Wirtschaft/Karriere

Interview: „Wir gewöhnen uns wahnsinnig schnell an mehr Geld“

KURIER: Sie haben die größte Langzeitstudie mit über 600.000 Befragungen zum Thema Zufriedenheit ausgewertet. 85.000 Personen davon wurden sogar über 30 Jahre lang immer wieder befragt, unter welchen Umständen sind sie mit ihrem Leben zufrieden sind. Welches Ergebnis hat Sie persönlich am meisten überrascht?
Martin Schröder:
Immer wieder interessant zu sehen ist, dass wir, obwohl wir oft viel jammern, generell mit unserem Leben  sehr zufrieden sind. Der durchschnittliche Österreicher gibt sich auf der Zufriedenheitsskala 71 von 100 Punkten. Auch sehr interessant ist, dass Kinder uns nicht zufriedener stellen, da sie uns ärmer machen.

Da würden Ihnen wohl jetzt einige Eltern widersprechen und sagen, dass Kinder das eigene Leben dann doch sehr erfüllen.
Ich sage nicht, dass Kinder unglücklich machen. Kinder an sich machen schon zufrieden. Sie kosten aber auch sehr viel Zeit und Geld und am Ende ist es ein Nullsummenspiel. Man bekommt viel, verzichtet aber auch viel. 

Apropos viel bekommen. In Ihrem Buch schreiben Sie: „Geld wird nutzloser, je mehr man davon hat.“ Eine Gehaltserhöhung von 1000 Euro netto macht demnach nicht zufriedener?
Das hängt jetzt davon ab, wie viel man bereits verdient. Von 1000 auf 2000 Euro netto erhöht sich die Zufriedenheit, von 4000 auf 5000 nicht. Die Grenze liegt ungefähr bei 2000 Euro netto. Das zusätzliche Geld macht nur kurzfristig glücklich. Denn wir gewöhnen uns wahnsinnig schnell an mehr Geld. Wir essen dann besser, kaufen teurere Kleidung oder wohnen größer. Und kennen Sie das? Man hat mehr Geld und plötzlich braucht man auch mehr. Oder können Sie sich vorstellen noch einmal so viel zu verdienen wie in Ihrer Studentenzeit? Nein, denn wir haben uns schnell an mehr Geld gewöhnt und würden uns noch schneller an noch mehr Geld gewöhnen.  Darum macht Geld auch nicht glücklich.

Kann man dem Gewohnheitseffekt mit dem eigenen Verhalten gegensteuern?
Ja. Generell gibt es einen Trick, wie man glücklicher ist. Man übt sich in Dankbarkeit. Zum Beispiel, indem man jeden Tag am Abend bevor man ins Bett geht, aufschreibt, wofür man heute dankbar ist. Das können die fünf Minuten sein, die man in der Sonne gesessen ist oder andere Kleinigkeiten. So stärkt man das Positive in seinem Leben und lenkt den Fokus auf das, was man hat und das ist meistens reichlich.

Hilft ab und an bewusster Verzicht, um zufriedener zu werden?
Meistens machen wir das automatisch. Wir trinken nicht jeden Tag ein Glas Sekt oder kaufen uns jeden Tag etwas Schönes, sondern nur zu besonderen Gelegenheiten. Alles in Maßen zu machen, macht Menschen glücklich. Denn es gibt zwar viele Dinge, die uns glücklich machen, aber alles immer nur bis zu einem gewissen Punkt. Darum macht es uns auch zufriedener, wenn wir unterschiedliche Quellen des Glücks anzapfen. 

Sowohl Männer als auch Frauen sind laut der Studie unzufriedener, wenn die Frau mehr verdient als der Partner. Wie erklärt sich das?
Erklärungen sind die Schwachstelle meiner Untersuchungen. Man sieht nur den Zusammenhang, den Grund kann man lediglich interpretieren, beziehungsweise wissen selbst die Befragten oft nicht, warum das so ist. In dem speziellen Fall kann ich es mir nur so erklären, dass wir Menschen uns immer schon vom Partner ein gewisses Verhalten erwartet haben. Treten diese Erwartungen nicht ein, geht es uns schlechter. Und die Erwartung, dass der Mann mehr verdienen soll als die Frau, wurde uns über Jahrzehnte vermittelt. Die Studie hat aber auch in anderen Bereichen gezeigt, dass wir Menschen in der traditionellen Rollenverteilung zufriedener sind (Männer sind beispielsweise zufriedener, wenn sie mehr arbeiten). Das zeigen die Zahlen von 1980 bis 2017, und zwar von London über Korea bis nach Australien.

Zusammenfassend, was macht uns zufrieden und was nicht?
Den stärksten Zusammenhang haben wir in Verbindung mit der Arbeit festgestellt. Nichts hat so sehr einen Einfluss auf unsere Unzufriedenheit als der Faktor der Arbeitslosigkeit. Wobei Männer in dem Fall noch einmal mehr leiden als Frauen. Soziale Kontakte sind ein weiterer großer Faktor der Zufriedenheit sowie die Gesundheit und ob man das Gefühl hat, sein Leben unter Kontrolle zu haben.

Wie sehr hängt die Zufriedenheit von unserer inneren Einstellung ab?
Grob gesagt, ist man genetisch zu einem Drittel der Zufriedenheit ausgeliefert. Ein Drittel betrifft die langfristigen Lebensumstände, ob man beispielsweise eine gute Ausbildung absolviert hat und ein Drittel sind kurzfristige Veränderungen, wie  der Entschluss, ab morgen nicht mehr zu rauchen. Man hat also sehr viel eigenen Einfluss.

Und sind Sie mit dem Interview zufrieden?
(lacht) Ja! Danke.

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