Wirtschaft/Karriere

Geteilte Führung: Zwei Chefs an einem Schreibtisch

Der Techniker und die Strategin sind ein eingespieltes Team. Sie verstehen sich gut, lachen, ergänzen die Antwort des anderen. Eine personifizierte unternehmerische Rarität. Seit März führen Olivia Schauerhuber und Martin Klein im Duo als "Vice Presidents" die neu geschaffene "Strategy & Portfolio Management"-Abteilung bei T-Mobile. Sie berichten direkt an den CEO – und teilen sich einen Schreibtisch im Großraumbüro. "Dienstags und mittwochs arbeiten wir überlappend – dann geht einer von uns in den Besprechungsraum", sagt Martin Klein.

Schauerhubers Strategie-Abteilung und Kleins Technologie-Abteilung wurden Anfang des Jahres zusammengelegt. Martin Klein war es, der dem Vorstand das Job-Sharing auf Chef-Ebene vorschlug. Klein arbeitet 30 Stunden, Schauerhuber 35 Stunden. Die reduzierte Arbeitszeit kam ihnen gelegen – beide haben kleine Kinder. Welche Herausforderungen sie meistern, welche Vorteile Führen in Teilzeit hat und wie das ungewöhnliche Modell bei Mitarbeitern ankommt, erzählen sie im Doppelinterview.

KURIER: Wann hatten Sie die letzte Meinungsverschiedenheit?

Olivia Schauerhuber:Das ist länger her. Du warst ja zwei Wochen auf Urlaub (lacht).

Martin Klein: Es gibt kleinere, aber oft notwendige Reibereien. Wir sind mitten in einem Veränderungsprozess, Strategen und Techniker haben einen unterschiedlichen Hintergrund.

Schauerhuber: Es gibt Diskussionen über den Umgang mit Mitarbeitern und unterschiedliche Erwartungshaltungen, wie man eine Sache abarbeitet und zu einem Ergebnis kommt.

Was unterscheidet Sie im Führungs- und Arbeitsstil?

Schauerhuber: Wir Strategen sind pragmatischer, sehen das große Ganze. Die Techniker sind prozessverliebt und extrem genau. Ich bin ungeduldig, Martin ist eher der Realist.

Klein: Ich schaue auf das Machbare und ob etwas gut geplant, umsetzbar ist. Olivia setzt die Ambition drauf. Dadurch pushen wir uns gegenseitig.

Also sehr konträre Arbeitsstile.

Schauerhuber: Mit zwei Martins oder zwei Olivias würde das Jobsharing nicht funktionieren.

Klein: Die Arbeitsstile müssen kompatibel sein. Kompromissbereitschaft und Kooperationsfähigkeit sind essenziell.

Kritiker sagen, Job-Sharing sei ineffizient.

Schauerhuber: Ob Job-Sharing das effizienteste Modell ist, kann ich nicht beurteilen. Aber für unsere Transition-Phase ist es durchaus richtig. Ich hätte mich ohne Martin nie so schnell in Technikthemen einarbeiten können und umgekehrt. Ich war anfangs skeptisch, wusste nicht, wie lange und stabil das funktioniert. Mittlerweile finde ich es bis auf die Abstimmung bei Personalthemen sehr effizient. Das liegt daran, dass wir beide schon lange im Unternehmen sind. Müsste ich den Job mit jemand Neuem teilen, wäre das nicht so.

Klein: Mit jedem Tag bin ich zuversichtlicher geworden. Wir teilen uns die Arbeit effizient auf und treten nicht als Duo auf – nur einer von uns geht in Meetings.

Schauerhuber: Anfangs hat das Job-Sharing im Haus für lustige Analogien gesorgt – wir waren "das Ehepaar".

Ich hätte da auch eine: Wenn der "Papa" nein sagt, rennt der Mitarbeiter dann zur "Mama" – kommt das vor?

Klein: Auch diese Analogie hatten wir schon (lacht).

Schauerhuber:Offensichtlich habe ich noch nichts bemerkt, unterschwellig sicher.

Klein: Ja, man führt ein fachliches Gespräch und dann heißt es: Das habe ich mit Olivia schon besprochen. Das kommt vor.

Wie oft sprechen Sie sich ab?

Schauerhuber: Anfangs jeden Tag etwa eine halbe Stunde, jetzt haben wir einen Jour Fixe in der Woche und besprechen noch ein zweites Mal informell.

Klein:Vieles besprechen wir ad hoc. Mittlerweile geht das schnell, wir können besser einschätzen, was man absprechen muss und was nicht mehr.

Sind zwei Chefs nicht auch verwirrend für die Mitarbeiter?

Schauerhuber: Sie mussten lernen, zwei Chefs zu haben. Da gab es viel Unsicherheit. Viele Techniker kannten mich nicht.

Was haben Sie getan, um die Mitarbeiter besser kennenzulernen?

Schauerhuber: Wir haben ein Outdoor-Kletterevent veranstaltet, für das Teambuilding.

Klein: Mit den Teamleitern gab es intensive Strategiearbeit und Diskussionen.

Ihre größte Herausforderung?

Klein:Themen wie Marktplanung und -forschung waren für mich weit weg. In diesem Feld will ich ein gewisses Level erreichen – eine riesen Herausforderung neben dem Tagesgeschäft.

Schauerhuber: Ich war gewohnt, mit meinen zehn Mitarbeitern engen Kontakt zu haben. Bei 30 geht das nicht. Die Mitarbeiter sind unterschiedlich: Viele stürzen sich euphorisch ins Neue, andere lehnen es ab. Einen Mittelweg in der Führung zu finden, ist eine Herausforderung.

Was tun Sie, wenn Sie auf keinen grünen Zweig kommen?

Schauerhuber: Solange diskutieren, bis wir einen Kompromiss finden.

Sind junge Führungskräfte aufgeschlossener als ältere, die eher der Big Boss sein wollen?

Klein: Ich glaube schon, dass ältere Generationen andere Themen als die Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben.

Wann bringt Job-Sharing nichts?

Schauerhuber: Hätte ich nicht eine kleine Tochter,würde ich so ein Modell nicht bevorzugen. Wollte ich in drei Jahren CEO werden, hätte ich gesagt, ich leite die Abteilung allein. Aber für unsere jetzige Situation und für den Konzern ist es eine Win-Win-Situation.

Klein: Die Vorteile überwiegen bei Weitem. Die Qualität der Führungsarbeit steigt durch den intensiven Austausch.

Wie wichtig ist Sympathie?

Schauerhuber: Sehr. Man muss den anderen riechen können.

Klein: Und man muss gemeinsame Erfolge feiern können.

Wie geht es weiter?

Klein: Das Modell hat kein konkretes Ablaufdatum, ist aber auch nix für die Ewigkeit. Es ist ergebnisoffen.

Der Techniker und die Strategin

Wirtschaftsinformatiker Martin Klein (39) startete 1999 bei max.mobil und spezialisierte sich auf Projekt-, Portfolio- und Prozess-Management. Klein ist Vater von zwei Kleinkindern, eines ist elf Monate, eines drei Jahre alt.

Olivia Schauerhuber (35) ist seit 2003 bei T-Mobile. Vor ihrem Teilzeit-Führungsjob leitete sie für ein Jahr das Strategy & Corporate Office. Ihre Tochter ist zwei Jahre alt.

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Führen in Teilzeit wird seit Jahren diskutiert.Tatsächlich ist das sogenannte „Top-Sharing“, die Arbeitsplatzteilung auf Management-Ebene, selten.
Nur sechs Prozent der österreichischen Manager arbeiten in Teilzeit, ergab eine Studie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung im Vorjahr (mit Arbeitsmarktdaten aus 2009). In Europa gibt es allerdings Schwankungen: In Großbritannien arbeiten acht Prozent der Manager in Teilzeit, in den Niederlanden sind es zwölf Prozent. Der Wunsch nach weniger Arbeit ist deutlich größer: In Österreich will jede dritte Führungskraft ihre Wochenarbeitszeit gern um fünf Stunden reduzieren, ähnlich sieht es in Tschechien, Luxemburg und Griechenland aus. In Schweden wollen das nur zehn Prozent.
Dennoch: „Der Teilzeit-CEO ist in Österreich nicht in Sicht“, sagt Christian Fritzsche, Geschäftsführer der Managementberatung Kienbaum. „Sind Richtungsentscheidungen zu treffen, ist der Abstimmungsaufwand zwischen zwei CEOs hinderlich.“ Auch würden zwei „ultimative Alphatiere“ in der Regel nicht lange miteinander können. Vorstellen kann Fritzsche sich Top-Sharing temporär, etwa bei der Übergabe von Managementposten.

Mittel gegen Burn-out

Die Schweizer Beraterin Julia Kuark sieht das anders. Für sie ist „Führung durch zwei “ die Lösung schlechthin für Vereinbarkeit von Job und Familie und gegen Burn-out und Frauenmangel in den Chefetagen. Ende der Neunziger Jahre hat sie den Begriff „Top-Sharing“ geprägt. Die Zeit sei reif dafür, die Manager seien mobiler und würden flexibler arbeiten. Ihr Führungsstil sei heute kooperativ statt autoritär. Die Unternehmen im deutschsprachigen Raum würden sich zunehmend dafür öffnen. Kuark empfiehlt die Teilung des Manager-Jobs allerdings nicht in 50:50, sondern in 60:60. Die Arbeitszeiten sollten sich überlappen, um Zeit für Austausch zu haben.
Einer führt durch die Krise Egal, ob zwei Chefs sich einen Job teilen oder Vollzeit im Duo führen – „verschiedene Sichtweisen bringen die bessere Entscheidung“, sagt Berater Fritzsche. In beiden Fällen sei Vertrauen und viel Abstimmung essenziell. Fritzsche führt Kienbaum gemeinsam mit Cornelia Zinn-Zinnenburg in Vollzeit. Eines sei klar: „In wirtschaftlichen Krisenzeiten sind weder Top-Sharing noch die Doppelspitze ein Erfolgsrezept. Da braucht man eine Person, der schnell Entscheidungen trifft.“