Bosek: "Kein Knacks, weil Mama arbeitet"
Von Andrea Hlinka
Frau kann sich ihre Karrierechancen auf dem dicker werdenden Bauch aufzeichnen. Denn sind Kinder da, geht sie zuerst in Karenz, später in Teilzeit. Mann macht in dieser Zeit Überstunden und vielleicht sogar Karriere. Dass die Rollenverteilung in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern noch immer sehr starr sind, zeigt ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der am Dienstag veröffentlicht wurde. Ideen, um Kinder und Beruf besser zu vereinbaren, gibt es aber auch im konservativen Österreich. Eine davon stammt von der Erste Bank: Ein Fonds soll Eltern die Vollzeitarbeit ermöglichen, indem für die Kinderbetreuung bis zu 500 Euro zugeschossen werden. Später ist die Bank dafür am Gehalt beteiligt. Ein Gespräch mit Peter Bosek, Privatkundenvorstand der Erste Bank Österreich, über den Versuch Kinder, Beruf und Risiko zu vereinbaren.
KURIER: Ihr Fonds "Fund of Excellence" investiert nun in die "Karriere mit Kind" Wie viel Karriere verträgt ein Kind?
Peter Bosek: Ich glaube, dass Kinder auch mit zwei karriereorientierten Eltern total glücklich werden können, wenn das gut organisiert ist. Manche Frauen haben aber nach wie vor ein schlechtes Gewissen, wenn sie Vollzeit arbeiten gehen, weil es noch immer nicht die gesellschaftliche Norm ist. Aber ich glaube ehrlich nicht, dass Kinder einen Knacks haben, nur weil die Mama arbeiten geht. Kinder sind auf eine erfolgreiche Mama durchaus stolz.
Eine neue Studie aus Harvard will das sogar belegt haben: Töchter von berufstätigen Müttern würden später zügiger aufsteigen und mehr verdienen.
Ich kenne die Studie und ich glaube daran. Kinder leiden ja auch nicht darunter, wenn der Vater Karriere macht. Aber bitte: Wenn jemand keine Karriere machen will und sich den Kindern widmet, ist das auch zu 2000 Prozent okay. Es ist nicht unsere Aufgabe als Bank, ein Lebensmodell zu bewerten. Unsere Aufgabe ist es, Lösungen für jedes Modell anzubieten.
Welchen Effekt wollen Sie damit auf die Gesellschaft haben?
Wir haben das Problem gesehen, dass vor allem Frauen oft wegen der Kinderbetreuung in Teilzeit gehen und dass das ein Karriereknick ist. Es ist der Versuch, einen sinnvollen Beitrag zu leisten für ein gesellschaftliches Thema, das am Tisch liegt.
Wen wollen Sie ausgleichen? Die mangelnde Kinderbetreuung? Die Gesellschaft? Die fehlende Flexibilität der Firmen?
Hier geht es nicht um Korrekturmaßnahmen, sondern umneue Wege. Wir alle sind für gesellschaftliche Probleme verantwortlich – öffentliche Hand, Unternehmen und Zivilgesellschaft. Die Probleme haben eine Komplexität erreicht, die nicht einer alleine lösen kann. Es müssen alle einen Beitrag leisten.
Wäre Ihre Karriere in Teilzeit so verlaufen?
Nein, höchstwahrscheinlich nicht. Ob es mir leid tut, dass ich nicht in Karenz war? Ja. Ich habe zwei Buben mit 15 und 17 und natürlich wäre es schön gewesen, einige Monate bei ihnen zu Hause zu bleiben.
Sie sagen, es hängt von der Persönlichkeit und von guten Karriereaussichten ab, ob jemand aus diesem Fonds schöpfen darf. Eine Bürgschaft oder Besicherung ist nicht notwendig, wie etwa bei einem Kredit. Wie definieren Sie "gute Karriereaussichten"?
Wir versuchen das so gut wie möglich einzuschätzen: Wir haben ein Online-Assessment, ein persönliches Gespräch und es muss einen Karriereplan geben. Wir gehen mehr Risiko ein als bei einem Kredit. Das heißt, wir müssen uns auch ernsthaft bemühen, die Chance auf Realisierung der Karriereabsichten abzuschätzen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mit dieser Einschätzung falsch liegen?
Natürlich können wir nicht zu hundert Prozent gewährleisten, dass jemand Karriere machen wird. Da es keine Vergleichsmodelle gibt, ist das schwer einzuschätzen. Unsere Lernkurve beginnt heute.
Die Erste Bank holt sich ab einem Einkommen von 1200 Euro brutto zurück, was vorher zugeschossen wurde. Hat man mit 1200 Euro brutto Karriere gemacht?
Erst wenn das Gehalt unter 1200 rutscht, sind wir nicht beteiligt. Wenn unsere Kandidaten am Anfang 1200 verdienen, gar kein Problem. Wenn sie nach unserer Investition noch immer 1200 verdienen, haben wir als Bank versagt.
Zu welchem Zinssatz? In welcher Höhe sind die Rückzahlungen?
Wir vereinbaren das ganz individuell. Aber noch einmal: Es ist kein Kredit.
Wie viele Personen will man fördern?
Wir haben uns da nicht bewusst ein Ziel vorgenommen. Wenn wir in ein paar Jahren ein Volumen von zehn Millionen hätten, wäre das ein Erfolg.
Sie sagen, die Idee ist ähnlich wie bei einem Start-up. Bei einem Investment in ein Start-up geht es jedoch in der Regel um einen guten Exit, also darum, irgendwann viel Geld zu verdienen. Wieso wählt man diesen Vergleich? Wollen Sie an Familien verdienen?
Punkt eins: Der Vergleich kommt daher, dass ich ein großer Start-up-Liebhaber bin. Mir taugt das wahnsinnig. An dem Wort-Wirr-Warr bin also ich schuld. Punkt zwei: Ich sage nicht, dass wir alles herschenken. Natürlich will ich auch Geld verdienen. Sonst wären wir als Bank unglaubwürdig. Ich glaube aber, dass das nicht daran hindert, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Wird dieser Fonds die Welt komplett verändern? Nein. Aber es ist ein Schritt in eine Richtung. Es sind eh alle in dieser Depri-Stimmung. Wir können uns nicht zu Tode raunzen. Wir müssen gemeinsam neue Sachen ausprobieren, um das hinter uns zu lassen. Zudem: wir wollen und können unsere Regierung nicht aus ihrer Verantwortung nehmen.
Peter Bosek wurde 1968 in Wien geboren und studierte Jus an der Uni Wien. Er war Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Juristischen Fakultät der Universität.
Seit 1996 ist Peter Bosek bei der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG tätig. Seit 2007 ist er Mitglied des Vorstandes der Erste Bank. Von 1996 bis 2005 war er zudem Lektor an der Universität Wien und an der Verwaltungsakademie des Bundes. Peter Bosek ist verheiratet und hat zwei Kinder.