„Es ist ein harter Weg“
Von Nicole Thurn
Die dunkle Holzvertäfelung, der Luster – das Büro des Rektors der Uni Wien ist herrschaftlich. Von Gemälden an der Wand blicken die noch lebenden Rektoren der Vergangenheit. Nur der schwarze Schreibtisch bringt etwas Schwung in das altehrwürdige Interieur. Ihn hat Rektor Heinz Engl bei seinem Einzug vor eineinhalb Jahren mitgebracht. Der Mathematiker aus Linz hat es in seiner Wissenschaftskarriere nach oben geschafft. Im Interview spricht er über die Chancen für Jungwissenschafter – und warum sie es heute doch leichter haben.
KURIER: Die wissenschaftliche Karriere sieht heute so aus: Man wird Projektmitarbeiter, Universitätsassistent, es folgt die Laufbahnstelle, der Assistant Professor. Erst dann winkt die unbefristete Stelle als Associate Professor. Klingt nach steinigem Weg.
Heinz Engl: Das ist das österreich-interne Karrieremodell. Für eine wissenschaftliche Karriere ist aber ein Auslandsaufenthalt unverzichtbar. Die Karriere an einer Uni vom Studium bis zur Emeritierung gibt es kaum. An der Uni Wien ist klar, dass man zwischen Doktorat und Post-Doc-Stelle ins Ausland muss. Meine Schüler sind auch in China, den USA, Indien, Kanada.
Sie hatten eine geradlinige Karriere, sind Professor für Industriemathematik. Hatten Sie es leichter?
Nein. Ich habe viel in Amerika gelernt, vor dem Doktorat ein Jahr, auch danach ein Jahr. Auslandserfahrung ist für einen Mathematiker unverzichtbar.
Was war früher anders?
Vor 20 Jahren war es relativ einfach, Dauerstellen zu bekommen. Früher wurden Entscheidungen über den Verbleib an der Universität aber zu spät getroffen, erst bei der Bewerbung für eine Professur musste man sich der Konkurrenz stellen. Viele fielen so sehr spät aus dem System heraus. 2010 hat man mit den Laufbahnstellen die richtige Entscheidung getroffen.
Was bringen sie?
Man soll möglichst schnell erfahren, ob man die Chance auf eine wissenschaftliche Karriere hat. Auf die Laufbahnstelle kann man sich unter Konkurrenz schon zwei Jahre nach dem Doktorat bewerben. Erfüllt man als Assistant Professor die Qualifikationsvereinbarung, wird man unbefristet angestellt – ein großer Vorteil.
Was steht in der Vereinbarung?
Wissenschaftliche Ergebnisse, Publikationen – hier zählt weniger die Anzahl als die Qualität. Die Habilitation nicht unbedingt.
Warum nicht?
Wenn jemand wegen der unbefristeten Stelle schnell habilitieren will, entwertet das die Habilitation. Entscheidend ist, sich zu einem unabhängigen Wissenschafter zu entwickeln, sein eigenes Forschungsthema, seine Arbeitsgruppe aufzubauen, Drittmittel einzuwerben.
Tausend Wissenschafter arbeiten an der Uni Wien in Drittmittelprojekten. Man hört Klagen, dass wegen der Projektanträge wenig Zeit für die Forschung bleibt.
Das glaube ich nicht. Drittmittel zu beantragen gehört zur Tätigkeit in der Wissenschaft, die Letztverantwortung liegt bei den Projektleitern.
Zur Zeit sind zirka 25 Stellen für Universitätsassistenten an der Uni Wien ausgeschrieben, nur zwei Professuren, keine Laufbahnstelle. Ist nach der Universitätsassistenz Endstation?
In zwei Monaten sind es vielleicht zwanzig Professuren – spätestens im April oder Mai kommt die nächste Ausschreibungswelle. In den vergangenen zwei Jahren gab es 90 neue Professuren bei uns.
Welche Chancen haben Österreicher überhaupt auf eine Stelle?
Bei den Professuren berufen wir sehr stark international. Bei den Laufbahnstellen in letzter Zeit auch, aber auch sehr viel aus dem eigenen Haus – Mitarbeiter, die sich gegen die internationale Konkurrenz durchsetzen.
Was muss schon ein Student für die Wissenschaftskarriere tun?
Auch im Ausland studieren, im Master vielleicht etwas anderes als im Bachelor, um sein Wissen zu verbreitern. Entscheidend ist das Doktorat: wo und über welches Thema man promoviert. Das muss nicht an derselben Universität sein. Man muss für sein Thema brennen.
Wozu braucht es bei so wenigen Wissenschaftsjobs so viele Akademiker?
Die Karriere an der Uni muss nicht das einzige Ziel sein – viele zieht es in die Industrie, in die angewandte Wissenschaft. Und viele Berufe brauchen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens, die Methodik, wie man sich Wissen aneignet. Dafür braucht es ein Studium.
Würden Sie Studierenden raten, in die Wissenschaft zu gehen?
Ja, wenn man es wirklich will – und weiß, was einen erwartet. Es ist ein harter Weg. Aber auch ein befriedigender Beruf.
Heinz Engl, 59, promovierte an der Uni Linz in Mathematik, habilitierte 1979. 1988 wurde er dort zum Professor für Industriemathematik berufen. Engl hatte Gastprofessuren in Großbritannien, Australien, den USA und Deutschland inne. Seit 2003 ist er Direktor des Johann Radon Institute (RICAM) der ÖAW. Er war Dekan der Nawi-Fakultät der Uni Linz und Uni-Rat an der TU Graz. Ab 2007 war er Vizerektor für Forschung an der Universität Wien, seit 2011 ist er Rektor.