Wirtschaft/Karriere

Interview: Die Angst, ein Hochstapler zu sein

Es ist die Angst des Erfolgreichen, als Hochstapler enttarnt zu werden. Ein Karrierehemmer, der vor allem Frauen daran hindert, in Führungspositionen zu gelangen, meint Mentalcoach Werner Schweitzer. Er veranstaltet den ersten Wiener Kongress für mentale Stärke am 29. und 30. Juni.

KURIER: Die mehrfache Oscar-Gewinnerin Michelle Pfeiffer hat einmal  gesagt: "Ich habe immer noch das Gefühl, man könnte mich enttarnen. Dass ich eine  schlechte Schauspielerin bin und die ganze Zeit über die Leute an der Nase herumgeführt habe." Ein typischer Fall des Hochstapler-Syndroms?

Werner Schweitzer:  Ja. Sie hat aber wohl sehr viel Selbstvertrauen, dass sie damit nach außen geht.

Ist doch seltsam, dass eine erfolgreiche Person so denkt.

Gerade bei erfolgreichen Menschen ist das Syndrom verbreitet.  Je exponierter die Position, umso häufiger tritt es auf. Bei Ärzten, Führungskräften. Laut Studien ist jeder Zweite im Laufe seines Lebens davon betroffen.

Warum ist das so? Diese Selbstzweifel – können das auch Treiber für Erfolg sein?

Kann sein. Aber diese Menschen sind   in einem permanent schlechten Gefühl der Unzufriedenheit – egal, wie viel Erfolg sie haben. Das hat mit mangelndem Selbstwert zu tun.

Wie zeigt sich das?

Wenn sie etwas erreichen, ist sofort das Gefühl da: Man könnte mich als Hochstapler enttarnen.  Man hat Angst, dass jemand drauf kommt, dass man doch nicht so gut ist. Denn die Umstände, das Glück haben zum Erfolg geführt. Damit greifen sie auch dem Entlarvtwerden vor.

Die Betroffenen sehen ihre eigene Leistung gar nicht?

Schon, aber im Wesentlichen sind die äußeren Umstände für den Erfolg verantwortlich.  Bei Misserfolgen ist es andersherum: Da ist es  nicht das Pech, sondern das eigene Versagen.

Das Syndrom betrifft eher Frauen?

Ja, 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen.  

Warum? Die Erziehung?

Ja,  die Gesellschaft spielt eine große Rolle. Buben werden gelobt, wenn sie  Leistung bringen, sich anstrengen. Kleine  Mädchen werden fürs Aussehen gelobt. Und wofür kann man was?

Wohl für die Leistung.

Genau. Das Wettbewerbsdenken hat den Vorteil, dass ich eine Rückmeldung für meine Leistung bekomme. Werde ich aber für etwas gelobt, für das ich gar nichts kann, wie mein Aussehen, komme ich irgendwann drauf, dass meine Eltern das  nur sagen, weil sie mir wohlgesonnen sind. Das pflanzt sich dann ins Unterbewusstsein fest ein.

Aber wenn sie dann als Frauen für ihre Leistung gelobt werden, müssten sie es ja als Lob identifizieren?

 Das tun sie ja, die Frage ist,  wie ernst sie es nehmen.  Ich arbeite mit einer erfolgreichen Spitzensportlerin.  Als ich ihr    zum Sieg gratuliert habe, hat sie gesagt:  Da war viel Glück dabei.  Haben Sie so etwas schon einmal von einem Mann gehört? Das  ist mit ein Grund, warum Frauen nicht in Führungspositionen kommen.

 Klammern Männer das Glück umgekehrt eher aus?

Absolut. Männer neigen dazu, sich zu überschätzen. Männer bewerben sich, wenn sie nur irgendwie für den Job geeignet sind. Und Frauen sind oft top qualifiziert und sitzen im Gespräch dort mit: Mal schauen, ob ich das zusammenbring’.

Wie wirkt sich das Hochstaplersyndrom auf die Karriere aus?

Ich werde mich für  manche Jobs nicht bewerben, weil ich von meiner Leistung nicht überzeugt bin, werde im Verkaufen meiner Leistung vorsichtiger agieren. Die Angst ist ja:  Je offensiver ich sie verkaufe, desto eher kommt jemand drauf, dass ich ein Hochstapler  bin.

Das heißt: Erfolg kann ich dann gar nicht genießen.

Genau. Der Erfolg birgt die Gefahr, entlarvt zu werden.

Welche Folgen fürchtet man?

Die Existenz zu verlieren. Dass  andere draufkommen, dass ich gar nicht so gut bin.

Wie gehen die Betroffenen mit  Kollegen, dem Chef um?

Sie sind eher unauffällig, bescheiden, zurückhaltend,  dadurch sehr beliebt bei allen. Das soziale Umfeld ist ihnen wichtiger als Erfolg.  

Was raten Sie als Coach?

 Sich bei kleinen Erfolgen sagen, dass es die eigene Leistung war. Und so seine Überzeugungen ändern.

Mentaler Gewinner: Werner Schweitzer

Zur Person Werner Schweitzer ist Geschäftsführer der Coaching-Agentur Mental Gewinnen und betreut als Mentalcoach Sportler und Führungskräfte.

Kongress Er  veranstaltet auch den  Ersten Wiener Kongress für Mentale Stärke, der am 29. und 30. Juni  im Tech Gate Vienna in  Wien stattfindet. Geboten werden Vorträge prominenter Redner und Workshops zu den Themen Erfolg, Gelassenheit, Umgang mit Druck und Kraft des Scheiterns.  KURIER-Abonnenten zahlen für die Teilnahme  280 Euro statt 370 Euro zuzügl. MwSt. Mehr Information: www.mentalkongress-wien.at