Wirtschaft/Karriere

Alles Lei(n)wand? Kino-Branche in Bewegung

Wind, Schnee, bewegliche Sitze und Nackenkitzel im Kino? Wer einen Film nicht nur ansehen, sondern auch fühlen und am eigenen Körper spüren will, kann dies seit Kurzem im Grazer Cineplexx. Im September wurde dort Österreichs erstes MX4D-Kino eröffnet. MX4D? Das bedeutet steuerbare Kinositze und 15 atmosphärische Effekte wie Nebel oder eben Schneefall sorgen für ein Kinoerlebnis mit allen Sinnen.

Mehr als eine Million Euro ließ sich Cineplexx die neueste Technologie kosten. Geht das Nervenkitzel-Konzept auf, könnten bald weitere Kinos folgen, lässt Cineplexx-Eigentümer Christian Langhammer durchblicken. Angesichts wachsender Konkurrenz durch Netflix, Amazon & Co. treibt Österreichs Branchenprimus die Digitalisierung voran und will sich als Innovationsführer positionieren. Dafür wird viel Geld in die Hand genommen.

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Um 4,4 Millionen Euro erhielt kürzlich auch das Cineplexx-Kino am Wienerberg ein Facelifting samt technischem Update. So wird in einem Saal statt Videoprojektion erstmals ein riesiger LED-Screen eingesetzt. Die kräftigen Farben und der hohe Kontrast auf dem „Riesen-Bildschirm“ von Samsung machen 3D-Brillen überflüssig. Auch ein Abdunkeln des Raumes muss nicht mehr unbedingt sein.

Füße hochlagern, gemütlich im Kinosessel lümmeln ... Neben der Digitalisierung ist der Komfort das ganz große Thema in der Branche. Ganze Sitzreihen werden zur „Businessclass“ mit einstellbarer Rückenlehne und ausfahrbaren Fußauflage umfunktioniert. „Im Kino soll es nicht so sein wie im Wohnzimmer, aber die Leute sollen sich wohlfühlen“, meint Langhammer.

Europas Spitze

Der kleine Luxus zum Aufpreis von 5,50 Euro erhöht für den Betreiber den Umsatz pro Kunden erheblich. Im Schnitt kostet ein Kinoticket in Österreich neun Euro. Mit mehr als 300 Kinosälen und 12 Millionen Kinobesuchern jährlich zählt Cineplexx zu den Top-Playern in Europa. Hinter dem Unternehmen steht die Constantin Film Holding GmbH, die seit dem Ausstieg der Kirch-Gruppe 2003 zur Gänze der Familie Langhammer gehört.

Constantin betreibt aktuell 44 Multiplex-und sechs traditionelle Kinos in Österreich, Kroatien, Serbien, Slowenien, Bosnien, Montenegro, Mazedonien, Albanien, Kosovo, Griechenland und Italien. Mit ca. 1500 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen 2017 einen Umsatz von 140 Millionen Euro.

Der nächste Expansionsschritt erfolgt gerade in Rumänien. Dort sollen bis 2021 in acht Städten 50 Kinosäle entstehen. 25 Millionen Euro werden investiert. Als größte Konkurrenz für den Kinobesuch sieht Langhammer übrigens nicht das Streaming-TV, sondern das Wetter. „Wenn der Sommer so heiß ist wie heuer, ist das echt hart für uns.“

Neues Jahr, neue Blockbuster

Die Sommerhitze, Streaming-Konkurrenz, aber auch weniger Blockbuster als im Vorjahr bescherten den 142 heimischen Kinos 2018 bisher einen Besucherrückgang von zwölf Prozent. „Besonders die Kinos in den ländlichen Regionen waren betroffen, in den Städten lief es besser“, fasst WKÖ-Branchensprecher Christian Dörfler zusammen.

Eine neue Kinokrise durch die Digitalisierung der Haushalte sieht er trotzdem nicht, kleinere Kinos müssten eben mehr bieten oder sich spezialisieren. Trotz aller Unkenrufe gibt es immer wieder Neueröffnungen wie etwa in Tulln oder Parndorf. „Für 2019 sieht es filmmäßig besser aus“, ist Dörfler optimistisch. Mit „Lion King“, „Avengers Endgame“, Star Wars Episode 9“ oder „Toy Story 4“ kommen gleich mehrere Blockbuster.

Von der Regierung fordert der Branchensprecher eine Gleichbehandlung mit dem Tourismus und somit eine Rücknahme der Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Kinotickets. Weiters sollte die Umrüstung auf digitale Technologien gefördert werden.

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Welser Firma Kraftwerk sorgt für Staunen

Das 5D-Schlosstheater in Zhuhai in Südchina sprengt alle Rekorde:  Platz für 1000 Zuschauer, eine 88 x 19 Meter große Leinwand, 2200 Lautsprecher und zwölf Projektoren. Hinter dem  bis dato größten 4D-Kino der Welt steht eine kleine, innovative Technologieschmiede aus Wels/OÖ: Die Firma Kraftwerk Living Technologies mauserte sich eher im Verborgenen vom kleinen Disco-Ausstatter zu einem der weltweit führenden Systemintegratoren im audiovisuellen Bereich.

Zu den internationalen Referenzprojekten von Kraftwerk zählen die 007-Elements-Erlebniswelt in Sölden/Tirol, die interaktive Unterwasser-Erlebniswelt „Encounter Ocean Odyssee von National Geographic“ in New York, die BMW-Welt in München sowie das fliegende Theater „Voletarium“ im Europa-Park in Rust, Deutschland.

„Wir sind überall dort, wo das Bild eine große Rolle spielt“, bringt Firmengründer Manfred Meier die Firmenstrategie auf den Punkt.  Ein wichtiger Zukunftsmarkt sei die  Automobilindustrie. „Die Autohersteller setzen bei der Planung auf Virtualisierung und in das Wageninnere zieht immer mehr Entertainment ein“. Größte Herausforderung bei  den Aufträgen sei die Größe der Projekte wie etwa bei jenem in China.

Gegründet 1992  als kleine Scheinwerferfirma  beschäftigt Kraftwerk heute weltweit 135 Mitarbeiter aus elf Nationen. 90 davon arbeiten in Wels, wo gerade  die Standorterweiterung geplant wird. Weitere Niederlassungen sind in Schanghai, Moskau und in Johannesburg, wo ebenfalls erweitert werden soll. Zuletzt wurden 38 Millionen Euro umgesetzt, die Exportquote beträgt 80 Prozent.

49 Prozent der Firmenanteile hält Kinocenterbetreiber Constantin. Nach schwierigen Jahren geht es seit ein paar Jahren auch dank der Großaufträge aus China wieder bergauf.  

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Haydn-Chef: „Müssen mehr machen als nur Kino“

In den 1960er-Jahren gab es in Wien noch 200 Kinohäuser, heute sind es nur noch 26. Eines der ältesten ist das Haydn Kino in der Mariahilfer Straße, das 1917 aus einem Theater entstand. Heute hat das Haydn vier Säle und ist  auf englischsprachige Originalfassungen und besondere Kino-Events spezialisiert.

Viele Filmfreaks sind jahrelange Stammkunden im Haydn. „Nur die Filme abzuspielen, reicht längst nicht mehr. Wir müssen mehr machen als nur Kino und den Besuchern Emotionen verkaufen“, sagt Haydn-Kino-Chef Christian Dörfler, der  auch Sprecher der  Kinobetreibe in der Wirtschaftskammer ist.  Ein klarer Zielgruppenfokus sei ebenso unerlässlich wie eine  zeitgemäße technische Ausstattung.

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„Meinen Besuchern ist aber ein tolles Ambiente  wichtiger als zuviel Technik-Schnickschnack“, meint Dörfler. Entgegen dem Branchenschnitt verzeichnete  das Haydn Kino heuer sogar mehr Besucher als im Vorjahr. Auch deshalb, weil viele  Filme – in der Originalfassung – früher zu sehen sind als  woanders.
Einen gewissen Retro-Trend wie in anderen Ländern sieht Dörfler in Österreich nur in Ansätzen.

Es gebe zwar Liebhaber, die alte 70-Millimeter-Filme  anschauen wollen, aber diese würden eher an speziellen Filmtagen gezeigt, etwa im Gartenbaukino. Schade findet Dörfler die große Abhängigkeit von Hollywood. Es gebe   viel zu wenige Filme aus Österreich für ein breites Publikum.

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