Beantworte die eMails im Urlaub, erst dann ist Ruhe
Von Nicole Thurn
Der Urlaub naht, der Blutdruck peitscht in die Höhe. Nicht wegen der Vorfreude auf neckische Wasserballspiele auf den Bahamas. Oder auf den aufregenden Elefantenritt durch den Dschungel Kambodschas. Auch nicht wegen der geplanten Wüstendurchquerung mit Kidnapping-Garantie oder wegen des panikauslösenden 25-Stunden-Flugs. Der Stapel an unerledigten Aufträgen auf dem Schreibtisch lässt das Herz höher schlagen. Der Projektbericht, der übermorgen – unbedingt! – fertig sein muss. Urlaub kann ordentlich stressen. Vorher, danach, währenddessen. Wie man dem Stress ein Schnippchen schlägt, erklärt Gesundheitspsychologin Dagmar Stanzig.
Urlaub: kürzer, dafür öfter
Die Länge des Urlaubs hat keinen Einfluss auf die gefühlte Erholung, haben verschiedene Studien ergeben. Am größten ist die Erholung in den ersten drei bis vier Tagen, fand der österreichische Erholungsforscher Gerhard Blasche heraus. Stanzig rät zu mehreren Kurzurlauben im Jahr. „Ein Mal drei Wochen lang und dann lange Zeit nichts fördert den Stress“, sagt sie. Die Durststrecke zur nächsten Erholungsphase sei zu lang, davor und danach würde umso mehr Arbeit anfallen.
Kein Sturm vor der Ruhe
Das Gros der Menschen arbeitet vor Urlaubsbeginn, als gäbe es keine Wiederkehr. „Am letzten Tag vor Abflug zu arbeiten und dann spätabends zu packen, ist eine Garantie für Stress“, sagt Stanzig. Besser: Sich einen „Vorurlaub“ von ein bis zwei Tagen gönnen. Zum Runterkommen und Organisieren.
Abschalten, aber langsam
Im Urlaub angekommen, will man nach den stressreichen Wochen zuvor nur eines: Abschalten und Ruhe. „Doch reines Nichtstun kann negative Folgen haben“, sagt Stanzig. Bremst man den Stresspegel von 180 abrupt auf null, lässt der Körper plötzlich jegliche Anspannung aus. „Nichtstun kann so zur gleichen Ausschüttung von Stresshormonen führen wie starker Stress“, sagt Stanzig. Die Folge: Freizeitkrankheiten. Grippale Infekte, sogar Herzinfarkt sei möglich. „Gerade die ersten Tage sollte man daher aktiv bleiben, Bewegung machen“, sagt Stanzig. Auch Studien zeigen: Ein abwechslungsreicher Aktivurlaub bringt am meisten Erholung.
Arbeiten, wenn man muss
Jeder dritte Österreicher beantwortet im Urlaub bis zu drei Stunden täglich eMails und Anrufe, besagt eine aktuelle Studie des Büro-Einrichters Regus. 14 Prozent arbeiten im Urlaub gar so viel als wären sie im Job. Arbeitsstress im Urlaub sollte nicht die Regel sein, sagt Stanzig, „aber wenn es zur Firmenkultur gehört, erreichbar zu sein, sollte man es tun“. Sich das selbst zu verbieten, habe gerade bei Menschen wenig Sinn, die sich stark über Leistung definieren. Schlechtes Gewissen und das ständige Denken an die Arbeit seien die Folge. Um das zu vermeiden, lieber doch die eMails checken – aber dazu „vor dem Urlaub bestimmte Zeiten mit dem Chef vereinbaren“.
Danach in Stimmung bleiben
Laut Urlaubsforscher Blasche ist der Erholungseffekt spätestens drei Wochen nach dem Urlaub vorbei. Um ihn zu verlängern, rät Stanzig dazu, ausgleichende Tätigkeiten – wie der abendliche Drink, eine Runde schwimmen – aus dem Urlaub in den Alltag „hinüberzuretten“. Bleibt der Dauerstress trotz Urlaubs, sollte das als Warnzeichen für drohendes Burn-out verstanden werden, sagt Stanzig: „Dann sollte man die Einstellung zur Arbeit hinterfragen.“