Wirtschaft/Karriere

Disco Volante: Quattro Stagioni gibt's woanders

Der Pizzakoch steckt den Kopf durchs offene Fenster: „Dove sono i grembiuli, Marriaaa?“ Der Pizzaiolo sucht die Schürzen. Am Bankerl vor dem Fenster des Lokals plaudert Chefin Maria Fuchs mit Mitarbeitern bei einem Espresso, aus dem Inneren der Pizzeria dringt das Lachen einer Gruppe junger Angestellter nach draußen. Es ist 18 Uhr, gerade geöffnet. Die Eingangstür, das Fenster – alles offen. Die Botschaft: Kommt nur herein ins Dolce Vita.

Gelacht wird in der „Disco Volante“ in der Wiener Gumpendorferstraße 98 viel. Ambiente sucht man dagegen vergebens. Die ersten Gäste nehmen Platz im kargen Speisesaal. Weiße Wände, einfache Stühle, der Charme einer alten Schulkantine. Tatsächlich gibt es Kirchenbänke aus den 60ern. Auch die Espressomaschine von Italo-Fabrikant Gaggia stammt aus dieser Zeit. Star ist der Pizzaofen – mit der glitzernden Identitätskrise eines Spätsiebziger-Glamrockers. Das Feuer flackert im Inneren der überdimensionierten Discokugel, wartet auf den erste Auftrag.

Ambiente, sagt Fuchs, haben andere Lokale. Ambiente würde nur ablenken von der Pizza. Karg, laut, müsse es sein, wie in Napoli. Dort ist Pizza schnelles Essen, dort hält man sich unterm Neonlicht nicht lange auf. Das ist ihr Konzept, das bringt den Umsatz, den es für die vielen Mitarbeiter braucht. Ganze zwanzig sind es in der „Disco Volante“: „Das Service muss stimmen.“

Der wahre Hit, die Pizza, ist molto originale. Rezepte und Pizzakoch hat die resche Chefin direkt aus Neapel importiert. Die würzigen Salsicce kommen aus dem Burgenland, der Rinderschinken von der Fleischerei Ringl ums Eck, die Paradeiser aus dem Süden, „weil so gute gibt es hier nicht“, sagt Fuchs. Die ordinäre Pizza Quattro Stagioni ebenso wenig.

Am 11. Juli hat die junge Wirtschaftsabsolventin mit „Disco Volante“ ihre zweite Pizzeria aufgesperrt. Zwei Jahre hat sie nach der perfekten Location gesucht. Die kecke 33-Jährige mit der überdimensionierten Brille würde sich perfekt als Gast einfügen. Zu gern wäre sie es auch, doch im eigenen Lokal kann sie der Chefinnenrolle kaum entrinnen. „Leider“, bedauert sie. Pizza isst sie dennoch fast jeden Tag.

Auf die Idee zum Konzept kam Fuchs während eines Auslandssemesters in Neapel. Das erste Lokal, die „Pizza Mari“ (Betonung auf „i“, neapolitanisch für Maria) in Wien-Leopoldstadt nahe des Karmelitermarktes, führt Fuchs seit 2008. „Immer wieder habe ich Gäste wegschicken müssen“, sagt sie. Daraus schloss sie: „Wien verträgt noch ein zweites Lokal mit diesem Konzept.“ Knapp eine halbe Stunde nach Öffnung ist fast jeder Tisch im „Disco Volante“ besetzt – mit vielen, meist jungen Leuten.

Dass der gemütlichkeitsfanatische Österreicher einen Schritt in ein Lokal mit kahlen Wänden und hallendem Raum wagen würde, war nicht sicher. Doch die Sturheit der Wienerin siegte. Sie schlug Warnungen von Freunden, Familie und Gastronomen in den Wind. Auch, nachdem ihr Bekannter, der eigentlich das „Pizza Mari“ führen sollte – „ich wollte nur den Einkauf machen“ – kurz vor Eröffnung ausstieg. Die Vorstellungen waren zu verschieden.

Schlaflose Nächte hatte die damals 28-Jährige dann schon, „und keine Ahnung, wie man das macht. Aber ich wollte das durchziehen“, sagt sie mit fester Stimme. Finanziert hatte Fuchs damals die Totalrenovierung mit ihrem Ersparten, ganz ohne Bank. „Bei der Eröffnung gab die Bankomatkarte nichts mehr her“, sagt sie. Die ersten Kunden kamen, der neapolitanische Pizzabäcker nicht immer. „Wenn er nicht aufgetaucht ist, musste ich zusperren“, erinnert sie sich. Unterstützt wurde sie bei beiden Lokalen von ihren Brüdern – ein Architekt, ein Industriedesigner, ein Anwalt.

KURIER: Warum wollten Sie ein zweites Lokal?

Maria Fuchs: Wien verträgt diese zweite Pizzeria. Und vieles geht beim zweiten Lokal leichter. Ich will auch nicht die Wirtin sein, die den ganzen Tag im einzigen Lokal Gäste empfängt. Das ist auch gar nicht mehr möglich.

Was, wenn nicht Wirtin?

Ich habe Wirtschaft studiert mit Schwerpunkt Entrepreneurship, habe viel Unternehmergeist. Ich will Konzepte entwickeln, setze aber auch gern um.

Ihre Herausforderung ist?

Die Dinge am Laufen zu halten. Und die Bürokratie.

Sie wurden damals mit 28 Chefin. Wurden Sie ernst genommen?

Man lernt, sich durchzusetzen. Den Lieferanten habe ich gezeigt, dass sie mir nicht alles verkaufen können. Aber als Chefin bin ich zu nett, denke ich.

Die nächsten Pläne?

Ich habe nebenan ein Magazin gemietet, vielleicht mache ich daraus ein Hotelzimmer.