Internet-Jobber: Für eine Handvoll Euro
Von Nicole Thurn
Ein technischer Fachjournalist wird gesucht. Der Auftrag: einen Text verfassen, mit 1800 Wörtern. Der Mühe Lohn sind 15 Euro.
Barbara Seidl hat so ihre Erfahrungen mit Crowdworking. Ein halbes Jahr lang hat sie Texte für die Plattform Textbroker.com verfasst. „Für einen Artikel samt Recherche bin ich oft fünf Stunden gesessen und habe 10 Euro erhalten“, erzählt sie. Ein Stundenlohn von zwei Euro – das geht sonst nur in Asien.
Crowdworker arbeiten über Online-Plattformen, sie erhalten Mini-Aufträge, die in wenigen Klicks bis wenigen Stunden gegen Honorar zu erledigen sind. Je nach Auftrag konkurrieren Europäer mit Billigarbeitskräften aus Indien oder Lateinamerika. Ihre Auftraggeber kennen sie oft nicht. Manche Plattformen vermitteln nämlich anonym.
Immerhin 43 Prozent der Crowdworker in Österreich verdienen pro Jahr 18.000 bis 36.000 Euro pro Jahr. Sechs Prozent leben ausschließlich davon, wie die Studie „Österreichs Crowdworkerszene“ kürzlich ergeben hat. Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) von der University of Hertfordshire. Überrascht hat die Experten vor allem eines: „Dass es überhaupt so viele Crowdworker gibt“, erklärt AK-Expertin Sylvia Kuba. Neun Prozent aller 2000 repräsentativ Befragten arbeiten mindestens ein Mal im Monat für eine Plattform, fünf Prozent zumindest ein Mal pro Woche. Die Crowdworker sind im Schnitt jünger als die Erwerbsbevölkerung: 45 Prozent sind unter 35 Jahre alt, doch zwölf Prozent sind über 65. Auch machen nicht, wie oft vermutet, Studierende das Gros der Crowdworker aus – das sind nur elf Prozent. Die Palette der Online-Jobs reicht von einfachen Recherche-Tätigkeiten bis hin zu hochspezialisierten Aufgaben. Tatsache ist: Der Arbeitsmarkt wird von den Crowdworkern verändert. Die Zahl der Wenigverdiener unter den Selbstständigen steigt, sagt Martin Risak, Arbeitsrechtler an der Universität Wien. Und mit ihnen auch der Bedarf nach rechtlichem Schutz.
Grauzone
Ein Problem sieht er in der rechtlichen Grauzone, in der sich die Plattformen bewegen. „Plattform ist nicht gleich Plattform“, so Risak. Gemein sei allen, „dass sie vorgeben, nur Jobs zu vermitteln“, meint er. Der Vorteil für die Kunden: Man kann Aufträge in derselben Zeit von der Crowd abwickeln lassen, in der man früher viel teurere Angestellte benötigt hat. Es gehe aber oft nicht nur um die Vermittlung von Arbeit, sondern um eine längerfristige Bindung der Crowd an die Plattform, sagt Risak: „Das sind keine Tagelöhner. Man lässt nur die guten Leute an gute Projekte.“ Das sei dann aber wiederum ein Anzeichen für ein Dienstverhältnis. Denn das große rechtliche Problem ist: Plattformen könnten verdeckte Arbeitgeber sein, die Crowdworker sich in verdecktem Dienstverhältnis befinden. „Wenn das einzig Innovative an dem Geschäftsmodell ist, Preise zu drücken und Leute zu extrem schlechten Preisen zu beschäftigen, ist das nichts Neues. Das haben wir seit Jahrhunderten“, so Risak.
Kompetenzcheck
Bei Clickworker.com müssen die Crowdworker ein Assessment Center durchlaufen, ihre Kompetenzen für Texte und Recherche werden eingestuft, dementsprechend erhalten sie Aufträge und werden bei Gelingen für die nächste Schwierigkeitsstufe freigeschaltet. „Wir sind kein Arbeitgeber, sondern Dienstleister. Die Clickworker sind nicht weisungsgebunden und arbeiten auch für andere Plattformen“, weist CEO Christian Rozsenich den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit zurück. Neun Dollar pro Arbeitsstunde verspricht man im Schnitt. Lohndumping gesteht er zum Teil ein: „Bei manchen Tätigkeiten konkurrieren die Crowdworker mit Arbeitskräften aus Niedriglohnländern.“ Bei deutschsprachigen Text-Aufträgen gebe es Fixpreise. „Wir orientieren uns an den Mindestlöhnen in Deutschland“, so Roszenich. Dazu hat man für die Kunden einen Code of Conduct eingeführt, den bisher vier Firmen ratifiziert haben. Bessere Bedingungen brächten auch der Plattform etwas – will man doch für möglichst viele attraktiv sein. 800.000 Arbeiter sind weltweit auf Clickwork.com registriert.
Martin Risak ortet bei vielen Plattformen Anzeichen von Scheinselbstständigkeit, denn: „In der Regel arbeitet man über das Interface der Plattform – auch dieser virtuelle Raum ist ein Arbeitsort. Man kann sogar über den Computer kontrolliert werden.“ Auf Upwork.com übernimmt eine App die Kontrolle der Mitarbeiter (siehe unten).
Sozialpolitisch sei die Armee der digitalen Wissensarbeiter eine Herausforderung: „Arbeitsrechtlich sind wir noch im Industriezeitalter“, so Risak. Es müsse neue Regelungen zu den Arbeitsformen geben, „damit Crowdworker in Krankenstand und Urlaub gehen können, ohne zu verarmen.“ Die Arbeiterkammer fordert das Recht der Crowdworker, sich zu organisieren – das verbieten manche Plattformen. Rechtsberatung gibt es bei der AK und der Gewerkschaft GPA-djp.
Auf Peopleperhour.com können Crowdworker ihre Jobgesuche anbieten und Kunden ihre Aufträge. Man tritt direkt in Kontakt, die Crowdworker legen auch ihre Honorare selbst fest. Ähnlich vermittelt auch Upwork.com, die größte Crowdworker-Plattform weltweit, Wissensarbeiter mit höherer Qualifikation –wie Grafikdesigner, Webdesigner und Software-Experten.
Um arbeiten zu können, muss man sich eine Team-App herunterladen. Laut den Geschäftsbedingungen muss man mit der App ein Arbeitstagebuch führen, sie macht auch alle zehn Minuten einen Screenshot vom Arbeitsprozess – so weiß der Auftraggeber, wie lange der Crowdworker an einer Sache arbeitet. Eine bedenkliche Kontrolle, die den Verdacht der Scheinselbstständigkeit erhärtet, kritisieren Arbeitsrechtler.
Bei Clickworker.com gibt es für Texter Fixpreise – je nach Qualität des Textes gibt es unterschiedlich hohe Entgelte pro Wort. Im Bereich Recherche und Umfragen legen die Auftraggeber selbst ihre Preise fest. Zu den Kunden gehören kleine Shops und Konzerne wie T-Online. Der Bildungshintergrund der Clickworker reicht von weniger qualifizierten Clickarbeitern bis zu zu hoch qualifizierten Fach-Experten.