Der Erfinder von Kuh-Sharing
Von Andrea Hlinka
Selma wurde am 11. Jänner 2001 geboren: „Eine der besten Kühe in der Herde. Sehr edler, ruhiger Typ. Lässt sich gerne am Kopf und Hals kraulen“, beschreibt sie Albert Breitenmoser unter ihrem Bild auf der Webseite www.kuehe-mieten.ch. Der Bauer hat 2007 seine Idee verwirklicht, seine Kühe an Städter mit Land-Sehnsucht zu vermieten – Kuh-Sharing sozusagen.
1Wie sind Sie auf die Idee gekommen Kühe zu vermieten?
Die Inspiration habe ich aus Kanada. Nach dem Abschluss meiner Ausbildung war ich ein Jahr in Ontario. Ein Farmer dort hat seine Kühe an wohlhabende Kunden verkauft – wie Rennpferde. Aber sie waren weiterhin am Hof, er hat sie gepflegt. Das hat mich fasziniert.
2Wie viele Kühe vermieten Sie in den drei Sommermonaten, die sie auf der Alp verbringen?
50 bis 70 Kühe – da sind aber die Kühe meiner beiden Nachbarn dabei.
3Wer sind die Mieter?
Hauptsächlich sind es Familien oder Paare aus der Stadt. Oft ist es ein Geschenk.
4Was können die Mieter mit der Kuh machen?
Man mietet die Kuh für einen Monat oder für die ganze Saison. Man kann sie jederzeit besuchen, bleibt über Nacht auf der Alp, melkt – das ist das Allergrößte für die meisten –, besichtigt die Käserei und macht eine Bootsfahrt am Alpsee.
5Wie viel Geld nehmen Sie mit der Kuh-Vermietung ein?
Das ist schon lukrativ. Die Milchviehhaltung in der Schweiz ist in den vergangenen Jahren immer unattraktiver geworden. Aber es erholt sich.
6Haben Sie daher 2007 begonnen die Kühe zu vermieten?
Es war mit ein Grund. Der Milchpreis sank und der Druck stieg – mir hat es gereicht. Ich dachte: „Jetzt musst du was machen, um unabhängig zu sein.“
7Haben Sie viel Kopfschütteln geerntet?
Ja. Es konnten sich viele nicht vorstellen, wie das funktionieren soll.
8Ist das Wesen der Kühe wirklich so, wie Sie auf der Webseite beschreiben?
Ja, wirklich.
9Ihre Lieblingskuh?
Das ist die Selma. Aber sie ist schon eine sehr alte Tante. Ich habe große Angst vor dem Tag, an dem es heißt, es geht nicht mehr mit ihr. Man hat alle Kühe lieb, aber nicht alle gleich lieb.
10Wollten Sie schon immer Landwirt werden?
Ja, ich wollte nie etwas anderes machen. Aber ich habe auch auswärts gearbeitet, bin vier Jahre weggewesen – aus Neugier und um meinen Horizont erweitern.
11Können Sie sich einen Bürojob vorstellen?
Eigentlich schon, aber nur sporadisch. Ich habe auch einen Nebenjob, wo ich im Büro sitzen muss. Ich kontrolliere andere Betriebe für den Kanton. Die Bauernbetriebe müssen Leistungen erfüllen, damit das Geld fließt und das muss kontrolliert werden.
12Wie sieht Ihr Tag aus?
Im Winter stehe ich um 4.30 Uhr auf, füttere die Kühe, sie werden gemolken, ich bringe den Mist weg. Dann fahre ich in den Schweinemastbetrieb. Dort miste ich aus, gefüttert werden sie von der Maschine. Dann Frühstück und dann geht alles wieder von vorne los – bis 19 Uhr. Um 22 Uhr gehe ich schlafen.
13Man liest manchmal, dass eine Kuh jemanden angegriffen hat.
Meine Kühe sind alle dermaßen friedlich. Bei den Unfällen, die Sie ansprechen, handelt es sich zu fast 100 Prozent um Mutterkühe, die ihr Kalb beschützen wollen. Außer man malträtiert ein Tier, bis es sich nicht mehr anders zu wehren weiß. Das ist sehr verwerflich.
1970 in der Schweiz, Appenzell, geboren, machte Albert Breitenmoser die Lehre und Fachschule zum Landwirt. Nach Abschluss der Ausbildung ging Breitenmoser ins Ausland. Immer wieder kam er zurück, um abwechselnd mit seinem jüngeren Bruder, gemeinsam mit dem Vater den Betrieb zu führen. Albert Breitenmoser ist verheiratet und hat zwei kleine Töchter.
Betrieb
In der Region ist es üblich, dass der älteste Sohn den Betrieb übernimmt. Die Alp wird von Albert Breitenmoser gepachtet: Die Einschreibgebühr beträgt rund 1000 Franken pro Jahr, der Pachtzins für die Gebäude rund 1200 Franken.
Kuh-Sharing in Zahlen
21 bis 23 Kühe kann Albert Breitenmoser auf die Alp mitnehmen. 390 Schweizer Franken (rund 320 Euro) kostet eine Kuh für die ganze Saison.