Genug Kontrolle, Nachhaltigkeit fehlt
Von Nicole Thurn
Rupert-Heinrich Staller wird bärbeißig, als der Moderator ihn am Podium als „Hauptversammlungsschreck“, als „Bruce Willis der Aktionäre“ vorstellt. Der Moderator ist Gerhard Speckbacher, Vorstand des Instituts für Unternehmensführung an der WU Wien – die etwas unrühmlichen Etikettierungen stammen aus Medienberichten. Staller, Investor und Aktionär u. a. bei der Erste Bank, nimmt Hauptversammlungen gern zum Anlass, um die Topmanager coram publico sozusagen „aufzublattln“. Am liebsten anhand ihrer Geschäftsberichte.
Die Gäste amüsieren sich über das ironische Hickhack am Podium. Etwa 90 Menschen lauschen im Festsaal der WU Wien der Studienpräsentation und Diskussion, zu dem die Kammer der Wirtschaftstreuhänder und das Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer geladen haben. Es geht um Kontrolle in Unternehmen, um Transparenz und Nachhaltigkeit. Große Worte, die oft leere Worthülsen bleiben. Das Podium ist hochkarätig: Brigitte Ederer, ehemals Personalvorstand der Siemens AG, Alexander Egit, Chef von Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, Monika Langthaler, Chefin der Agentur Brainbows, die Nachhaltigkeitsberichte erstellt, Helmut Maukner, Präsident von iwp, Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer.
Den Riegel vorschieben
Was die Kontrolle betrifft, haben die Unternehmen aufgeholt. Das zeigt der neue „Kontrollbarometer“, den Helene Karmasin, die Grande Dame der Motivforschung, im ersten Programmpunkt präsentiert. Hundert Manager – Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Vorstände – waren befragt worden, wie sie Kontrollmaßnahmen in ihrem Unternehmen einschätzen. Das Fazit: „Sie sind in den Unternehmen selbstverständlicher geworden“, so Karmasin. 88 Prozent der Manager gaben an, im Unternehmen Richtlinien und Verhaltenscodices für Mitarbeiter zu haben. Nur elf bzw. zwölf Prozent sagten, das Kontrollbewusstsein bei Führungskräften bzw. Mitarbeitern sei verbesserungswürdig.74 Prozent bewerten das interne Kontrollsystem als gut. iwp-Chef Helmut Maukner kommentiert, dass in den Unternehmen der Zenit erreicht sei, um ungesetzliches Handeln zu verhindern: „Noch mehr Kontrolle würde ihnen schaden.“ Nachhaltigkeit hat weit weniger Platz: 34 Prozent der Manager sagten, nachhaltiges Wirtschaften könne ein Nachteil für Unternehmen sein.
Später, im Podiumsgespräch widerspricht dem Monika Langthaler: Nachhaltigkeit könne sich sehr wohl positiv auf das Unternehmen auswirken – und Nachhaltigkeitsberichte entsprechendes Handeln im Unternehmen forcieren. Sie führt den REWE-Konzern ins Treffen, der mit Passiv- und Niedrigenergie-Märkten viele Kosten sparte. Staller ätzt in Richtung Langthaler: „Diese Nachhaltigkeitsberichte sind doch PR, meist nur ,Copy-Paste‘.“ Auch Greenpeace-Chef Alexander Egit sagt, dass es mit der Ethik in Konzernen noch nicht weit her sei. Er nennt die erfolgreiche Andritz AG – „die Regenwälder abholzt und Indigene vertreibt.“
Dass ein Mangel an Nachhaltigkeit und Kontrolle zu Reputationsverlust führen kann, musste Brigitte Ederer erfahren: Atomenergie und Korruption ließen die Beliebtheitswerte von Siemens als Arbeitgeber in den Keller rasseln. „Erst durch die Aufarbeitung des Skandals und der Einstieg in erneuerbare Energien hat Siemens wieder an Attraktivität als Arbeitgeber gewonnen“, so Ederer. Greenpeace-Chef Alexander Egit meint, der Druck von außen auf Konzerne sei gut, „aber der Druck von innen, von den Mitarbeitern ist noch wirkungsvoller“. Er fordert gesetzliche Regulierungen, um Unternehmen besser kontrollieren zu können. Maukner pocht dagegen auf die freiwillige Selbstregulierung.
Am Ende fragt Speckbacher, was die WU tun könne, damit sich die Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit verändern. „Mehr Wirtschaftspolitik und -ethik“ fordert Egit. Mehr soziale Kompetenz wünscht sich Ederer: „Mit vielen Studierenden würde ich nicht auf ein Bier gehen wollen.“