385-Millionen-Exit: Was Busuu-Gründer Bernhard Niesner mit dem Geld vorhat
Von Sandra Baierl
385 Millionen Euro in cash – so viel zahlte das US-Unternehmen Chegg für die Sprachlern-App Busuu des Österreichers Bernhard Niesner. Gemeinsam mit Adrian Hilti hat er das Start-up 2008 gegründet, ging durch viele Höhen und Tiefen, stand einmal sogar kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Übernahmeversuche gab es immer wieder. Vergangene Woche kam es zum Megadeal.
KURIER: Herr Niesner, sprechen Sie die afrikanische Sprache Busuu?
Bernhard Niesner: Nur drei Sätze. Aber sonst vier Sprachen. Ich war immer gut im Studium, hab Handelswissenschaften an der WU studiert, aber die meiste Freude hatte ich immer mit Sprachen.
Sie haben den Mega-Exit vollbracht: 385 Mio. Euro für ihre App. Wie fühlt sich das heute an?
Es fühlt sich natürlich immer noch super an. Aber zugleich ist es auch immer noch Business as usual. Wir arbeiten ja weiter. Der Moment, der mir am meisten gefallen hat, war jener, als wir die Nachricht an das Team kommuniziert haben und ich die positiven Reaktionen erlebt habe. Die Mehrheit wusste nichts vom Exit-Prozess und ich war mir nicht sicher, wie sie reagieren werden.
So was macht man immer heimlich.
Ja. Wenn man mit einer börsenotierten Firma verhandelt, ist das extrem vertraulich.
Sie hätten schon öfter verkaufen können, warum hat es jetzt geklappt?
Es gab immer Interesse, uns zu kaufen. Schon kurze Zeit, nachdem wir gegründet hatten. Hansi Hansmann (Erstinvestor und Mentor, Anm.) hat damals gesagt: „Und dann? Dann hast du ein paar Millionen und fängst irgendwo anders wieder von vorne an.“ Wir sind sehr wählerisch gewesen, wir mussten ja nie verkaufen. Die Sache mit Chegg war anders: Damit können wir unsere Vision, Fremdsprachen in die Welt zu bringen, noch schneller verwirklichen. Mit Chegg passt das einfach.
Warum zahlt ein amerikanisches Unternehmen so viel Geld für Busuu?
Chegg kann durch diese Akquisition viele Synergien generieren, sie können z.B. ihren sechs Millionen Kunden jetzt eine Sprachlern-App anbieten. Zusätzlich bekommt Chegg Zugang zum schnell wachsenden Sprachlernmarkt. Der ist aktuell 50 Milliarden Euro groß, er wird auf über hundert Milliarden bis 2025 anwachsen. Der Online-Anteil (Anm. derzeit 15 Mrd. Euro) wird sich fast verdreifachen. Wir machen aktuell 40 Millionen Euro Umsatz, wurden etwa mit dem Zehnfachen bewertet, das ist schon sehr gut. Wir haben in unserer Geschichte nur 16 Millionen Euro Finanzierung aufgenommen, dies im Schnitt 24-fach an die Investoren zurückgezahlt.
Wie ist das, sein Werk wegzugeben?
Man muss realistisch sein, wenn man externe Investoren hat. Die wollen auch irgendwann einen Return sehen. Es war klar, dass wir einen Exit machen werden, sei es über einen Börsengang oder eben einen Verkauf an einen strategischen Investor. Für mich ändert das aber nicht viel, ich bleibe weiterhin an Bord.
Wie gehen Sie damit um, dass jetzt nicht alles so bleiben wird, wie Sie es gemacht haben?
Chegg hat uns gekauft, weil wir die Experten sind. Als CEO werde ich unseren Weg gehen, jetzt mit noch mehr Ressourcen und Teil eines börsennotierten Tech-Unternehmens aus dem Silicon Valley. Wir sind jetzt quasi europäisches Headquarter. Es wird unsere Aufgabe sein, die richtige Kultur zu erhalten.
Auf einmal haben Sie einen Boss.
Ehrlicherweise hat man auch als Eigentümer ein Bord an Investoren, an das man berichten muss. So viel ändert sich also nicht.
Wie lange wollen Sie bei Busuu als CEO bleiben?
Das kann ich schwer beantworten, aber definitiv die nächsten paar Jahre. Ich will sehen, wie wir weiter wachsen können.
Gehen wir in der Geschichte zurück: Busuu wurde 2008 gegründet, wie mühsam war der Beginn?
Ich hab den Adrian im MBA in Madrid kennengelernt. Wir haben die Idee schon während des Studiums ausgearbeitet, gleich nach Abschluss gestartet, aber dann kam die Wirtschaftskrise. Familie und Erspartes hat uns über Wasser gehalten – ich hatte zwei Jahre lang kein Gehalt. Rückblickend muss ich sagen, wir hatten das Pech, zu früh dran gewesen zu sein, nämlich als Desktop-Plattform. Das war die falsche Technologie. Der Umbau auf die Mobil-Version hat uns fast zwei Jahre gekostet. Und dann hatten wir Probleme mit der Firmenkultur. 2012 sind wir nach London übersiedelt, wir haben zu schnell Mitarbeiter aufgebaut, ohne die richtige Kultur zu festigen. Dann ist uns das Ganze um die Ohren geflogen, wir mussten restrukturieren. Ein unternehmerisches Nahtod-Erlebnis. Da war ich schon sechs Jahre am Arbeiten. Wir haben es dann mit letzter Kraft geschafft, und ich habe mir geschworen, besser auf die Firmenkultur zu achten. Wir haben 2015 sechs Millionen Euro Finanzierung aufgenommen, ab dann ging es wieder bergauf.
Wie kommt man durch diese Jahre der Tränen?
Da gab es viele schwierige Momente und einige Gespräche mit dem Hansi. Ich habe für mich aber die Entscheidung getroffen, dass Schwierigkeiten ein Teil des Weges zum Erfolg sind. Ich wollte sie annehmen und mich nicht darüber ärgern. Ich wollte die Möglichkeiten nützen, nicht daran verzweifeln. Mich konnte ab da nichts mehr umhauen. Wenn man sich als Unternehmer von Schwierigkeiten aus der Bahn werfen lässt, ist man garantiert nicht im richtigen Job.
Was war Ihr größter Fehler als Unternehmer?
Schwierig zu sagen. Wir waren mal der größte Sprachlern-Anbieter online, sind es aber momentan nicht. Hätten wir zu Beginn mehr Geld aufgestellt, wären wir heute wahrscheinlich noch größer.
Ab wann begann das Business zu fliegen?
Auf den Moment warte ich heute noch (lacht). Es gibt jeden Tag neue Herausforderungen, das hört nie auf. Covid, zum Beispiel. Unsere B2C-Zahlen sind durch die Decke gegangen, aber dafür war es im B2B-Bereich schwieriger. Zu glauben, man drückt auf einen Knopf und alles ist easy, das gibt es nicht. Die ganze Sache wird immer größer und damit wachsen auch die Schwierigkeiten.
Wie hat die Pandemie Ihr Geschäftsfeld verändert?
Insgesamt positiv. Corona war ein Ruck durch die Gesellschaft: Man hat erkannt, dass man online sehr gut lernen kann. Das Erkennen auch zunehmend viele Unternehmen.
Sie sind seit vergangener Woche um viele Millionen reicher. Was werden Sie mit dem Geld tun?
Nun, das Closing kommt ja erst ... Ich werde mir also erst langsam Gedanken machen. Ich möchte das Geld so einsetzen, dass es die Welt besser macht, z. B. mit Investments im Umweltbereich. Ich lasse mich von dem Geld aber nicht stressen. Ich bin gut geerdet, es wird mich nicht viel verändern. Vielleicht kaufen wir eine Wohnung oder ein Haus in London.
Ihr Tipp, um eine Sprache zu lernen?
Nicht zu viel auf einmal lernen. Nur 3 bis 4 mal pro Woche und je maximal 15 bis 45 Minuten.
Die Geschichte von Busuu auf einen Blick
Der Österreicher Bernhard Niesner und der Liechtensteiner Adrian Hilti lernten sich beim MBA-Studium in Madrid kennen. Zusammen hatten sie die Idee einer Sprachlern-App. Sie gründeten 2008 das Start-up Busuu. In 13 Jahren durchliefen sie Höhen und Tiefen. Die Finanzkrise 2008 ff. setzte dem Start-up stark zu, anfangs programmierten sie auf der falschen Plattform (Desktop statt Mobile), zu schnelles Rekrutieren von Mitarbeitern brachte die Firma an den Rand des Ruins. Erstinvestor war Hansi Hansmann, insgesamt holte sich Busuu in seiner Geschichte aber nur wenig Investitionsgeld – nämlich 16 Millionen Euro. Nun wurde Busuu an das US-Unternehmen Chegg verkauft. Der Edu-Tech-Konzern will damit den Sprachlern-Markt (wird bis 2025 von 50 auf 100 Milliarden Dollar anwachsen) erobern.