Wirtschaft/Karriere

Die Zs und ihre Stars

Warum hab ich’s getan? Weil das die fucking Kanzlerin ist und ich ein fucking YouTuber bin", erklärt Florian Mundt alias LeFloid sein Interview mit Angela Merkel vor zwei Wochen. Das ist die gewohnt stinkige Attitüde, die so viele aber bei diesem Interview, seinem ersten von Bedeutung, vermisst haben. Es sei gefällig und fad gewesen, so die Kritiker. Die Vertreter der traditionellen Medien rieben sich die Hände – so ein Jungspund ohne journalistische Praxis darf keine Konkurrenz sein.

Realitätsverweigerung? Das Interview wurde immerhin 3,3 Millionen Mal geklickt – vor allem von Jungen. Sie schauen YouTube, nicht ARD. Merkel hat das verstanden und deswegen diesen Kanal gewählt. So könne man am besten mit der jungen Generation in Kontakt kommen, meinte sie im Interview.

Mit den Zs ist eine Generation im Anrollen, die Wirtschaft, Politik und Arbeitsmarkt künftig stark beschäftigen wird. Weil sie neue Prinzipien haben: Sie sind in der Wirtschaftskrise groß geworden, mit dem Internet verwachsen, von Helikopter-Eltern erzogen, haben weder Marken noch Unternehmen gegenüber eine emotionale Bindung, wollen ständig Feedback – wie Wirtschaftswissenschafter Christian Scholz, Autor von "Generation Z" erklärt. Andere nennen diese Generation nicht Z, sondern YouTube oder Generation Selfie. Manche zählen die ab 1990 Geborenen dazu, für andere beginnt sie ab Jahrgang 1995. Scholz zieht die Linie nicht chronologisch nach Geburtsjahr, es gehe viel mehr um Wertemuster. Google sieht das ähnlich und nennt die Generation daher "C". Ihr Profil: connected, communicating, computerised und clicking-all-the-time.

Die neuen Stars

YouTuber und Blogger sind so etwas wie die Prototypen dieser Generation. Sie sind in den Zwanzigern, lieben die Aufmerksamkeit, sind exzentrisch – und haben sich selbst zur Marke verfeinert. "Hey bros, my name is PewDiePie!", so begrüßt einer der erfolgreichsten YouTuber, der 24-jährige Schwede Felix Kjellberg, seine Zuseher zu jeder neuen Folge. Das "PewDiePie" spricht er hoch, wie eigentlich nur Prince es kann. Trotzdem, oder gerade deswegen, haben 38 Millionen Menschen seinen Kanal abonniert, sehen ihm dabei zu, wie er Video spielt.

Das muss man nicht verstehen, aber ernst nehmen. PiewDiePie verdiente 2014 fast sieben Millionen Euro. Das YouTube-Starsein ist nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern Traumberuf für viele Jugendliche: Die Anziehungskraft erklärt Christian Scholz so: "Die Jugendlichen suchen Hilfestellung, jemanden, der ihnen die Welt erklärt. Da ist die Bravo nicht mehr en vogue. Der älteren Generation, Politikern und den klassischen Medien gegenüber sind sie total skeptisch."

Gemessen wird der Erfolg von Videos und Blogs ausschließlich an der Reichweite: Je mehr Abonnenten und Klicks, desto besser kann vermarktet werden. Philipp Ikrath vom Institut für Jugendforschung sieht es kritisch, dass die Qualität eines Beitrags nur auf einer quantitativen Ebene berechnet wird. Immerhin spielen die YouTuber und Blogger in der Meinungsbildung der unter 18-Jährigen eine maßgebliche Rolle. Das geringe Interesse an politischen und gesellschaftspolitischen Themen sieht auch Wirtschaftswissenschafter Christian Scholz problematisch. Denn nicht immer braucht es viel Intellekt, Inhalt oder gar eine Botschaft für Klicks. Beispiele: Eine junge Frau erzählt von ihrem superpflegenden Lippenstift, eine andere inszeniert sich mit Dauer-Duckface auf Ibiza, ein junger Mann probiert ausländische Süßigkeiten. Aber nicht nur viele Lifestyle-Formate sind seicht, auch politische Formate würden eher auf einem Boulevard-Niveau sein, sagt Ikrath: "Politiker müssen sich nicht vor kritischen Fragen fürchten und haben leichtes Spiel, weil es den YouTubern reicht, auf ihre Fragen eine Antwort zu bekommen und damit Kommunikation zu erzeugen, deren Inhalt aber bedeutungslos ist. Hauptsache, die Kommunikation hört nicht auf zu fließen."

Hallo, Freunde

"Hello, Friends, Michael Buchinger hier!", sagt der junge Mann in die Kamera. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch, hat ein Glas Wein vor sich stehen und beginnt von Dingen zu erzählen, die ihn massiv nerven. Im Juni sind das unter anderem Nationalstolz, dumme Menschen und Ausbeutung – Augenverdrehen und Boshaftigkeit gehören dazu. Immerhin lautet der Untertitel seines Kanals "Sarkastisch und schlecht gelaunt seit 1992". In der Realität ist Buchinger weniger aufgeregt als in seinen Videos. Darauf angesprochen, sagt er: "Ich denke, ich bin auf YouTube eine überzogene Version meiner selbst." Angefangen hatte alles in seinem Kinderzimmer im Burgenland. "Es war aus Langeweile. Ich hatte kein traditionelles Hobby wie den Musikverein oder Fußballspielen, mochte Sketches, schaute YouTube und dachte, ich probier das mal aus." Sein erstes Video handelte von den absurden Ausprägungen von Selbstinszenierung und Freundschaft auf Facebook. Seine "Hassliste" ist mittlerweile ein Hit auf YouTube. Buchinger hat 73.000 Abonnenten – täglich werden es mehr. Comedy- und Satire-Kanäle sind auf YouTube besonders beliebt – wenn sie gut sind. "In erster Linie will ich unterhalten. YouTube ist das Medium für meine Witze", sagt er. Buchinger kann mittlerweile von seinem YouTube-Auftritt und dem Schreiben von Kolumnen leben. Derzeit macht er drei Videos pro Woche. An den Tagen, an denen er nicht filmt, überlegt er sich Video-Ideen, antwortet auf Kommentare und schneidet seine Beiträge. Ein sehr einsamer Prozess, wie er sagt. Was ihn erfolgreich macht? "Ich glaube, das Wichtigste ist, authentisch zu bleiben." Was dazu führt, dass YouTube-Karrieren zwangsläufig nur von kurzer Dauer sein können. "Ich glaube, dass man auf YouTube nicht alt werden kann. Irgendwann macht es keinen Spaß mehr und die Leute wollen einen nicht mehr sehen", sagt er.

Verschwinden werden YouTuber und Blogger garantiert nicht. Man kann vieles von ihnen lernen: Sie haben Selbstbewusstsein, sie stehen wieder auf, auch nachdem sie heftig kritisiert wurden. Wenn es am Ende doch nicht funktioniert, ist es für sie auch kein Beinbruch. LeFloid erklärt in einem Video: "Es gibt bestimmt auch Dinge, die dich aus der Bahn werfen. Na und? Dann wechselst du die Spur, machst was anderes. Das Leben ist bestimmt etwas anderes als ein gerader Weg nach vorne. Also von daher: Easy."

KURIER: Sie definieren die Generation Z nicht streng nach Jahrgang, sondern nach ihren Wertvorstellungen. Woran glaubt ein Z?

Christian Scholz: Da muss ich woanders anfangen: Wir haben uns jetzt eigentlich gerade mal mühsam an die Generation Y gewöhnt, die strikt nach dem Prinzip "fördern und fordern" funktioniert. Vor Kurzem hat man bemerkt, dass die Mechanismen dieser Generation Y bei den Jüngeren nicht mehr funktionieren. Erzählt man ihnen vom flexiblen Arbeiten, denken sie, das Unternehmen sei flexibel. Sagt man ihnen, sie können Karriere machen, wissen sie, dass das nur ein leeres Versprechen sein kann. Diese Generation zeichnet sich durch starken Realismus aus.

Sie schreiben, dass Zs allenfalls eine zu jeder Zeit kündbare Lebensabschnittspartnerschaft mit dem Unternehmen eingehen, sich aber nicht an dieses binden wollen.

Sie haben nicht mehr die Loyalität den Arbeitgebermarken gegenüber. Warum auch? Die Zs wissen, dass sich kein Unternehmen an Mitarbeiter bindet – und kontern, indem sie sich auch nicht emotional an ein Unternehmen binden. Das heißt nicht, dass sie von Unternehmen zu Unternehmen hüpfen. Tatsächlich würden sie gerne Dauerverträge bekommen, gerne im öffentlichen Dienst arbeiten. Jedenfalls wollen sie in einem vernünftigen Unternehmen, mit einem vernünftigen Chef, mit klarem Auftrag arbeiten. Am besten nicht in einem Großraumbüro. Sie wollen auch ein klar definiertes Ende am Tag.

Die Zs sind mit allen technischen Mitteln ausgestattet, um ständig erreichbar zu sein, von überall zu arbeiten – aber sie weigern sich?

Diese Generation ist selbstbewusst. Für sie ist ein gewisser Teil der Lebenszeit Arbeitszeit. Diese Zeit versuchen sie möglichst positiv und nutzbringend zu meistern und wollen in dieser Zeit auch leisten. Aber die Idee, dass sich jemand 24 Stunden pro Tag in ein Unternehmen einklinkt, heißt nicht, dass er mehr Leistung bringt. Das wissen sie. Sie wollen sich wohlfühlen und schließen zunehmend strikt ab. So haben sie zum Beispiel Apps, die sie nur privat verwenden, andere rein beruflich. Was schwierig ist: Sie wollen in vielen Fällen keine Führungsverantwortung übernehmen, weil dann können sie nicht um 17 Uhr abschalten. Das muss man diskutieren.

Sie wollen also alles ausverhandeln – hat das mit der vielleicht oft zu sorgsamen Erziehung zu tun?

Diese Generation ist stark behütet aufgewachsen – Stichwort: Helikopter-Eltern. Es macht als Unternehmen auch überhaupt keinen Sinn, auf alle ihre Forderungen einzugehen. Diese Generation Z ist – wie jede andere Generation – von den Rahmenbedingungen geprägt. Das ist nicht positiv und nicht negativ. Das Internet aber wird als Einflussfaktor überbewertet. Sie denken über das Internet ungefähr so viel nach, wie Sie übers Radiohören. Zs sind dauernd online – aber mit spielerischer Unbekümmertheit.

Was kann diese Generation zum Positiven verändern?

Diese Generation hat einen vernünftigen Umgang mit Arbeitszeit, mit Stress. Sie neigt zu Entrepreneurship – in gesichertem Rahmen. Deswegen sitzen die Zs auch gerne in Inkubatoren, in Co-Working-Spaces, aber nicht alleine in der Garage. Was ich auch positiv finde ist, dass die Zs miteinander überwiegend fürsorglich umgehen. Die Generation Z ist freundlich, aber ein bissl desinteressiert an uns.

Was betrachten Sie als negativ?

Mich stört, dass sie kaum Interesse an Gesellschaftskritik und Politik zeigen. Auch schwierig ist, dass sie überwiegend positives Feedback erwarten. Bei Facebook kann man ja auch nur liken, nicht disliken.