Warum Figlmüller-Chef einen Sitzplatz im eigenen Lokal ersteigern muss
Von Jennifer Corazza
"Ich bekomme lustige Nachrichten von Freunden, die fragen, ob sie sich 100 Tische reservieren können", meldet sich Hans Figlmüller heiter am Telefon. Sein Traditionslokal "Figlmüller" erfreut sich zwar ohnehin immer großer Beliebtheit bei Einheimischen und Touristen - dass mit Reservierungen jetzt aber das große Geld gemacht werden kann, ist ihm neu.
Der Anlass: Auf der 2021 in den USA gegründeten Plattform "Appointment Trader" lassen sich Reservierungen in kultigen Restaurants und Hotels quer über den Globus - primär von Privatpersonen, die ihre Reservierungen selbst nicht wahrnehmen wollen - ersteigern.
Auf dem ersten Rang weltweit liegt das afro-karibische Fusion-Restaurant Tatiana by Kwame Onwuachi in New York. 198 Euro kostet eine Reservierung für vier Personen diesen Samstag um circa 18 Uhr, verlautbart die Website aktuell. In Österreich führt das Figlmüller in der Bäckerstraße die Rangliste an, gefolgt von anderen bekannten Namen wie "Das Loft", die "Rote Bar" im Sacher und das Café Central.
Nach Angaben der Website wurden bislang Reservierungen im Wert von mehr als zwei Millionen US-Dollar verkauft, die Plattform schneidet 20 bis 30 Prozent vom Erlös mit, berichtete die New York Times schon im Vorjahr. Durch einen Standard-Artikel bekommt die Plattform auch hierzulande plötzlich Aufmerksamkeit.
„Uns war die Plattform bis jetzt nicht bekannt“, sagt Hans Figlmüller auf KURIER-Nachfrage. Jedoch hat ihn der Bericht dazu gebracht, sich in diesem Moment intensiv damit auseinanderzusetzen und sogar für eine Reservierung im eigenen Restaurant mitzusteigern. Als Testballon quasi. Ab 138 Euro ist das bereits möglich.
„Dann spuckt die Plattform aus: 30 Bots versuchen, eine Reservierung für Sie zu machen“, berichtet er überrascht. Er wäre schließlich davon ausgegangen, dass die Tische von den vermeintlichen Privatpersonen bereits zum Verkauf stehen. „Wie bei Ticketmaster“, sagt er. Jedoch klärte auch hier die New York Times bereits auf, dass sogar Reservierungen ersteigert werden können, die es noch nicht gibt. Wie seriös das ist, ist eine andere Frage.
"Da gibt es immer ein paar Verrückte, die das Geld trotzdem ausgeben können und wollen"
Die Washington Post berichtete vor wenigen Tagen, dass Gesetzgeber des Staates New York bereits dran wären, diese Art von Websites abzuschaffen. Sogar ein Gesetzesentwurf wurde eingebracht, der Reservierungsdienste von Drittanbietern verbieten würde, die ohne die Erlaubnis von Restaurants Essensplätze reservieren. Auch Hans Figlmüller steht dem Ganzen skeptisch gegenüber.
Immerhin würden so Preise künstlich in die Höhe getrieben werden. Dazu startet er einen Vergleich: "Wenn das neue iPhone ausverkauft ist und ich es auf willhaben finde, wird es dort vielleicht statt um 1.000 um 3.000 Euro angeboten. Da gibt es immer ein paar Verrückte, die das Geld trotzdem ausgeben können und wollen. Aber das ist nicht unser Geschäftsmodell".
Auch dass sein Restaurant den ersten Platz belegt, ehrt ihn nicht sonderlich. "Aus Werbezwecken freut uns das, aber im Sinne der Preisgestaltung und des ökonomischen Gedankens, finden wir das alles komisch." Auch deshalb, weil es gar nicht nötig ist, verrät Figlmüller. "Wenn Sie anrufen und in vier Tagen einen Tisch brauchen, werden wir schon etwas machen können", erklärt er und ergänzt, dass man möglicherweise nur auf eine andere Uhrzeit ausweichen müsste.