Wirtschaft/Karriere

Er sammelt Geld und schenkt es her

1000 Euro pro Monat, ein Jahr lang. Einfach so, ohne Gegenleistung. Dieses Glück hatten bisher 23 Menschen. Das Geld dafür kommt von der Crowd, Michael Bohmeyer sammelt es über sein Start-up www.mein-grundeinkommen.de ein. Wann immer 12.000 Euro gespendet wurden, verlost er sie unter allen, die sich online dafür angemeldet haben. Das Interesse ist enorm: Ende November, bei der bisher letzten Verlosung, nahmen rund 100.000 Leute teil – Dutzende Medienberichte folgten und entfachten die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen neu. Michael Bohmeyer, 31, über seine Idee und ein Modell, das den Zugang zu Arbeit und Leben grundlegend ändern könnte.

KURIER: Sie haben schon als Schüler programmiert, während des Studiums Ihre erste Firma gegründet. Was bringt einen High-Flyer wie Sie dazu, das Leistungssystem komplett in Frage zu stellen?

Michael Bohmeyer: Den Unternehmer-Geist habe ich von meinen Eltern. Sie sind beide selbstständig und über Wirtschaftliches zu reden, war zu Hause ganz normal. Zum anderen sind meine Eltern aus der DDR und ich habe in meiner Kindheit mitbekommen, wie wir nach der Wende im Kapitalismus angekommen sind – welche Veränderungen das gebracht hat. Die Nachbarn hatten plötzlich keine Zeit, ein Bier mit meinen Eltern zu trinken, weil die Konkurrenz stärker wurde. Meine Eltern haben sich bei uns Kindern oft entschuldigt, dass sie mehr arbeiten mussten und weniger Zeit für uns hatten. Ich habe in meinem Berufsleben außerdem gemerkt, dass mir Dinge gut gelingen, wenn ich keinen Druck habe und wenn ich nicht Rechenschaft schuldig bin.

Waren Sie je ein Getriebener?

Ja, ich war immer selbstständig. Irgendwann habe ich mir die Zeit genommen zu reflektieren und habe mir überlegt, ob ich mein ganzes Leben lang Kommerz-Start-ups machen will, oder versuchen will, die Gesellschaft besser zu machen. 2014 bin ich aus meiner Firma ausgestiegen und habe mir mein eigenes Grundeinkommen ausbezahlt. Es fiel mir schwer, meine Privilegien abzugeben.

Konnten Sie von 1000 Euro im Monat leben?

Eine Zeit lang – aber ich hatte auch Erspartes. Seit Mai bekomme ich Geld von meinem Verein. Es geht für mich auf Dauer aber nicht ohne Leistungseinkommen. Ich lebe gerne gut.

Sie finanzieren mit Ihrem Verein Menschen für ein Jahr mit 1000 Euro pro Monat. Arbeiten die meisten von ihnen weiter?

Von denen ich weiß, machen viele dasselbe wie zuvor. Aber sie haben mehr Zeit für guten Schlaf und mehr Freizeit und starten auch mal Neues.

Was würde sich ändern, wenn jeder 1000 Euro bedingungsloses Grundeinkommen bekommen würde und niemand mehr des Geldes wegen arbeiten ginge?

Wir glauben ja gerne an den Homo Oeconomicus. Aber das ist mitnichten der Fall: In Deutschland wird 40 Prozent der Arbeit bezahlt, der Rest ist ehrenamtlich. Die Menschen machen diese Arbeit dennoch. Weil sie sinnvoll ist, sie Anerkennung finden, weil sie sich damit identifizieren. Lohn verzerrt den Sinn der Arbeit: Sinnvolle Arbeiten, wie die von Pädagogen, werden nicht gut entlohnt. Bullshit-Jobs umso mehr – als Kompensation für den fehlenden Sinn.

Hätten die Menschen mehr Geld zur Verfügung, würden sie auch mehr konsumieren? Die schwierige Lage am Arbeitsmarkt und die soziale Ungleichheit, wären aber dennoch nicht gelöst.

Das Grundeinkommen ist kein zusätzliches Geld. Die Löhne würden angepasst werden. Daher kommt es auch nicht zu einer Inflation, weil die Geldmenge nicht steigen würde. Es geht um eine Umverteilung.

Kann jeder Job genug Freude und Sinn geben, sodass Geld nicht der Anreiz sein muss?

Die meisten Menschen wollen arbeiten. Mit einem Grundeinkommen würden sich viele Arbeiten aber finanziell nicht mehr lohnen. Niemand würde für unter zehn Euro Toiletten putzen. Unternehmen könnten uns dann nicht mehr unter Druck setzen. Wir stellen uns damit auf ihre Augenhöhe und können dann mal wirklich über Arbeit reden und dafür sorgen, dass Jobs eine Aufwertung erfahren. Die Leute könnten tun, was sie wirklich gut können und nicht, was sie tun müssen. Das ermöglicht Innovationen.

Ökonomen stehen dem bedingungslosen Grundeinkommen kritisch gegenüber. Wo unterscheiden sich Ihre Argumente?

Viele Ökonomen gehen davon aus, dass es ein Grundrecht ist, dass jeder für seinen Grunderwerb kämpfen kann. Das ist ein Scheinargument. Weil Freiheit hat man dann, wenn man "nein" sagen kann.

Häufig kommt das Argument, das bedingungslose Grundeinkommen sei nicht finanzierbar.

Es ist gigantisch viel Geld, aber es könnte finanziert werden – es geht um eine Umverteilung. Es müssten zum Beispiel höhere Steuern eingeführt werden. Ich bin mir sicher, das Grundeinkommen wird kommen, weil es kommen muss.

Warum?

Die Arbeitswelt steht wegen der Digitalisierung vor einer massiven Veränderung. Wenn man Mensch und Maschine miteinander konkurrieren lässt, muss der Mensch seine Arbeitskraft immer günstiger anbieten. An dieser Schraube ist nicht unendlich lang zu drehen, sonst würde Massenarmut folgen und die Kaufkraft wäre verschwunden. Das bedingungslose Grundeinkommen ist also eine systemstabilisierende Maßnahme. Es ist absurd, aber man muss Arbeit und Einkommen voneinander trennen, damit der Kapitalismus aufrecht erhalten werden kann.

1984 wurde Michael Bohmeyer in der DDR geboren. Noch in der Schule programmierte er, während seines Studiums gründete er sein erstes Start-up. 2014 stieg er aus und setzte sich mit dem Modell des bedingungslosen Grundeinkommens auseinander und programmierte www.mein-grundeinkommen.de. Sobald dort 12.000 Euro zusammengekommen sind, verlost er sie – der Gewinner bekommt ein Jahr lang monatlich 1000 Euro. Fast 29.000 Menschen haben bisher mittels Crowdfunding 23 Grundeinkommen finanziert. Mitmachen kann jeder – ohne Gegenleistung. Weltweit.