Frau mit Sparzwang
Von Andrea Hlinka
Auftritte mit Umtata und Glamour sind ihre Sache nicht. Kaum Schmuck, wenig Make-up, ein schlichtes Kostüm mit einfachem Shirt. Der Teppich im 35. Stock des Twin Towers am Wienerberg verschluckt das Tik-Tak der Absätze.
„Zahlenmensch“ nennt sich Birgit Noggler. Ein gutes Attribut für eine Finanzvorständin. Frau und Groschenzählerin – Jackpot für ein börsenotiertes Unternehmen. Vor allem für eines, das in den vergangenen Jahren häufig wegen Betrugs in den Schlagzeilen war: Der Immofinanz-Skandal, ein Wirtschaftskrimi. Birgit Noggler kam 2007 ins Unternehmen und übernahm in der schwierigsten Zeit, 2008, Finance & Controlling, seit Herbst 2011 ist sie CFO.
Retrospektiv erscheint ihr Weg vorgezeichnet: Sie, die in Kärnten als Tochter zweier Steuerberater geboren wurde, verließ die Heimat, um an der WU-Wien zu studieren. Auf keinen Fall wollte sie nach Kärnten, auf keinen Fall die Kanzlei übernehmen. „Ein KMU war nicht das richtige für mich“, sagt sie.
1999, zu Ende des Studiums, arbeitete Noggler für ein Start-up, verließ es aber bald. „Ich kannte die Zahlen und die haben mir schnell gesagt, das wird nichts.“ Jobangebote hatte sie genug, sie ging zu PwC, dann zu Raiffeisen Leasing, 2008 zur Immofinanz.
Im November 2008, als die Immofinanz-Aktie mit einer Notierung von unter 0,30 Euro im Keller war und das Unternehmen dem Niedergang nah schien, wurde Noggler Chefin des Konzernrechnungswesens. „Für mich war eines klar: Ich konnte jetzt nicht kneifen, nur weil es Schwierigkeiten gab.“ Kaum hatte sie diese Verantwortung übernommen, trat der damalige CFO Christian Thornton, zurück. (Anm.: Thornton wurde im April 2013 wegen Untreue verurteilt). Und obwohl Birgit Noggler seinen Namen nicht nennt und auch „Skandal“ und „Betrug“ vermeidet, geht sie dem Thema nicht aus dem Weg, blickt in die Augen. Sie sagt, es waren Einzelpersonen, sie war überrascht, sie sagt, es ist heute ein anderes Management.
2008 wurde Eduard Zehetner in den Vorstand bestellt. Man war skeptisch, Zehetner hatte „einen Ruf als harter Restrukturierungsmanager“, sagt Noggler. Doch es stellte sich heraus, dass er der Richtige sei. „Für mich war wichtig, dass endlich wieder jemand da war, der klare Anweisungen erteilt. Davor war der Vorstand nur mehr mit sich selbst beschäftigt.“
Im Herbst 2011 wurde sie CFO, im September 2013 läuft Nogglers Vertrag aus. Ob sie weiterhin in dieser Position bleiben will? Birgit Noggler lächelt.
KURIER: Überrascht Sie die Geldgier der Menschen?
Birgit Noggler: Von dem, was wir jetzt im Nachhinein wissen, ja.
Haben Sie die Krise immer überblickt?
Ich war immer optimistisch, dachte, es wird bald vorbei sein. Es hat sich aber herausgestellt, dass es länger dauert.
Das Vertrauen in die Finanzwelt ist nicht mehr groß. Ihre Meinung?
Sieht man sich die globale Finanzbranche an, war die Kreativität beim Erfinden komplizierter und auch für Experten kaum noch verständlicher Finanzprodukte zu groß. Das lastet auf dem Vertrauen. Man muss aber den Unterschied zwischen angelsächsischem und kontinentaleuropäischem Zugang sehen, das wird in einen Topf geworfen – und ist nicht okay.
Müssen Sie manchmal auf den Tisch hauen?
Es reicht, wenn man sagt, was man denkt. Natürlich gibt es Typen, denen muss man ein bisschen drohen.
Wie hart arbeiten Sie?
Im Moment 60, 70 Stunden pro Woche. In der Krise war es natürlich viel mehr.
Nicht gerade familienfreundlich.
Es ist alles organisierbar.
Haben Sie sich je als Quotenfrau gefühlt?
Nur auf Fotos. Und wenn die Kollegen mit stolz geschwellter Brust auf mich als Kollegin verweisen – das ist eigenartig.
Wie geplant ist Ihre Karriere?
Ich habe mich immer daran orientiert, was mir Spaß macht. Ich kann mir nicht vorstellen, etwas zu tun, das mich quält.
Was quält Sie?
Marketing, die kreativen Sachen.
Eduard Zehetner erwartet sich vom Börsegang der BUWOG 700 Millionen Euro. Was ist für Sie ein absurd hoher Betrag?
Als ich hier begonnen habe, wies die Immofinanz eine Bilanzsumme von 15 Milliarden aus. Eines unserer Einkaufszentren in Russland hat einen Wert von über einer Milliarde. Die Zahlen, mit denen man hier in Berührung kommt, sind nicht greifbar. Man muss sich daran gewöhnen und darf den Bezug zur Realität nicht verlieren.
Sind Sie persönlich eine Groschenzählerin?
Ja.
Wofür geben Sie gerne Geld aus?
Essen, Reisen. Aber gern gebe ich nie Geld aus. Ich mag es nicht. Auch nicht für die Firma.
Birgit Noggler ist studierte Betriebswirtin mit Spezialisierung auf Unternehmensrechnung/Revision und Finanzrecht. Außerdem ist sie geprüfte Steuerberaterin. Birgit Noggler sammelte Erfahrung unter anderem bei PricewaterhouseCoopers und in der Konsolidierungsabteilung der Raiffeisen Leasing GmbH.
Immofinanz
Von November 2008 bis September 2011 leitete Birgit Noggler den Finanzbereich der Immofinanz Group, seit Oktober 2011 ist sie CFO und zeichnet verantwortlich für die Bereiche Finance & Accounting, Real Estate Finance, Internal Audit & Control/Program Management, Procurement, Group Controlling und Central Controlling.