Wirtschaft/Karriere

Büro-Konflikt: Wir müssen reden

"Wir können nicht nicht kommunizieren", sagte einst Kommunikationsforscher Paul Watzlawick. Wir können aber auch ganz gut ganz schlecht kommunizieren. Dann lästern wir hinter dem Rücken der Kollegen. Dann herrscht oben in den Vorstandsetagen nicht mehr dünne, sondern dicke Luft. Dann schwelen und brodeln Konflikte so lange im zwischenmenschlichen Untergrund, bis sie ihr Ausbruch nicht mehr aufzuhalten ist.

Weil Mitarbeiter nicht rechtzeitig die Aussprache suchen, entstehen den österreichischen Firmen pro Jahr Kosten in Millionenhöhe. Die Experts Group Wirtschaftsmediation schätzt die Konfliktkosten pro Mitarbeiter und Jahr auf rund 650 Euro. Etwa 10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit werden für Streit und Ärger verschwendet, besagen Studien von KPMG in Deutschland unter Managern aus der Industrie.

Das bedeutet nicht, dass allerorts Konflikte offen ausgetragen werden. Gerade im Job will man professionell bleiben und sich nicht die Blöße einer Auseinandersetzung geben. "Viele Menschen sind konfliktscheu", sagt Management- und Konfliktcoach Sonja Schloemmer. Konflikte zu verdrängen, würde sie aber nicht lösen – "irgendwann brechen sie doch aus, im schlimmsten Fall wird das Unternehmen geschädigt". Destruktiv wird es, wenn man über andere lästert, schlimmstenfalls mit einem Kollegen nicht mehr zusammenarbeiten will. Oder man aus Ärger die Anweisungen des Vorgesetzten nicht umsetzt, Dienst nach Vorschrift macht und sich in Meetings kontraproduktiv verhält. Das passiert auf individueller Ebene aus der Unfähigkeit, Meinungsverschiedenheiten ansprechen, die eigenen Bedürfnisse artikulieren und Grenzen setzen zu können. Das passiert aber auch auf Ebene der Unternehmenskultur.

Der US-amerikanische Management-Experte Patrick Lencioni identifiziert fünf Dysfunktionen in Teams, die mit Kommunikationsproblemen zu tun haben:

1. Mangel an Vertrauen: Die Mitarbeiter verschließen sich, verbergen ihre Fehler, Unsicherheiten und Schwächen vor den anderen.

2. Angst vor Konflikten: Ideen und Meinungen werden nur halbherzig oder gar nicht eingebracht. Ein echter Austausch wird blockiert.

3. Fehlen von Verbindlichkeit: Da man seine wahre Meinung und seine Ideen nicht eingebracht hat, wird man die Entscheidung auch nicht mittragen. Die Verbindlichkeit dazu fehlt und damit auch das Engagement, maximal gibt es Gehorsam.

4. Mangel an Verantwortung: Für die Umsetzung der Entscheidung fühlt sich niemand verantwortlich. Im schlimmsten Fall wird sie sabotiert.

5. Nachlässigkeit: Statt das Ziel gemeinsam zu verfolgen, achtet jeder nur auf den eigenen Vorteil.

Offen

Ein Konflikt kann aber auch konstruktiv sein, "weil er neue Möglichkeiten aufzeigt", sagt Schloemmer. Solange man ihn anspricht und dabei respektvoll bleibt. Das sieht auch Christian Krpoun, CEO der Wiener Kommunikationsagentur currycom so, der eine offene Diskussionskultur pflegt: "Wir fordern unsere Mitarbeiter auf, zu sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Das führt zu besseren Ideen." Auch im Management geht es hin und wieder emotional zu. "Ich finde es aber befruchtend, irgendwann kommen wir auf einen Konsens", erzählt Krpoun. Den Zusammenhalt hat das sogar gestärkt: currycom wurde kürzlich als Bester Arbeitgeber Österreichs unter den Kleinstfirmen ausgezeichnet. Basis war unter anderem eine anonyme Befragung der Mitarbeiter.

Dass die Führungskräfte der Schlüssel zum positiven Kommunikationsklima sind, zeigt auch das Beispiel von Anton Leitner. Seit zehn Jahren ist er CIO beim Molkereiproduzenten NÖM. "Wir sind wahrscheinlich die einzige IT-Abteilung in Österreich, in der über Gefühle geredet wird", lacht er. Vor dreieinhalb Jahren hat Leitner die interne Kommunikation radikal geändert. Damals funktionierte zwar alles reibungslos: "Ich übte auf die Mitarbeiter Druck aus und sie waren gehorsam." Dennoch war er unzufrieden im Job.

Bei der Ursachenforschung stieß er auf die gewaltfreie Kommunikation und begann, Marshall B. Rosenbergs Prinzipien umzusetzen: Er beobachtete folglich sein Gegenüber, statt zu bewerten. Wenn er sich über einen Mitarbeiter ärgerte, ging er seinem eigenen dahinterstehenden Bedürfnis auf den Grund – und dem möglichen Bedürfnis des anderen, das wiederum dessen Verhalten verursachte. Er erkannte: Der Ärger verschwindet mit dem Verständnis. Er kaufte jedem seiner 14 Mitarbeiter das Rosenberg-Buch und reflektiert seither mit ihnen im wöchentlichen Meeting über Kommunikation. Er führte Dialogrunden ein: Jeder Mitarbeiter darf reden, ohne von den anderen unterbrochen zu werden. "Der, der sonst schreien würde, muss zuhören. Der, der früher nie zu Wort kam, kommt zu Wort. Man kommt dadurch auf viel bessere Lösungen", erzählt er begeistert.

Wutentbrannte ITler, die sich stundenlang beschweren, weil Anrufer sich über die IT beschwert hatten, sucht man heute in Leitners Abteilung vergebens. Dem Gehorsam ist Engagement gewichen. Auch die Zahl der Krankenstandstage hat abgenommen, sagt er. "Heute bin ich zufrieden, weil meine Mitarbeiter zufrieden sind", sagt Anton Leitner.

Sonja Schloemmer coacht Führungskräfte in Sachen Kommunikation und Konflikt.

KURIER: Warum tun wir uns im Job schwer damit, Konflikte anzusprechen?
Sonja Schloemmer:
Das Schwierige ist, die Person und das tatsächliche Konfliktthema getrennt voneinander zu behandeln. Man braucht eine bestimmte Lösungskultur im Unternehmen – Menschen, die es privat schaffen, Konflikte anzusprechen und Grenzen zu setzen, tun das aber in der Regel auch im Job. Diese Kompetenz ist wichtig, denn erst durch das gemeinsame Lösen von Unterschieden entsteht eine tragfähige Beziehung.Viele Menschen sind allerdings harmoniebedürftig und konfliktscheu. Das ist destruktiv, führt zu latenten Emotionen, der Konflikt eskaliert irgendwann. Im schlimmsten Fall schadet man dem Unternehmen – nur weil man dem anderen schaden will.

Wie entstehen Konflikte im Job?
Konflikte entstehen, wenn es zu Werteverletzungen kommt. Dadurch ist schnell Emotion im Spiel. Beispielsweise geht es um Vertrauensverlust der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber, etwa durch Kündigungswellen in der Vergangenheit oder Misstrauenssignale wie Compliance und Zeiterfassung. Ohne die Vertrauensbasis wird es schwierig, Konflikte rasch und offen anzugehen.

Wie bereitet man sich auf ein Konfliktgespräch vor?
Man sollte konstruktiv bleiben. Am besten überlegt man sich Optionen, die auch für den anderen von Nutzen sind. Oft gibt es gemeinsame Interessen, die nur verschüttet sind. Bei Konflikten unter Kollegen ist es Aufgabe der Führungskraft, sich als Mediator einzuschalten oder einen solchen zur Verfügung zu stellen.