Wirtschaft/Karriere

Arbeiten um die Welt: Von Fika bis Karoshi

Zählt man alle Länder der Welt zusammen, kommt man auf knapp 200. In diesen Ländern leben rund 7,5 Milliarden Menschen. Der Großteil von ihnen wird arbeiten, schon gearbeitet haben oder das Erwerbsleben noch vor sich haben. Welche Werte und Einstellungen dieses Arbeitsleben prägen, gibt das Land, in dem man lebt, vor. Alleine in Europa, in unseren 47 Nachbarländern die nur wenige Hundert Kilometer voneinander entfernt liegen, scheint es so viele Arbeitsmentalitäten zu geben, wie Länder selbst.

Anfangen im Norden

Der Norden zum Beispiel steht puncto Einstellung zur Arbeit für flache Hierarchien, klare Kommunikation und Kooperation. In skandinavischen Ländern spielen Universitäts-Titel kaum eine Rolle, im Job mag man es schön hyggelig (gemütlich) und der Arbeitstag dauert selten länger als bis 15, 16 Uhr. Die Schweden haben sogar ein eigenes Wort für Wohlbefinden im Job: "Fika". Fika ist die ausgedehnte Kaffeepause, die bis zu drei Mal am Tag zelebriert wird. Vielerorts wird sie vom Management selbst angeordnet. Warum? Entspannte Mitarbeiter leisten mehr in kürzerer Zeit, zeigen ihre Erfahrungsberichte. Vielleicht wird in Schweden gerade deshalb seit Jahren mit dem Sechs-Stunden-Arbeitstag, vor allem in Gesundheitsberufen, experimentiert.

Ganz anders ticken die Uhren in Mitteleuropa. Hier zählt Leistung. Die Deutschen werden für ihre Gründlichkeit und ihren Fleiß geschätzt, um acht Uhr Früh sind die Büros meist voll besetzt. Im Schnitt arbeiten die Menschen laut einer aktuellen Eurostat-Erhebung 40,4 Stunden in der Woche. In Österreich scheint die Arbeitsmoral noch strenger: Wir arbeiten 41,2 Stunden – am drittlängsten in der EU. Obwohl Umfragen unter Arbeitnehmern zeigen, dass sie weniger Zeit im Job verbringen möchten, wurden heuer zwölf Stunden am Tag Höchstgrenze der Arbeitszeit festgelegt.

Die Franzosen arbeiten zwar nur 39 Stunden in der Woche. Ihre Arbeitsrechte nehmen sie aber sehr ernst: Kaum ein Monat vergeht, ohne großen Streik, wenn sie diese Rechte bedroht sehen.

Im Süden

Im Süden nimmt man es hingegen gelassener. Die Spanier pflegen, wenn auch heute nicht mehr so oft wie früher, eine Siesta – ursprünglich für ein Schläfchen wegen der starken Mittagshitze gedacht. Dafür arbeiten sie aber bis in die Nacht hinein, insgesamt 39,9 Stunden pro Woche. Studien zeigen, dass der Spanier deshalb um eine Stunde weniger Schlaf bekommt, als der Durchschnittseuropäer. Ein Arbeitsrhythmus, der auf Dauer schlapp und krank macht, echauffieren sich die Angestellten in Spanien mittlerweile. Sie fordern eine Abschaffung der Zwangspause, um früher in den Feierabend zu können.

Tausende Kilometer weiter,in Asien, ändert sich das Bild der Arbeitsmentalität drastisch. In Japan schickt es sich, mehr Überstunden als Freizeit zu haben. Die japanische Regierung kennt "Karoshi" – so nennt man den Tod durch Überarbeitung – bei einigen Hundert Menschen im Jahr als offizielle Todesursache an. Die Dunkelziffer soll bei mehr als 10.000 Opfern jährlich liegen. Sie sterben an Herzinfarkt, Schlaganfall oder Selbstmord – der gesellschaftliche Druck, viel zu arbeiten, lässt sie ausbrennen. Hier zählen Loyalität, Treue zum Arbeitgeber und übermäßiger Einsatz – Job-Hopping und Selbstverwirklichung, wie wir sie in Europa kennen und leben, sind in Japan Fremdwörter. Besonders Uni-Absolventen fürchten ständig, nicht genug zu leisten. Ihre Angst und hohen Ambitionen treiben sie mitunter sogar in den Tod.

Sich für den Job aufzuopfern ist in Asien Teil der Kultur: Koreaner haben ebenfalls ein Wort für Tod durch Überarbeitung: "Kwarosa". Laut einer OECD-Studie haben sie 2014 um ganze 500 Arbeitsstunden (fast 13 österreichische Arbeitswochen) länger gearbeitet als die Österreicher. Die Chinesen hingegen nennen den Tod durch Überarbeitung "Guolaosi" – mit 600.000 Opfern jährlich. Betroffen seien laut Berichten vor allem die Industrie, die Kreativ- und Medienbranche, sowie die Finanzindustrie und die IT.