Wirtschaft/Karriere

„Beim Kompromiss verlieren alle“

Jack Nashers neues Buch „Deal“ ist soeben erschienen. Der gefragte deutsche Wirtschaftspsychologe und Vortragende spricht im Interview über gute Angebote, böse Alternativen und warum beim Kompromiss in der Regel alle Beteiligten verlieren.

KURIER: Ihr Buch „Durchschaut“ über Lügen-Entlarven ist ein Bestseller. Sind Sie ein guter Lügner?

Jack Nasher: Klar. Wenn man weiß, wie man Lügen entlarvt, kann man auch gut lügen.

Im neuen Buch „Deal“ geht es ums Verhandeln. Welche Rolle spielt da das Lügen?

Beim Verhandeln wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Vor allem, wenn es um angebliche bessere Angebote der Konkurrenz geht. Sie zu entlarven ist viel wert.

Wie geht das?

Indem man nach Verhaltensänderungen Ausschau hält: Verhält er sich anders, wenn er darüber spricht?

Wie verschafft man sich einen Vorteil beim Verhandeln?

Es gilt: Den Preis stets hoch ansetzen, wenn man verkauft, und extrem niedrig, wenn man kauft. Der erste Eindruck muss hart sein. Dann kann man dem Verhandlungspartner in Schritten entgegenkommen – erst in einem großen, dann in immer kleiner werdenden Schritten. Das symbolisiert dem anderen, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Viele machen das falsch, fangen mit einem fairen Preis an, an dem dann nicht viel zu rütteln ist. Der Verhandlungspartner hält das für unfair. Das Gegenüber muss das Gefühl haben, das Ergebnis beeinflussen zu können. Man muss Offenheit signalisieren.

Beim Verhandeln geht es um Macht, sagen Sie. Was tun, wenn ich vom Status her der Unterlegene bin – z. B. in Gehaltsverhandlungen?

Jeder denkt, der andere hat die Macht, denn: Wir sehen unsere Ängste und Zwänge, aber nicht die des anderen. Dabei haben wir mehr Macht, als uns bewusst ist.Wenn wir mehr Gehalt wollen, denken wir, andere machen den Job für weniger Geld. Der Chef will aber den guten Mitarbeiter nicht verlieren. Wir müssen uns der Einzigartigkeit unseres Verhandlungsgegenstandes bewusst werden.

Sie sagen, ein Kompromiss ist eine Lose-lose-Situation – warum?

Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange, die Mutter teilt sie in zwei Hälften. Tatsächlich will die eine den Saft, die andere die Schale für den Kuchen. Statt sich über die Interessen auszutauschen, will keiner nachgeben. Kompromisse sind schlecht – ich gebe was auf, du gibst was auf. Es sollte heißen: Du gibst mir, was ich will. Und ich gebe dir, was du willst. Der Königsweg ist nicht der Kompromiss, sondern die Kooperation.

Wenn der andere mich aber als Gegner sieht, bleibt mir doch auch nichts anderes übrig?

Klar, wenn es nur ums Geld geht, kann man den Kuchen nicht vergrößern. Doch je mehr ich auf den Tisch lege, desto besser ist die Chance auf einen guten Deal. Beim Autokauf z. B. verhandelt man in der Regel den Preis. Viel besser ist: Ich zahle mehr, kriege aber Winterreifen und eine Garantie dazu. Etwas, was dem anderen wenig wert ist, aber mir viel, nehme ich in die Verhandlungen mit rein.

Was tun, wenn der andere unverschämt wird, mich wütend macht?

Uns ärgert meist nicht, was der andere macht, sondern unsere Erklärung für sein Verhalten. Wenn ich das weiß, reagiere ich nicht wie ein Raubtier, sondern gehe den Dingen erstmal auf den Grund. Das ändert viel.

Sie sagen, wir sollen uns ein Beispiel an Kindern nehmen. Warum?

Kinder fangen immer mit unverschämten Forderungen an und kriegen so, was sie wollen. Oder sie rennen zum Papa, wenn Mama Nein sagt. Wenn man etwas will, sollte man ganz unten in der Hierarchie anfangen, nicht ganz oben. Hat man ein Nein, gibt es noch die nächste Instanz. Doch wenn der Chef Nein sagt, dann ist es aus.