Wirtschaft/Karriere

Die Software hat keine Vorurteile

Menschen mit arabischem Nachnamen, Frauen als Führungskräfte, Jobsuchende über 50: Sie alle werden von Personalisten – bewusst oder unbewusst – tendenziell ausgesiebt. Das soll sich mit der Digitalisierung ändern: Geht es nach dem IT-Dienstleister SAP, entscheidet Software künftig darüber, wer zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird. Ganz ohne Vorurteile. Wie die Digitalisierung bei der Stellenbesetzung hilft und was solche Programme tatsächlich bringen, verrät Stefan Ries. Als globaler Personalchef bei SAP ist er für mehr als 84.500 Mitarbeiter verantwortlich.

KURIER: Sie sagen, das Recruiting verändert sich: Inwiefern denn?

Stefan Ries: Die digitale Revolution hat das Recruiting erreicht: Bewerbungsunterlagen werden digital abgegeben, Job-Interviews finden über Facetime und Videokonferenzen statt. Die Vorauswahl wird auch über Facebook und LinkedIn getroffen. Jeder hinterlässt einen digitalen Fingerabdruck im Netz. Man muss darauf achten, was und wie man postet. Es ist aber kein hartes Kriterium. Nur weil der Bewerber ein Foto von sich auf der Studentenfete postet, heißt das noch nicht, dass er nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird.

Kürzlich hat SAP die Software SuccessFactors vorgestellt, die vorurteilsfreie Bewerberauswahl garantieren soll. Wie soll das gehen?

Als Personalchef sitze ich vor den Bewerbungen, sehe Fotos, Name, Geschlecht, Herkunft, und sortiere die Lebensläufe aufgrund meiner Prägungen aus. Die Software macht das nicht. Immer wird gesagt, es gibt nicht genügend Talente. Ich sage: Es sind genug da, wir suchen nur nicht richtig.

Wie erkennt die Software denn diese Kriterien?

Anhand eines Algorithmus. Er stellt sicher, dass zum Jobprofil passende Bewerbungen nicht wegen solcher Kriterien aussortiert werden.

In der Vergangenheit wurde der Trend zu anonymisierten Bewerbungen kritisiert: Man lädt die Person zwar nach objektiver Auswahl zum Gespräch ein, doch dann entscheiden Vorurteile. Warum soll das bei Ihrer Software anders sein?

Bei den anonymisierten Bewerbungen findet Diskriminierung natürlich statt, in dem Moment, wo man sich gegenübersitzt. Man darf eine Personalentscheidung daher auch nicht einer Person allein überlassen. Die Software hat einen Vorteil: Die Vorselektion bekommt nicht nur der Personalleiter, sondern auch der Vorgesetzte, der einstellt. Den Bewerber, den das Programm ja objektiv ausgewählt hat, nicht in Betracht zu ziehen, muss man dann schon argumentieren.

Was bieten Sie den Jungen?

Der Trend geht stark in Richtung Digital Natives. Sie sind willkommen bei uns, aber wir werden nicht sagen, die anderen Generationen sind nicht wichtig.Wir haben fünf Generationen bei der SAP, der Mix macht es aus. Für die Jungen steht der Sinn und Zweck der Aufgabe viel mehr im Vordergrund als für meine Generation der Babyboomer, wo wichtig war: wie schnell kann ich Karriere machen? Die Jungen kommen zu uns und sagen, eure Datenbank in Echtzeit find’ ich spannend, damit habt ihr weltweit alle Krebsforschungszentren verknüpft, um eine bessere Medikation gegen Krebs zu finden. Das höre ich bei meiner Generation weniger.

Das heißt, die Digitalisierung hilft beim Recruiting?

Ja, der Sinn unserer Tätigkeit wird besser greifbar. Wir setzen auch Echtzeit-Technologien bei den Olympischen Spielen ein, das zieht sportaffine Bewerber an.

Gerade die IT-Branche ist schnelllebig. Wie sehen Sie das Thema Weiterbildung?

Wir investieren 2016 mehr als 140 Millionen Euro ins Thema Lernen. Auch wir haben die digitale Transformation vor uns. Das geht nur, wenn man der Mannschaft die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln. Wir geben auch Führungskräften die Möglichkeit, voneinander zu lernen. Wir machen auch eine Art Shadowing: Junge Talente laufen etwa einen Tag mit mir mit. Sie lernen von mir, aber auch ich von ihnen.