Damian Izdebski: „Fachkräfte können sich’s aussuchen“
Von Ornella Wächter
KURIER: Alle sprechen vom Fachkräftemangel in der IT. Sie haben im Juni 2015 die IT-Dienstleistungsfirma Techbold gegründet, heute beschäftigen Sie 40 Mitarbeiter. Hatten Sie keine Probleme geeignetes Personal zu finden?
Damian Izdebski: Die Zeit läuft wirklich davon (lacht). Am Anfang waren wir ein bisschen auf der Suche nach einem Geschäftsmodell, letztendlich ist unser Hauptstandbein aber die Planung und Betreuung der IT-Infrastruktur von KMU. Der Zuspruch unserer Kunden hat uns überrollt, den können wir mit dem aktuellen Mitarbeiterstand nicht abdecken. Wenn es genügend IT-Techniker gäbe, würde ich sofort zehn Leute anstellen. Es ist aber schwierig, Leute zu finden.
Haben in Österreich noch viele KMU Bedarf, sich digital besser aufzustellen?
Kleine bis mittlere Unternehmen sind IT-mäßig nicht gut aufgestellt. Viele werden von selbstständigen Freelancern betreut und befolgen das Feuerwehrprinzip: wenn es brennt, kommt der Techniker und löscht das Feuer. Aber die Komplexität wird auch bei kleinen IT-Anlagen immer größer. Einen Allrounder, der alles heilt, gibt es nicht mehr. Man braucht mittlerweile in jedem Kernbereich einen Spezialisten.
Kundenbetreuung erfordert aber auch fixe Arbeitszeiten, viele junge Menschen suchen heute nach flexiblen Arbeitsmodellen. Kommt das vielleicht erschwerend hinzu?
Teleworking oder Homeoffice-Arbeit wären in vielen Bereichen denkbar. Wir aber brauchen ein verlässliches Kernteam. Auf der anderen Seite: Nicht alle wollen in die Selbstständigkeit, sondern suchen eine gute Arbeitsumgebung, gute Entlohnung und ein kollegiales Umfeld.
„Gute Leute in der IT fehlen in allen Ländern. Fachkräfte aus Deutschland haben es gar nicht nötig, ihren Lebensmittelpunkt zu verlegen, um einen Job zu finden.“
In Österreich können laut der WKO 5.000 IT-Stellen (je nach Zählart sogar 10.000) nicht besetzt werden. Die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte sollte dem Fachkräftemangel Abhilfe schaffen. Merken Sie den Effekt?
Das betrifft mehr den Bereich der Softwareentwickler. Weil wenn es um Backend-Entwickler geht, braucht man die deutsche Sprache nicht. Es wird sicher einfacher, welche zu finden, wenn die Zugangsbarrieren reduziert werden. Was man aber nicht unterschätzen darf: Fachkräfte aus den osteuropäischen Ländern verdienen in ihren Heimatländern genauso gut wie hier und das bei deutlich niedrigeren Lebensunterhaltungskosten. Die Zeiten, wo man 3.000 Euro Gehalt zahlt, und glaubt, die Leute kommen in Scharen, sind vorbei. Geld allein motiviert nicht mehr, nach Österreich zu kommen.
Der Präsident des Verbandes Österreichischer Software Industrie hat einmal gesagt: „Wir haben ein Diva-Problem“ – Bewerber sollen oft zu viel Gehalt fordern und zu teuer für KMU sein. Stimmt das?
„Diva“ zu sagen wäre übertrieben. Unter 150 Bewerbern hatten wir nur zwei oder drei Frauen, das ist schon eine Männerwelt. Aber ja, vereinzelt gibt es Techniker, die glauben, sie wären die Besten. Aber nach zehn Minuten im Fachgespräch erkennt man ziemlich schnell, ob sie es auch sind. Der Kollektivvertrag für IT-Fachkräfte ist nicht der günstigste, aber fair. Die Erfahrung in der IT spiegelt sich extrem im Gehalt wider. Ein Unternehmen muss heute bereit für Überzahlungen sein.
Auf Ihrer Homepage sind derzeit fünf Vollzeit-Jobs ausgeschrieben, alle erfordern eine hohe Qualifikation. Wie läuft die Suche?
Während in der Start-up Szene vor allem App-Entwickler und Programmierer gesucht werden, brauchen wir Security-Techniker, die sich mit Firewalls auseinandersetzen oder Server-Spezialisten in komplexen Daten-Migrationen, die Daten aus alten Servern auf neue übertragen. Die Leute, die wir suchen, müssen schon ein paar Jahre Erfahrung haben. Aktuell führen wir zehn Vorstellungsgespräche in der Woche. Das klingt nach viel, aber nicht immer, wo IT-Techniker draufsteht, ist auch einer dahinter. Zudem: Wir können nicht auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen, da bei uns 80 Prozent der Betreuung auf Deutsch ist, die Systeme und die Programme laufen auch auf Deutsch. Unser Suchradius ist also eingeschränkt.
Experten zum Thema Datensicherheit, Datenaufbereitung und -analyse könnte man auch in Deutschland suchen.
Die Deutschen haben ein vergleichbares Problem: Gute Leute in der IT fehlen in allen Ländern, da die Digitalisierung überall voranschreitet. Technische Mitarbeiter werden sowohl von den Dienstleistern gesucht als auch von größeren Konzernen. Fachkräfte aus Deutschland haben es damit gar nicht nötig, ihren Lebensmittelpunkt nach Österreich zu verlegen oder sich von ihrer Familie zu trennen, um einen Job zu finden. Sie können sich aussuchen, wo sie arbeiten.
Ein Problem ist auch, dass in Österreich zu wenig Leute ausgebildet werden, im Informatik-Studium gibt es hohe Drop-outs.
Die Besten die wir haben, haben einen technischen Hintergrund, eine IT-Lehre oder einen HTL-Abschluss. Wenn diese ein paar Jahre irgendwo gearbeitet haben, sind es oft sensationelle Techniker. Es bedarf keiner langjährigen akademischen Ausbildung, also haben die wenigsten einen Uni-Abschluss. IT-Fachkräfte sind im Prinzip die modernen Handwerker.