertrieb. Die Prangertafel gehöre nicht dazu. Doch zeigt sie eines: Nicht jeder Chef ist zum Führen gemacht. „Der klassische Fehler in der Branche ist: Man befördert den besten Verkäufer zum Leiter“, sagt Hernady. Für die vertriebliche Führungskraft seien aber andere Fähigkeiten nötig als für den Professionalisten im Kundenkontakt, so Hernady: „Der Vollblutverkäufer braucht Begeisterung, Emotionalität und Improvisationstalent, die Führungskraft muss sich mit Strategien beschäftigen.“

In der Doppelrolle

Besonders schwierig hätten es Vertriebsleiter, die in einer „Zwitterstellung“ seien, weiterhin verkaufen und gleichzeitig das Team führen sollen, sagt Hernady: „Diese Personen werden weder im Kundenbereich noch in ihren Führungsaufgaben wirklich gut sein.“ Das führe zu Unzufriedenheit – bei Betroffenen, Mitarbeitern und Firmenleitung. Gerade in kleinen Unternehmen käme es häufig vor, dass Vertriebsleiter verkaufen müssten, meint Peter Linnert, Geschäftsführer der Sales Manager Akademie: „Die Unternehmen wollen nicht auf ihren Umsatz verzichten.“

Ein weiteres Problem: Anders als in anderen Branchen sind Vertriebschefs mit abwesenden Mitarbeitern konfrontiert. Linnert hält vom „Führen auf Distanz“ – rein über Zielvorgaben – wenig: „Der Verkaufschef muss seine Mannschaft anleiten. Dazu muss er mit ihnen an die Front.“ Nur so erkenne er ihre Stärken und Schwächen, erfahre Kundenbeschwerden aus erster Hand. An zwei Tagen in der Woche sollte er seine Verkäufer begleiten.

Die Führungskraft brauche Verkaufserfahrung, davon sind Linnert und Hernady überzeugt. „Nur dann versteht sie die Probleme an der Front und lässt sich nicht so leicht von den Verkäufern an der Nase herumführen“, sagt Hernady. „Und nur dann wird die Führungskraft ernst genommen, ist überzeugend und kann Verhaltensweisen der Verkäufer korrigieren“, ergänzt Linnert.

Wegen der zunehmenden Akademisierung würde es den angehenden Chefs an Praxis fehlen, kritisiert er: „Die Studienabsolventen werden erst Assistent des Verkaufsleiters, dann Verkaufsleiter.“ Doch auch die Führungskompetenz muss vorhanden sein. Bei der Besetzung von Führungspositionen achtet Personalberater Hernady daher auf die natürliche Autorität der Bewerber, denn: „90 Prozent der Führungskompetenz ist Persönlichkeit.“