Die Lösung liegt innen
Von Nicole Thurn
„Begeisterung ist keine Heringsware, die man einpökelt auf einige Jahre.“Johann Wolfgang von Goethe
Die Geschäftsführerin eines großen österreichischen Unternehmens war neugierig. Sie wollte wissen, wie zufrieden ihre Mitarbeiter sind. Also ließ sie eine Umfrage durchführen. Das hätte sie besser nicht getan. Denn mit der Führungskompetenz der Obrigen war die Belegschaft ganz und gar nicht zufrieden. „Wir werden verhöhnt. Getan hat das Unternehmen nämlich nichts, um die Situation zu verbessern“, erzählt eine frustrierte Mitarbeiterin, die anonym bleiben will. Die Folgen: Es vergeht keine Woche, in der nicht jemand demotiviert das Unternehmen verlässt.
Sind die Mitarbeiter emotional kaum mit ihrem Unternehmen verbunden, arbeiten sie lustloser, haben weniger Ideen und bringen sich deutlich weniger ein. In Österreich fühlen sich nur 23 Prozent mit ihrem Unternehmen verbunden, wie der Gallup Engagement Index ergibt. Im internationalen Vergleich stehen die Österreicher ex aequo mit der Schweiz dennoch gut da: Nur in den USA ist die emotionale Bindung mit 28 Prozent noch höher.
Gefühle spielen eine große Rolle im Entstehen von Motivation. Begeisterung sei die Voraussetzung, sagt Gerald Hüther, Hirnforscher an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. Und klärt einen fatalen Irrtum auf: „Man kann keinen anderen Menschen motivieren. Das Motiv, sich einer Herausforderung im Job zu stellen, etwas Neues zu beginnen, muss im eigenen Gehirn generiert werden.“ Gehe eine Tätigkeit „unter die Haut“, würden Botenstoffe Dopamine und Endorphine ausgeschüttet, die wiederum Wachstumsprozesse im Gehirn auslösen – der Mensch lernt.
Geld schadet
Was im Umkehrschluss bedeutet: Was von innen kommen muss, kann nicht von außen geweckt werden. Anreize wie Dienstauto, Prämien und Boni verfehlen ihre Wirkung.
Das Prinzip Belohnung und Bestrafung ist für Hüther eine „primitive Methode aus dem vorigen Jahrhundert“: „Mit Zuckerbrot und Peitsche kann man den Mitarbeiter nur kurzfristig zur höheren Leistung bringen. Langfristig geht seine Freude an der Arbeit verloren.“ Vielmehr käme es zu einem schädigenden Effekt: Der Mitarbeiter richte seinen Fokus auf noch mehr Belohnung, die Arbeit gerate aus dem Blickfeld. „Es kann passieren, dass er versucht, Wege zu finden, um mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel von der Belohnung zu erhalten“ , erklärt Hüther.
Tun die Mitarbeiter ihren Job nur wegen des Geldes, wirke sich das auf die Leistung aus. Für die Unternehmen bedeute das: „Sie müssen ihre Anreizsysteme herunterfahren“, so Hüther.
Entscheidend für den inneren Antrieb sei laut Hüther die Befriedigung folgender Bedürfnisse: Die Menschen wollen das Gefühl haben, in ihrem Job etwas bewirken zu können – denn jeder Mensch strebe nach Autonomie. Sie wollen ihre Arbeit gut machen – denn Mittelmaß macht unzufrieden. Und sie wollen etwas tun, das für sie Bedeutung hat – denn nur dann fühlen sie sich als Teil des großen Ganzen.
Anstatt ihre Belegschaft „motivieren“ zu wollen, sollten Führungskräfte drei Dinge tun: „Sie einladen, ermutigen und inspirieren.“
Jede zweite Führungskraft demotiviert ihre Mitarbeiter. Zu diesem Ergebnis kommt die globale Unternehmensberatung Hay Group in einer aktuellen Studie unter 95.000 Führungskräften. Führung, Unternehmensklima, Motivation und Profitabilität des Unternehmens greifen laut Hay ineinander: Ein positives Klima kann die Bilanz eines Unternehmens um bis zu 30 Prozent verbessern – und das Klima hängt bis zu 50 Prozent von der Führung ab.
Ein gutes Arbeitsklima mit hoher Leistung und Motivation entstehe, wenn die Führungskräfte eine Kombination aus drei oder mehr Führungsstilen nutzten: dem visionären, dem Zusammenhalt fördernden, dem partizipativen und coachenden Führungsstil. Demotivierend sei dagegen die Beschränkung auf den direktiven und perfektionistischen Führungsstil: Hier erwartet der Chef, dass der Mitarbeiter seine Anweisungen uneingeschränkt befolgt. Kontrolle, wenig Freiraum, mangelnde Wertschätzung und schlechte Kommunikation mindern die Arbeitslust der Mitarbeiter. In Europa dominiere laut Studie zurzeit der direktive Führungsstil.
Die Maschine läuft erst dann, wenn jedes Rädchen am richtigen Platz ist. Das gilt auch für Unternehmen. Kann der Mitarbeiter seine Kompetenzen im Job voll einbringen, sein Potenzial am Arbeitsplatz entfalten und sich weiterentwickeln, ist er motiviert, sich zu engagieren. Studien – beispielsweise des „Flow“-Forschers Mihaly Csikszentmihalyi – zeigen, dass Herausforderungen die innere Motivation steigern. Die Aufgaben dürfen weder zu einfach noch zu schwierig sein.
Schon Mitte des vorigen Jahrhunderts fand Motivationsforscher Frederick Herzberg heraus, dass die richtige Wahl des Arbeitsinhalts den inneren Antrieb der Mitarbeiter fördert. Damit verbundener Erfolg, Anerkennung für Leistung, Verantwortung und die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg seien motivierend.
Könnten die Mitarbeiter ihre Bedürfnisse in der Arbeit nicht befriedigen, würde das zu Demotivation führen, erkannte Herzbergs Zeitgenosse, US-Psychologe Douglas McGregor. Die Folgen seien „... Trägheit, Passivität, Verantwortungsscheu; sie sträuben sich gegen Veränderungen, sind anfällig für Demagogen und stellen geradezu absurde Ansprüche nach ökonomischen Vorteilen“.
Da können die Kollegen noch so nett, die Chefs noch so fähig sein: In einem finsteren Büroloch mit Aussicht auf eine Mauer, im schlecht durchdachten Großraumbüro mit dem Lärmpegel einer Autobahn wird dem engagiertesten Mitarbeiter die Lust am Arbeiten vergällt.
Das unterstreichen auch Ergebnisse des Forschungsprojekts „Efficient Office“ der Fraunhofer-Gesellschaft und der Innenausbaufirma renz solutions mit drei deutschen Hochschulen. Erforscht wurde, wie sich die physikalische Arbeitsumgebung auf die Intelligenzleistung, Konzentration und Motivation der Mitarbeiter auswirkt. Die Ergebnisse: Eine ideale Beleuchtung im Sehfeld reduziert Ermüdungserscheinungen, eine optimale Raumtemperatur und Luftfeuchte erhöhen Wohlbefinden, Aktivität und Motivation. Die Reduktion der Lärmpegel auf 35-45 Dezibel führe zu einer erheblich besseren Intelligenzleistung. Schon telefonierende Kollegen würden Konzentrationsfähigkeit und Denkleistung empfindlich stören. Laut renz solutions liegt der durchschnittliche Lärmpegel in Gruppenbüros allerdings bei 62 Dezibel.
Ein guter Arbeitgeber muss sich als guter Arbeitgeber verkaufen. Dafür sorgt Employer Branding. An der WU Executive Academy werden zurzeit in einem Zweiländer-Zertifikatskurs erstmals Employer Brand Manager ausgebildet. Was sie tun und was es bringt, erklärt Dieter Scharitzer, WU-Professor am Institut für Marketing-Management an der WU Wien.
KURIER: Es gibt sogar Preise für gute Arbeitgeber, etwa Great Place to Work – tun die Firmen hier genug?
Dieter Scharitzer: Die Mitarbeiterzufriedenheit ist nur ein Aspekt. Employer Branding setzt ganz oben im Management an und ist ein strategischer Prozess, um die Arbeitgebermarke nach innen und außen zu positionieren. Ein Statement in der nächsten Werbekampagne reicht hier nicht. Aber Dienstgeberattraktivität ist Thema geworden.
Red Bull gilt unter Studierenden als attraktivster Arbeitgeber, wie die neue Universum-Studie zeigt.
Studierende zu befragen, wo sie arbeiten möchten, ist noch kein Employer Branding. Red Bull hat ein cooles Image, perfekte Markenführung, aber es hat keine Arbeitgebermarke. Die Frage ist: Warum bin ich als Arbeitgeber interessant, was habe ich Bewerbern zu bieten? Die Arbeitgebermarke muss Teil der Unternehmensmarke sein. Die Frage ist, wie ein Unternehmen in seiner Rolle als Arbeitgeber wahrgenommen werden will.
Wirkt die Arbeitgebermarke auch auf das Firmenimage?
Ja. Ein Schlecker, der mit der Gewerkschaft im Zwist liegt, hat auch allgemein kein gutes Image. McDonald’s hat über Werbespots versucht, sein Image der McJobs loszuwerden.
Sie bilden Employer Brand Manager aus. Welche Rolle haben sie?
Sie sind für die Positionierung der Arbeitgebermarke zuständig, haben eine Querschnittsaufgabe in Kommunikation, Marketing und Personalführung. Unsere Absolventen kommen aus dem HR-Bereich, aber auch Kommunikationsleute wären gut geeignet. Wichtig ist: Sie setzen nicht einzelne Projekte um, sondern steuern und entwickeln den Prozess.
Um damit zu werben, muss das Unternehmen doch schon einiges für Mitarbeiter umgesetzt haben?
Der Weg ist das Ziel. Employer Branding ist eine programmatische Ansage für die nächsten Jahre. Als erstes zwingt es Unternehmen, in den Spiegel zu schauen.
Ein Betriebsmasseur, der Wuzzlertisch: Sind das Themen für Employer Branding?
Der Masseur, die Geschäftsführerin, die sich in der Kantine zum Mitarbeiter setzt, haben Symbolcharakter für die Unternehmenskultur. Das kann man in Werbung und Marketing inszenieren. Es besteht die Gefahr der Überinszenierung: Stimmt das Bild nicht mit der Realität überein, wird es peinlich. Lügen haben hier kurze Beine.
In welchen Branchen gewinnt Employer Branding an Bedeutung?
In Konzernen geht es um die Unternehmenskultur, Identität. Auch für B2B-Firmen auf Spezialistensuche kann es interessant sein. Und für Unternehmen, die wegen Fachkräftemangel und Wachstum dringend Leute suchen. Aber es ist auch zur Sensibilisierung gedacht: Es gibt kaum ein Unternehmen, das kein Kulturproblem hat.