40 Jahre Personalberatung: "Heute ist das Blenden leichter"
Von Nicole Thurn
KURIER: Ihr erster Job nach dem Studium – wie war die Suche?
Walter Schwarz: Als Jungakademiker konnte ich mir 1974 eines von fünf Jobangeboten aussuchen. Das ist heute anders.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Bewerber erinnern?
Bewusst nicht mehr, aber an Fehler, die ich gemacht habe. Damals, 1978, begann ich als Recruitingleiter bei der Girokredit Bank.
Welche Fehler?
Ich hatte damals schon ein großes Netzwerk, habe mich bei ehemaligen Arbeitgebern über die Bewerber erkundigt.
Das ist doch üblich.
Schon, nur ich in meiner Naivität habe ich die negative Auskunft an die Bewerberin weitergegeben. Sie wollte uns dann klagen. Arbeitgebern ist es verboten, negative Auskünfte zu geben. Aber wenn sie auf Anfrage nichts sagen wollen, weiß man auch gut Bescheid.
Wenn Sie die Bewerber vor 40 Jahren und heute vergleichen: was unterscheidet sie?
Die damaligen Bewerber hatten einen großen Nachteil: Sie konnten sich nur schwer über die Firma informieren, mussten sich einen Geschäftsbericht holen. Heute ist das mit dem Internet sehr leicht. Es gab früher keine Lebenslaufmuster, keine Bewerbungstipps. Da musste man sich schon ein Taschenbuch kaufen. Die Allgemeinbildung war breiter. Heute kann man leichter blenden. Früher war jeder auf Karriere aus, heute ist Work-Life-Balance wichtiger.
Sind die Bewerber heute in den Gesprächen selbstbewusster?
Ja, das Selbstbewusstsein ist größer, die Diskrepanz zwischen Selbstbewusstsein und Persönlichkeit auch. Der Hunger auf einen Job ist nicht immer groß, weil die Eltern begüterter sind als früher. Es gibt viele Berufssöhne und -töchter.
Wie haben sich die Auswahlverfahren verändert?
In den 1970ern gab es die Tendenz zu Tests. Ich habe einen Leistungstest für Bewerber in der Girocredit Bank eingesetzt, denn Großkunden, Freunde der Vorstände – alle wollten ihre Kinder in der Bank unterbringen. Als ich 1993 zu Consent kam, war die Test-Euphorie abgeklungen. Assessment Center machen wir, wenn wir uns unsicher sind. Meist hilft aber ein zweites Gespräch.
Früher waren Grafologen gefragt, die über die Handschrift auf die Persönlichkeit schlossen.
Einige Berater arbeiteten mit Grafologen. Ich habe davon nie viel gehalten, verlasse mich lieber auf Referenzen.
Eine Geschichte aus Ihrem Personalberater-Leben?
Es kam immer wieder vor, dass Damen mit auffallender Kleidung uns männliche Berater für sich einzunehmen versuchten. Vieles läuft unbewusst ab. Ich erinnere mich, dass in der Avabank gesagt wurde: Seitdem der Schwarz da ist, werden viele blonde Damen aufgenommen. Das hat mir zu denken gegeben (lacht). Aber ich habe keine Flaschen aufgenommen, die Qualität musste stimmen.
Wie kann man sich als Bewerber besser von anderen abheben?
Indem man nicht den Nullachtfünfzehn-Europass-Lebenslauf verwendet. Wir lieben den individuellen CV, er sagt immer etwas über den Bewerber aus: Wenn er beispielsweise zehn Seiten unstrukturiert schickt, oder welches Foto er schickt.
Googlen Sie Ihre Bewerber?
Ja, schon. Wie die Bewerber bisher gearbeitet haben, erfahren wir so aber kaum. Da nutzt nur unser gutes Netzwerk.
Österreichs Personalisten googeln die Bewerber vor dem Bewerbungsgespräch: Laut Marketagent-Umfrage recherchieren sie bei 47 Prozent der Bewerbungen im Internet. Gesucht wird über Google oder Bing (76 Prozent), in sozialen Netzwerken (61 Prozent) und auf Xing und LinkedIn (44 Prozent). 61 Prozent wollen sich einen Eindruck von der Persönlichkeit machen, 38 Prozent wollen Infos über das Verhalten im Internet, 36 Prozent Infos über das bisherige Berufsleben einholen. 48 Prozent suchen laut Umfrage "nach nichts Bestimmtem".