Wirtschaft

Kampf gegen Scheinfirmen geht nicht weit genug

Die Masche hat Methode: Eine Baufirma erhält den Bauauftrag. Dieser wird in Teile gegliedert und an mehrere Subfirmen weitergereicht. Diese Subfirmen beauftragen wiederum Subfirmen – häufig Leiharbeitsfirmen – mit diversen Aufträgen, so dass am Ende Dutzende Baufirmen auf nur einer Baustelle tätig sind.

Viele dieser Firmen sind gar keine Firmen, sondern Scheinfirmen, oder schlicht "Verbrecher", wie sie Hans Trenner, Arbeitsrechts-Experte bei der Arbeiterkammer Wien, nennt. Denn die Scheinfirmen werben (zumeist ausländische) Arbeitnehmer an, zahlen dann aber viel zu geringe oder gar keine Löhne und werden wenig später in Konkurs geschickt.

Obwohl sie nie beim Arbeitnehmer ankommen, werden die Lohnkosten dem Auftraggeber voll verrechnet. Die Gewinne würden "von oben nach unten" zwischen den Subfirmen aufgeteilt, erzählt Trenner. Diese Praktiken gebe es vor allem bei Großbaustellen, etwa bei Abbrucharbeiten oder im Innenausbau.

Finanzpolizei und Kassen-Kontrollore bemühen sich zwar mit Razzien vor Ort, den Scheinfirmen das Handwerk zu legen, das Problem habe sich zuletzt aber eher noch verschärft, meint Trenner. Denn die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen seien oft schlicht nicht vorhanden. "Die Kontrollore werden an der Nase herumgeführt", sagt Trenner.

Sozialbetrugs-Gesetz

Um die Verfahren bei Verdacht auf Scheinunternehmertum zu beschleunigen, ist im neuen Sozialbetrugs-Gesetz ein besserer Datenaustausch zwischen den Behörden vorgesehen. Das Gesetz ging in der Vorwoche in Begutachtung (siehe unten). Wird eine Firma ertappt, darf sie keine Anmeldung mehr bei den Krankenkassen vornehmen.

Die Arbeitnehmer werden verständigt, dass sie bei einer Scheinfirma beschäftigt waren und müssen vor der Krankenkasse erscheinen. Tun sie das nicht, erlischt ihre Versicherung. Kann die Kasse den Dienstgeber nicht ermitteln, wird der Arbeitnehmer jenem Auftraggeber zugerechnet, der wissen hätte müssen, dass es sich beim Auftragnehmer um eine Scheinfirma handelt.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Baufirma nicht weiß, was auf ihrer Baustelle passiert", sagt AK-Experte Trenner, für den das Gesetz nicht weit genug geht. Die Haftungsregelungen bezüglich Sozialversicherung würden keinen Betrüger abschrecken, weil Sozialabgaben nur einen Teil der Auftragssumme ausmachten.

Gegen den organisierten Betrug helfen könne nur ein genereller "Haftungsdurchgriff bis ganz nach oben" mit harten Sanktionen wie sofortiger Baustopp. Eine entsprechende Verschärfung habe die Wirtschaftskammer aber wieder aus dem Gesetz rausreklamiert, man wolle den Punkt erst später behandeln. Es reiche aber nicht aus, Lohn- und Sozialdumping mühsam im Nachhinein zu bekämpfen, es dürfe erst gar nicht entstehen, meint Trenner.

Maßnahmenmix
Mit dem Gesetzespaket zur Bekämpfung von Sozialbetrug sollen Scheinfirmen leichter aufgedeckt werden, u.a. durch raschen Datenaustausch und automatischen Anmeldestopp. Teil des Pakets ist auch der Kampf gegen Krankenstands- bzw. E-Card-Missbrauch. Durch vermehrtes „Mystery Shopping“ sollen Kassen-Kontrollore die Ärzte überprüfen. Die Sanktionen sollen verstärkt werden. Die Ärztekammer protestiert.

Mehreinnahmen
Mit dem Gesetz soll ein Teil der Steuerreform gegenfinanziert werden. Das Zurückdrängen von Scheinfirmen, die keine Steuern und Abgaben zahlen, führt zu mehr Aufträgen für ehrliche Firmen. Den Krankenkassen soll das 2016 Mehreinnahmen von 134 Mio. Euro, dem Bund 90 Mio. Euro bringen. Bis 2045 wird dadurch eine Verringerung des Staatsschuldenstandes um 676 Mio. Euro bzw. 0,12 Prozent des BIP prognostiziert.