Wirtschaft/Karriere

Eine EU-Richtlinie soll die Rechte von Plattformbeschäftigten stärken

Taxifahrer, Essenslieferanten, Paketzusteller, Putzkräfte, Programmierer, Grafiker. Immer mehr Menschen erhalten ihre Arbeitsaufträge über digitale Plattformen wie Uber, Deliveroo, Helpling oder Upwork. In der Europäischen Union sind es mittlerweile 28 Millionen Menschen, davon 362.755 in Österreich, schätzt die EU-Kommission in einem aktuellen Report.

Lange galten plattformbasierte Geschäftsmodelle als Inbegriff der Innovation. Ihr Narrativ: Arbeit frei und flexibel selbst zu bestimmen. Bei genauerem Hinsehen aber stimme das nicht, so Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak.

Arbeitszeit nicht frei wählbar

„Essenszusteller können nicht arbeiten, wann es ihnen Spaß macht. Die Arbeitszeit ist vorgegeben, das Essen muss zugestellt werden, wenn der Kunde bestellt.“ Zudem würden Plattformen häufig auch mit internen Bewertungssystemen arbeiten, die den Anreiz ausüben würden, zu bestimmten Zeiten zu arbeiten.

„Beschäftigte mit guter Bewertung bekommen die guten Schichten zuerst freigeschaltet.“ Im Grund leisten viele ihre Arbeit unter rechtlich unklaren und sozial unsicheren Umständen.

Großteils Schein-Selbstständige

Neun von zehn Plattformbeschäftigten werden als Selbstständige eingestuft, obwohl sie in vielen Fällen eigentlich Arbeitnehmer sind.

Mit der Schein-Selbstständigkeit werden Mindestentgelte, bezahlter Urlaub und Krankenstand oder Mehrarbeits- und Überstundenzuschläge umgangen.

Die EU-Kommission will hier nun mit einer Richtlinie für faire Arbeitsbedingungen sorgen. Am 9. Dezember legte sie einen ersten Entwurf für die Regulierung der Plattformarbeit vor.

Bekämpft werden soll die Scheinselbstständigkeit darin durch eine gesetzliche Vermutung, dass ein Arbeitsverhältnis zur Plattform vorliegt. Diese muss dann von Plattformfirmen erst widerlegt werden.

Kriterien-Katalog

Orientierung bietet ein Kriterienkatalog. Wenn zwei von fünf genannten Kriterien erfüllt sind, soll rechtlich davon ausgegangen werden, dass die Plattform Arbeitgeberin ist und die Beschäftigten ihre vollwertige Arbeitnehmer, mit den damit verbundenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen.

Der Nachteil: „Diese zwei genannten Kriterien muss der Beschäftigte nachweisen. Erst dann liegt die Beweislast bei der Plattform“, so Gruber-Risak. Problematisch sieht der Experte auch die „Abgeschlossenheit“ des Kriterienkatalogs.

„Damit wird die Dynamik des Geschäftsmodells nicht berücksichtigt. Besser wäre ein offen formulierter Katalog, um flexibel reagieren zu können.“ Verbesserungswürdig sei auch die Übertragung von Ratings von einer auf die andere Plattform.

Mehr Transparenz

„Man sollte Qualifikationen mitnehmen können, damit ein echter Wettbewerb ermöglicht werden kann.“ Der Regulierungsentwurf sieht zudem auch eine Offenlegung des algorithmischen Managements vor. „Die Plattformen müssen über Überwachungssysteme und automatisierte Entscheidungsfindung transparent informieren.“

Im Großen und Ganzen sei der Entwurf „innovativ“– die EU habe erkannt, dass die Branche reguliert werden müsse, so Gruber-Risak. „Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich diese Praktiken auch in bessere, traditionelle Arbeitsstrukturen hineinfressen.“ Erst aber muss der Entwurf rechtlich umgesetzt werden.