Johannes Kopf: „Wir müssen uns von der Maschine abgrenzen“
KURIER: Herr Kopf, vor zehn Jahren wussten die Menschen nicht, welche Berufe es heute gibt. Wie soll man sich auf Jobs vorbereiten, die wir noch gar nicht kennen?
Johannes Kopf: Wir wissen gut, was in drei bis fünf Jahren gebraucht wird, haben aber keine Ahnung, was wir in zehn Jahren brauchen. Das macht es schwierig, sich darauf vorzubereiten. Es braucht also das Rüstzeug für lebenslanges Lernen sowie besonders jene Fähigkeiten, die uns von der Maschine abgrenzen, wie etwa das kreative Lösen von Problemen.
Welche Fähigkeiten sind künftig auf dem Arbeitsmarkt gefragt?
Eine Mischung aus vernetztem Denken und digitaler Kompetenz. Unsere „New Digital Skills“-Studie hat gezeigt: Die Digitalisierung fordert auch neue nicht-digitale Fähigkeiten. Heute muss eine Rezeptionistin, die Online-Buchungsplattformen bedient, beispielsweise auch Online-Bewertungen klug formuliert beantworten. Eine weitere Erkenntnis: Digitalisierung zu managen, ist die Aufgabe der Führungskräfte. Jede Abteilung hat zwar ihr technisches Spielzeug, aber es fehlt oft die digitale Gesamtstrategie. Zudem: Menschen brauchen ein digitales Grundverständnis, das ist eine riesige Herausforderung, und unser Bildungssystem ist erstaunlich veränderungsresistent.
Drei Tipps: Womit machen sich Arbeitnehmer fit für die Zukunft?
Erstens: mit Offenheit und Flexibilität im Denken. Zweitens: mit Lernbereitschaft und -fähigkeit. Es ist wichtig, Interesse an Weiterbildungen zu zeigen, sich abzuheben von anderen, Ideenbörsen im Unternehmen zu nutzen. Drittens: mit Interesse an Digitalisierung. Wir haben lange geglaubt, junge Leute sind Digital Natives, um die muss man sich nicht kümmern. Aber wenn ein Drucker nicht geht, weil ein Papier darinnen steckt, wird die IT-Abteilung gerufen. Hausverstand ist gefragt, IT-Grundverständnis und Interesse an Neuem.
Laut "Future of Jobs Report" des Weltwirtschaftsforums gewinnen "menschliche" Fähigkeiten an Bedeutung. Wie können Wirtschaft und Politik dies unterstützen?
Interkulturelle Kompetenz, Offenheit und Kommunikationskompetenz werden immer wichtiger. An der Schule meines Sohnes mussten alle Schüler vor 150 Leuten Abschlussvorträge halten; das gab es zu meiner Schulzeit nicht. Und an Schulen darf IT nicht nur ein Fach sein, sondern muss den Unterricht durchdringen. Schüler müssen lernen, die richtigen Fragen zu stellen, seriöse Quellen zu erkennen, Informationen zu überprüfen und einzuordnen.
Wo besteht der größte ungedeckte Bedarf an Arbeitskräften?
Im Tourismus, das liegt auch an Saisonspitzen und kurzen Beschäftigungszeiten. Dort kommt mittlerweile jede zweite Arbeitskraft aus dem Ausland. Auch bei technischen Berufen gibt es einen großen Bedarf, Ingenieure fehlen überall. Zudem gibt es eine große Nachfrage nach verbundenen Kompetenzen: beispielsweise nach Facharbeitern in der Industrie mit Erfahrung im Projektmanagement.
Wer bekommt Probleme mit seiner Qualifikation?
Die Arbeit für Unqualifizierte geht aus, dieser Trend ist in ganz Europa zu beobachten – und die Schere geht auseinander. Deshalb müssen wir Unqualifizierte höher qualifizieren und darauf achten, dass niemand nur mit Pflichtschulabschluss aus der Schule kommt. Die Förderung muss im Kindergarten beginnen. Auch dadurch verlieren wir viele mögliche Fachkräfte.
Wie viel Neuorientierung halten Sie für möglich?
Auch wenn der Wandel rasant ist, gibt es eine gewisse Veränderungsresistenz in der Gesellschaft. Nicht nur wegen der Digitalisierung werden viele Jobs wegfallen, auch durch den Kampf gegen den Klimawandel. Wenn die Politik die Rettung des Klimas ernst meint, wird sie umweltschädliche Dinge verbieten oder verteuern. Etwa: Flugbegleiter für Kurzstreckenflüge brauchen wir dann kaum noch. Aber durch technologischen Wandel sind früher nicht nur viele Jobs verschwunden – es sind auch neue entstanden. Wir müssen die Bevölkerung daher weiter und generell höher qualifizieren. Denn die Qualität der Jobs in einem Land hat auch mit dem Arbeitskräfteangebot zu tun.
Es wird Menschen geben, die bei den Veränderungen nicht mitkommen – können oder wollen.
Wir alle haben die Verpflichtung, Verlierer dieser Entwicklung zu unterstützen. Sonst wird es schwierig für die Gesellschaft. Die Politik kann hier gegensteuern, zum Beispiel mit staatlich geförderten Jobs im Sozialbereich. Dabei wird es auch einen niedrigen Prozentsatz derer geben, die wir nicht mitnehmen können. Es ist unser aller Aufgabe, diesen möglichst gering zu halten.