Wirtschaft/Karriere

Ältere leisten Arbeit konstanter

Hundert Tage lang ließ Florian Schmiedek hundert junge und hundert wesentlich ältere Menschen kommen. Der Forscher und sein Team führten am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin mit 20- bis 30-Jährigen und 65- bis 80-Jährigen Tests durch, ließen sie jedes Mal Aufgaben zu Konzentration, Gedächtnis und Rechenbeispiele lösen. Und kamen zu dem überraschenden Ergebnis: Die Leistung der Älteren blieb über die hundert Tage viel konstanter als die der Jungen.

Die geistige Leistungsfähigkeit der Älteren war somit zuverlässiger. Dies galt auch dann, wenn die Leistungsvorteile der Jüngeren im durchschnittlichen Leistungsniveau berücksichtigt wurden. Der Grund für die konstanteren Leistungen bei den Älteren seien „erlernte Strategien bei der Aufgabenbearbeitung, eine gleichbleibend hohe Motivation und ein ausgeglichener Alltag mit stabiler Stimmungslage“, sagt Schmiedek.

Das Leistungsniveau selbst war bei den Jungen zwar erwartungsgemäß höher, eine direkte Schlussfolgerung auf das Arbeitsleben zwar nur bedingt machbar, aber: „Gerade bei Routinearbeiten ist vorstellbar, dass ältere Mitarbeiter mit der größeren Zuverlässigkeit ihrer Leistung im Vorteil sein könnten“, sagt der Forscher. Es gäbe keinen Grund, hier den Jungen den Vorzug zu geben.

Fehlerfrei

Eine andere Untersuchung am Max-Planck-Institut für Sozialpolitik in München hat sich mit einer ähnlichen Frage beschäftigt, nämlich mit der Produktivität älterer Mitarbeiter in der Automobilproduktion. Demnach machten ältere Mitarbeiter weniger schwerwiegende und damit teure Fehler in der Produktion als ihre jüngeren Kollegen. Sie seien insgesamt produktiver und zuverlässiger in ihrer Leistung, sagt Axel Börsch-Supan, Direktor des Munich Center for the Economics of Aging am Institut. Er forscht über Produktivität im Alter.

Für Leopold Stieger, ehemals Pionier in der österreichischen Personalberatung und Initiator der Plattform seniors4success in Österreich, sind solche Studienergebnisse eine Bestätigung der Realität. Doch dass ältere Mitarbeiter über Potenziale verfügten, sei weder den Firmenchefs noch den Betroffenen selbst bewusst, so Stieger. „Immer wieder treffen wir ältere Menschen ohne Selbstwertgefühl. Sie wissen nicht, was sie an Potenzial zu bieten haben. Und viele Unternehmen haben es sich mit den älteren Mitarbeitern vertan“, sagt er. Er fordert von Sozialpolitik und Unternehmen, viel stärker auf Potenziale statt auf Defizite zu achten.

Das zeige auch eine laufende Online-Umfrage auf seniors4success, die bisher 1947 Österreicher (zur Hälfte vor, zur Hälfte nach der Pension) die Frage gestellt hat: „Was wird mit dem Älterwerden mehr?“.

„Viele Unternehmen haben es sich mit den älteren Mitarbeitern vertan.“Leopold StiegerInitiator seniors4successDas Ergebnis: Die meisten Befragten, 60 Prozent, nennen den Sinn des Lebens, für jeden Zweiten haben berufliche Erfahrung und Weisheit zugenommen. Als Schlusslicht rangiert allerdings die Loyalität zum Unternehmen und der Arbeit. Das sollte Unternehmen aufhorchen lassen, meint Stieger.

Vereinzelt haben die Firmen erkannt, dass sie die Potenziale älterer Mitarbeiter nutzen sollten. So will der deutsche Autozulieferer Bosch mit einer neuen Online-Plattform den Wissensaustausch zwischen älteren und jungen Mitarbeitern fördern. Initiativen wie diese werden in Zukunft an Relevanz gewinnen: Denn Bosch-Personalvorstand Christoph Kübel geht davon aus, dass der Altersschnitt bei Bosch bis zum Jahr 2030 um sieben Jahre steigen wird – auf 49 Jahre.

Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei Männern bei 40,4 Jahren und bei Frauen bei 43,1 Jahren. Bis 2050 wird es bei beiden Geschlechtern um gut fünf Jahre steigen. Die Menschheit wächst – aber höchst unterschiedlich. Während Europa schrumpft, sollen in Afrika vier Mal so viele Menschen wie jetzt leben.

Heute sind 18 Prozent der Österreicher über 65 Jahre alt.

Laut Statistik Austria wird im Jahr 2030 fast jeder Vierte (24 Prozent) jenseits der 65 sein. Die Wirtschaftskammer bietet auf www.wko.at einen Demografie-Check für Unternehmen.