Arbeitskräftemangel? Wo genau?
Von Sandra Baierl
Gute Arbeitskräfte sind selten geworden. Und die Situation wird nicht besser. Laut der aktuellen market-Studie im Auftrag der WKÖ zur Fachkräftesituation in Österreich haben bereits sieben von zehn Arbeitgebern Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden. Die Demografie schlägt also bereits durch. In den kommenden drei Jahren wird sich das Problem - ältere Arbeitnehmer gehen in Pension, Jüngere kommen wenig nach - verschärfen.
Kleine leiden
Wenn es um die Besetzung höher qualifizierter Positionen geht, stehen die KMUs zusätzlich vor dem Problem, dass Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen sich oft zuerst bei großen, bekannten Firmen bewerben.
"Kleinere Unternehmen haben innerhalb ihrer Branche oftmals einen ausgezeichneten Ruf, aber dieses Image dringt nicht bis zu den Absolventen der jeweiligen Ausbildungsstätte durch", beschreibt Unternehmensberaterin Gabriele Kössler die aktuelle Situation. Laut der market-Studie findet jeder fünfte Kleinbetrieb (mit 1 bis 4 Arbeitskräften) keine geeigneten Mitarbeiter, bei größeren Betrieben (ab 20 Arbeitskräften) betrifft dieses Problem bereits jedes zweite Unternehmen.
Wir haben drei Personal-Experten um ihre Meinung zum Thema Mitarbeitermangel befragt.
Peter Pendl: "Die Techniker fehlen"
Der Geschäftsführer des Personalberaters Pendl und Piswanger meint, dass sich Top-Performer den Arbeitgeber aussuchen können.
KURIER: Spüren Sie den Arbeitskräftemangel?
Peter Pendl: Ja. Kunden klagen über fehlende Facharbeiter, HTL-Absolventen, Bauleiter, Baukalkulanten, qualifiziertes Pflegepersonal.
In welchen Branchen?
Technik, Bau, Gesundheit.
Welche Besetzungen fallen Ihnen derzeit besonders schwer?
Wir spüren den Mangel bei der Suche von Technikern für Nicht-Führungsfunktionen. Techniker verändern sich an sich nicht so gerne, insbesondere wenn die Wirtschaftslage unsicher ist. Wenn das Unternehmen attraktiv oder eine Führungsfunktion damit verbunden ist, haben wir deutlich mehr Bewerbungen.
Welche Qualifikationen fehlen?
Unternehmerisches Denken, die Fähigkeit, kalkulierbare Risken eingehen, der Mut zur Erneuerung. Es wäre gut, würden sich Menschen stärker nach dem Arbeitsmarkt richten: mehr Bereitschaft zum Lernen. Oft fehlen auch Sprachkenntnisse, etwa beim Pflegepersonal.
Was heißt das für die Bewerber?
Top-Performer können sich den Arbeitgeber aussuchen.
Bernhard Otti: "Suchen Fachkräfte"
Der Geschäftsführer der Personalmanagement-Firma Otti und Partner über einen geteilten Arbeitsmarkt und fehlende Fachkräfte mit drei Jahren Erfahrung.
KURIER: Spüren Sie den Arbeitskräftemangel?
Bernhard Otti: Wir haben ein Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt: einen akuten Fachkräftemangel auf verschiedenen Teilarbeitsmärkten. Demgegenüber steht ein Überangebot an unqualifizierten Arbeitskräften.
In welchen Branchen?
Gesucht werden qualifizierte Fachkräfte in kaufmännischen, technischen und sozialen Berufen, Tourismus- und Freizeit-Berufe, Beratungs- Wissens und kreative Berufe.
Welche Besetzungen fallen Ihnen besonders schwer?
Sehr schwer zu finden sind top ausgebildete Fachkräfte mit drei bis fünf Jahren Praxis, im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Vor allem Maschinenbautechniker, SAP-Spezialisten, Bilanzbuchhalter, Personalverrechner, Steuerberater, Controller, Vertriebsingenieure.
Was bedeutet das alles für die Bewerber?
Neben den fachlichen Kompetenzen werden überfachliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit oder Kommunikationsfähigkeit immer wichtiger, aber auch die Einstellung wie Eigenverantwortung oder Veränderungsbereitschaft werden wichtiger.
Walter Schwarz: "Jeder will Chef werden"
Der Geschäftsführer der Consent Betriebsberatung zu abnehmenden Bewerberzahlen und die Verknappung im Spezialistenbereich.
KURIER: Spüren Sie den Arbeitskräftemangel?
Walter Schwarz: Die Zahl der Bewerbungen nimmt seit einem Jahr kontinuierlich ab, besonders rar sind High Potentials. Der "War for Talents" ist voll ausgebrochen - und wird sich verschärfen.
In welchen Branchen?
Generell in allen qualifizierten Branchen, sowohl im Industrie- als auch im Dienstleistungssegment. In den technisch-akademischen Berufen führt das bei einigen Firmen schon zum Vernachlässigen von Marktchancen.
Welche Besetzungen fallen Ihnen derzeit besonders schwer?
Führungskraft will weiterhin jeder werden, die Verknappung zeigt sich daher vor allem im Spezialistenbereich. Dies ist auch auf den geringen Frauenanteil in diesen Berufen zurückzuführen.
Welche Qualifikationen fehlen?
Allgemeinbildung, Wertehintergrund, moralische Kraft zum Widerspruch, Empathie, Authentizität, Handhabung von Emotionen. Zusätzlich fehlt bei Führungskräften: Gestaltungskraft von motivierenden Rahmenbedingungen, d. h. die Schaffung eines Klimas, welches statt angstbesetzter Kaderdisziplin auf Vertrauen, Sympathie und innerem Frieden ruht.