Einladend: „Eine coole Auslage bringt die Kunden“
Man kann fast nicht anders, als hineinzuschauen. Dabei gibt es in der Auslage wenig zu sehen. Und doch wird der Blick fast magisch hineingezogen in das „Wiener-Seife“-Geschäft, das sich in schlichter Eleganz hinter den Sprossenfenstern auftut.
Hypästhetisch gestaltete Schaufenster (siehe Kasten ganz unten) und Shops sind derzeit der Trendbegriff, wenn es um den Kampf der realen Ladengeschäfte gegen den Online-Handel geht. Globale Modeketten setzen ebenso auf die suggestive Warenpräsentation wie lokale Kaufhäuser und edle Flagship-Stores. Ihr Versprechen: Ein Kauferlebnis, das Online-Shopping nicht bieten kann.
Wie lockt man ins Geschäft?
Sonja Baldauf, Chefin der eingangs erwähnten Wiener Seife GmbH, einer der derzeit meist-gehypten Manufakturen, hat sich dieser Art des Erlebnismarketings mehr unbewusst als bewusst bedient. Das aber von Anfang an.
Denn der erste Shop der umtriebigen Vorarlbergerin lag im Souterrain:„Ich wusste, hier ist die Auslage besonders wichtig. Denn Souterrain, das sieht ja kein Mensch.“ Also dekorierte sie – die Nähe viele Kindergärten einberechnend – ihre Schaufenster etwa mit Bärchen, die sie fast jeden Abend umstellte.
„Die Kinder dachten, die tanzen in der Nacht“, erinnert sie sich lachend. Wichtiger noch: Die Kinder – und vor allem die Käuferzielgruppe Eltern – blieben stehen und kamen ins Geschäft.
Jede Auslage hat anderes Konzept
Mittlerweile hat die Wiener Seife GmbH drei Geschäftslokale und bei Auslagen und Shop-Design professionelle Unterstützung der Agentur Kvint-Design. Je nach Standort kommt ein anderes Konzept zum Zug. „Im 3. Bezirk ist die Auslage fast eine Bühne, wo der Vorhang aufgeht: Wien, der Himmel, wir – alles fließt zusammen. Die Reaktionen der Menschen kann man sich gar nicht vorstellen“, erzählt Baldauf zufrieden. Im Shop in der Herrengasse wurden Regalbretter aus Holz in die Fensterscheiben eingeklebt.
Baldauf: „Wenn man vorbeigeht, weiß man nicht gleich: Ist die Seife außen oder innen? Man muss kurz überlegen, bleibt stehen.“
Schaufenster mit kulturellen Eigenheiten
Ein Innehalten, ein kurzes – vielleicht unbewusstes Nachdenken – das erhofft auch Julia Eisenburger, die in ihrem Atelier in der Turmburggasse an einem neuen Auslagenkonzept für den Wiener Shop der Nobel-Marke Hermès arbeitet. Ausgebildet in L.A und Rom weiß die Designerin, wie man Kundschaft anspricht: „Je nach Land sind die Auslagen sehr unterschiedlich. In Österreich verkaufen sich etwa jene Produkte gut, die in der Auslage ausgestellt sind. Daher sind heimische Schaufenster meist nicht gerade minimalistisch.“
Stationärer Handel stirbt nicht
Für Hermès setzt sie mit ihrem Team nun das Jahresthema des Luxusunternehmens in ein Schaufenster um. Sie spielt dabei mit surrealistischen Elementen und erzählt eine Geschichte zwischen Traum und Wirklichkeit. „Die Auslage soll die Möglichkeit zu einer kleinen Kunstminute bieten. Sie soll in den Bann ziehen, in Stimmung bringen“, erklärt Eisenburger.
Dass der stationäre Handel im Zeitalter des Online-Shopping ausstirbt, glaubt sie nicht:„Aber er muss sich etwas einfallen lassen. Ich glaube, dass die Auslagen da noch wichtiger werden – auch für kleine Shops in wenig frequentierten Lagen. Denn eine coole Auslage spricht sich herum und bringt Kunden.“
Verführen statt verkaufen
Warum zeigt eine spanische Modegruppe Schaufensterpuppen, deren riesige Wimpern auf die Wangen verrutscht sind? Warum setzt ein Grazer Kaufhaus in seinen Auslagen vor allem auf sortimentsfremde Deko-Objekte und macht auf coole Galerie? Warum betritt man einen schicken Brillenladen durch ein Schiffswrack? Die Antwort lautet: Weil sich der stationäre Handel einer Tugend besinnt, die Online-Shopping nicht bieten kann. Dem des Einkaufens als magisches Live-Erlebnis.
Damit das klappt, bedient man sich schon in der Schaufensterdeko hypnoästhetischer Tricks: Ob bewusstes Destabilisieren, manipulative Vorinszenierungen oder Trance-Momente – Mittel, die seit langen Jahren erfolgreich in der Psychotherapie eingesetzt werden, haben nun den Handel erreicht.
Christian Mikunda, Vordenker der Erlebniswirtschaft, hat zum Thema soeben ein Buch verfasst (Hypnoästhetik. Die Ultimative Verführung, Econ Verlag). Für ihn ist die hypnotisch anmutende Manipulation ein Modell für das Überleben des stationären Einzelhandels: Wer im Zeitalter des Online-Handels bestehen will, so seine Botschaft, muss eine soziale Dimension schaffen.