Chefinnen in der Warteschleife
Von Ulla Grünbacher
Die Frau, die das erlebt, muss erst geboren werden: Der Anteil an weiblichen Führungskräften steigt im Schneckentempo, Gleichstellung gibt es noch lange nicht. Nur 13 Prozent der weltweiten Top-Unternehmen erwarten in den kommenden fünf Jahren einen deutlichen Anstieg des Frauenanteils in der Führungsetage. Das zeigt eine Umfrage des Beratungsunternehmens EY unter 350 Führungskräften in 51 Ländern.
Das Ergebnis zeigt auch, dass die Probleme hausgemacht sind: Gerade einmal 18 Prozent der Unternehmen verfügen über Programme, um Frauen zu fördern. Nicht einmal die Hälfte der Unternehmen definieren Messgrößen, um die Fortschritte von Frauen auf ihrem Karriereweg zu verfolgen. Und nur jedes fünfte Unternehmen verfügt über Programme zur Weiterentwicklung von Mitarbeiterinnen. Überdurchschnittlich viele Förderprogramme gibt es im Bankensektor – 27 Prozent der Befragten rechnen mit mehr Frauen an der Spitze – gefolgt von der Automobilbranche. Schlusslicht ist die Versicherungswirtschaft, nur sechs Prozent rechnen in diesem Bereich mit einer diesbezüglichen Veränderung.
Eine Prognose
Eine Prognose des World Economic Forum geht sogar von 117 Jahren bis zum Erreichen von Geschlechterparität aus. "Wir brauchen Quoten in der Privatwirtschaft. Wir können nicht hundert Jahre warten, bis die Gleichstellung erreicht ist", kommentiert SP-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek das Ergebnis der EY-Umfrage. Der Anteil der Frauen, die der Bund in staatsnahe Unternehmen entsendet, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und liegt bei 38 Prozent. Doch in der Privatwirtschaft schaut es anders aus. Die jüngste Untersuchung der Arbeiterkammer sieht nur knapp über sieben Prozent der Chefposten in Österreich in weiblicher Hand. Der Anteil steigt langsam. "Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Unsere Umfrage hat aber gezeigt, dass die größten Unternehmen in den wichtigsten Branchen weit davon entfernt sind, die Vorteile beider Geschlechter zu nutzen", sagt Bruno Chiomento, CEO von EY Schweiz. Die EU hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Trend zumindest zu beschleunigen: Bis 2020 soll es in allen EU-Ländern eine verpflichtende Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten geben.
Die Ursachen für das Ungleichgewicht hängen von der Perspektive ab. Frauen machen die Bevorzugung männlicher Kandidaten und den unternehmenskulturell verfestigten Mangel an Unterstützung dafür verantwortlich (je 28 Prozent), gefolgt von der mangelnden Vereinbarkeit von Kindern und Karriere als Ursache. Männliche Chefs sehen die Sache anders. Für 43 Prozent der Befragten scheitert es an geeigneten Kandidatinnen, bei den Frauen sehen das hingegen lediglich sieben Prozent so.